Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 16.04.2003 - 9 C 11622/01.OVG = = RdL 2003 S. 210 (Lieferung 2004)
Aktenzeichen | 9 C 11622/01.OVG | Entscheidung | Urteil | Datum | 16.04.2003 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Koblenz | Veröffentlichungen | = = RdL 2003 S. 210 | Lieferung | 2004 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die vorläufige Besitzeinweisung kann auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 FlurbG vorliegen, wegen eines groben Missverhältnisses von Einlage und Abfindung ermessensfehlerhaft sein, wenn Grundstücke eines Teilnehmers, für die er im Planwunschtermin eine verfestigte Aussiedlungsabsicht dargelegt hat, einem anderen, ortsfremden Teilnehmer zugewiesen werden. |
2. | Die Niederschrift über den Planwunschtermin begründet als öffentliche Urkunde vollen Beweis für die Vollständigkeit der Wiedergabe geäußerter Willensbekundungen der Teilnehmer. Dies gilt auch dann, wenn sie lediglich vom Verhandlungsführer und dem Teilnehmer, nicht aber vom Protokollführer unterzeichnet ist. |
Aus den Gründen
Ist der Tatbestand des § 65 Abs. 1 FlurbG erfüllt, kann der vorläufigen Besitzeinweisung grundsätzlich nicht die mangelnde Wertgleichheit von Einlage und Abfindung entgegengehalten werden. Deren Prüfung hat im Verfahren gegen die Planwidersprüche zu erfolgen (BVerwGE 59, 79, 85). Ermessensfehlerhaft wird die vorläufige Besitzeinweisung erst dann, wenn die vorübergehende Nutzung der Abfindungsflurstücke bis zur Planausführung dem Teilnehmer nicht zugemutet werden kann. Dies setzt regelmäßig voraus, dass zwischen Einlage und Abfindung offensichtlich ein grobes Missverhältnis besteht oder in unzumutbarer Weise in die Struktur des Betriebes eingegriffen würde (BVerwG, Beschluss vom 30.8.1968 - IV B 78.68 -, Buchholz 424.01 § 65 FlurbG Nr. 2). Nur dann, wenn die im Einzelfall aufgrund der vorläufigen Besitzeinweisung - etwa durch Neuanpflanzung von Rebanlagen oder den Ausbau von Wirtschaftswegen - vollendete Tatsachen geschaffen werden, sind im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG geringere Anforderungen an die Ermessensfehlerhaftigkeit zu stellen. Es genügt dann die Wahrscheinlichkeit, dass die Zuteilung der Abfindungsgrundstücke im Rahmen des Flurbereinigungsplanes wegen mangelnder Wertgleichheit mit der Einlage keinen Bestand haben wird und zur Herstellung der Gleichwertigkeit auf Grundstücke zurückgegriffen werden muss, auf denen wegen der vorläufigen Besitzeinweisung die Schaffung vollendeter Tatsachen droht.
Im vorliegenden Fall droht nicht die Schaffung vollendeter Tatsachen. Diese sind vielmehr - ohne dass der Senat im Zeitpunkt seiner letzten Eilentscheidung davon Kenntnis hatte - bereits eingetreten. Der Beigeladene zu 2) hat nach seinen unbestrittenen Angaben in der mündlichen Verhandlung die Flächen, deren Zuteilung der Kläger mit seinem Planwiderspruch erstrebt, entgegen seiner bisher im Verfahren behaupteten Bebauungsabsicht neu mit Reben bestockt.
Kann der Kläger daher durch eine Aufhebung der vorläufigen Besitzeinweisung nicht mehr gegen den Eintritt vollendeter Tatsachen auf den begehrten Abfindungsflächen geschützt werden, so beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensbetätigung auf die Frage des groben Missverhältnisses zwischen Einlage und Abfindung oder eines unzumutbaren Eingriffs in die Betriebsstruktur des Klägers. Derartig gravierende Mängel der vorgesehenen Landzuweisung sind aber nicht ersichtlich.
Lässt man die behaupteten Teilaussiedlungsabsichten des Klägers außer Acht, kann von einem groben Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung keine Rede sein. Dies ergibt sich aus den detaillierten Angaben in der Stellungnahme des Kulturamtes Neustadt an der Weinstraße zum Planwiderspruch des Klägers, die auch nicht vom Kläger bestritten werden. Dort wird unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerwG insbesondere zu Recht darauf hingewiesen, dass ein Anspruch auf Abfindung in bestimmter Lage - etwa der von Einlagegrundstücken - grundsätzlich nicht besteht.
Die überwiegende Zuteilung der vom Kläger eingebrachten Parzellen an den Beigeladenen zu 2) könnte allenfalls dann ausnahmsweise zu einem groben Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung des Klägers führen, wenn dieser im Planwunschtermin für die besagten Flächen eine Teilaussiedlungs- oder jedenfalls Bauabsicht hinreichend konkret geäußert hätte. Die Pflicht der Flurbereinigungsbehörde, soweit möglich, auch künftigen Verhältnissen Rechnung zu tragen, setzt voraus, dass es sich um konkrete Möglichkeiten handelt, deren Verwirklichung bei Wirksamwerden des Flurbereinigungsplans bereits voraussehbar und nicht theoretisch ist. Die Beteiligten sind im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht gehalten, im Wunschtermin auf alle Gesichtspunkte hinzuweisen, die für die Entwicklung ihres Betriebes von Bedeutung sind, soweit sie nicht ohnehin für die Flurbereinigungsbehörde erkennbar sind. Wird im Wunschtermin nicht auf solche besonderen Entwicklungstendenzen hingewiesen und werden hierzu keine konkreten Gestaltungsvorschläge gemacht, so kann schlechterdings nicht erwartet werden, dass solche Umstände bei der Plangestaltung Berücksichtigung finden (BVerwG, RdL 1981, 209).
Im vorliegenden Fall begründet die den Kläger betreffende Niederschrift des Planwunschtermins vom 4.1.2001 gemäß §§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, 98 VwGO, 415 Abs. 1 ZPO als öffentliche Urkunde den vollen Beweis dafür, dass der Kläger einen diesen Anforderungen genügenden Teilaussiedlungswunsch nicht geäußert hat. Denn eine solche Äußerung lässt sich der Protokollierung weder ausdrücklich noch sinngemäß entnehmen. Da sich die Beweiskraft öffentlicher Urkunden auch auf die Vollständigkeit der Wiedergabe geäußerter Willensbekundungen erstreckt (s. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann: ZPO, 60. Auflage 2002, § 415 RdNr. 10 sowie BVerwG, Beschluss vom 2.11.1987, Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 32 für den Fall eines nicht im gerichtlichen Protokoll erscheinenden Beweisantrages), ist unter Ausschluss der freien Beweiswürdigung (§ 108 VwGO) davon auszugehen, dass der Kläger die im Protokoll vermerkten Planwünsche geäußert hat.
Die Beweiskraft der Niederschrift erleidet auch nicht dadurch eine Einbuße, dass sie - anders als im Planwunschtermin des Beigeladenen zu 2) - nicht vom Zeugen B als Protokollführer unterzeichnet ist. Die formelle Beweiskraft der öffentlichen Urkunde entfällt nur dann, wenn sie gegen gesetzliche Formvorschriften verstößt. Die Unterzeichnung des Protokolls eines Planwunschtermins durch den Protokollführer ist aber nicht gesetzlich vorgeschrieben. Aus § 130 Abs. 3 FlurbG folgt vielmehr, dass das Protokoll (nur) vom Verhandlungsführer, nicht aber vom Protokollführer unterzeichnet werden muss (s. auch Senatsurteil vom 8.6.1982 - 9 C 47/80 -, RzF - 1 - zu § 130 Abs. 3 FlurbG). Eine allenfalls analoge Anwendung des für förmliche Verwaltungsverfahren geltenden § 68 Abs. 4 Satz 3 VwVfG scheidet schon deshalb aus, weil § 130, § 131 und § 132 FlurbG detaillierte und grundsätzlich abschließende Regelungen zur Niederschrift in Flurbereinigungsverfahren enthalten, die sogar eine Mitwirkung der Beteiligten erfordern (§ 130 FlurbG) und daher eine vergleichbare Richtigkeitsgewähr für Niederschriften bieten wie Vorschriften des VwVfG.
Der nach § 415 Abs. 2 ZPO zulässige Gegenbeweis unrichtiger Beurkundung ist dem Kläger nicht gelungen. Das Ergebnis der Beweisaufnahme vermochte den Senat nicht davon zu überzeugen, dass im Planwunschtermin des Klägers die Protokollierung eines konkret geäußerten Teilaussiedlungs- oder Bauwunsches für den Bereich der Parzellen unterblieben ist.
Hat aber der Kläger keinen rechtsverbindlichen Aussiedlungswunsch geäußert, so bewirkt die (überwiegende) Zuweisung seines an der K 4 belegenen Altbesitzes an den Beigeladenen zu 2) kein grobes Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Beigeladene zu 2) durch die Neubestockung seiner im Altbesitz des Klägers gelegenen Abfindungsflurstücke recht deutlich zu erkennen gegeben hat, dass seine im Planwunschtermin geäußerte Aussiedlungsabsicht entfallen ist oder in Wahrheit nie bestanden hat. Denn das Gebot wertgleicher Abfindung verbietet es - wie erwähnt - nicht grundsätzlich, einem Teilnehmer Abfindungsflurstücke im Bereich des Altbesitzes eines anderen Teilnehmers zuzuweisen.
Im vorliegenden Fall droht nicht die Schaffung vollendeter Tatsachen. Diese sind vielmehr - ohne dass der Senat im Zeitpunkt seiner letzten Eilentscheidung davon Kenntnis hatte - bereits eingetreten. Der Beigeladene zu 2) hat nach seinen unbestrittenen Angaben in der mündlichen Verhandlung die Flächen, deren Zuteilung der Kläger mit seinem Planwiderspruch erstrebt, entgegen seiner bisher im Verfahren behaupteten Bebauungsabsicht neu mit Reben bestockt.
Kann der Kläger daher durch eine Aufhebung der vorläufigen Besitzeinweisung nicht mehr gegen den Eintritt vollendeter Tatsachen auf den begehrten Abfindungsflächen geschützt werden, so beschränkt sich die gerichtliche Überprüfung der behördlichen Ermessensbetätigung auf die Frage des groben Missverhältnisses zwischen Einlage und Abfindung oder eines unzumutbaren Eingriffs in die Betriebsstruktur des Klägers. Derartig gravierende Mängel der vorgesehenen Landzuweisung sind aber nicht ersichtlich.
Lässt man die behaupteten Teilaussiedlungsabsichten des Klägers außer Acht, kann von einem groben Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung keine Rede sein. Dies ergibt sich aus den detaillierten Angaben in der Stellungnahme des Kulturamtes Neustadt an der Weinstraße zum Planwiderspruch des Klägers, die auch nicht vom Kläger bestritten werden. Dort wird unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerwG insbesondere zu Recht darauf hingewiesen, dass ein Anspruch auf Abfindung in bestimmter Lage - etwa der von Einlagegrundstücken - grundsätzlich nicht besteht.
Die überwiegende Zuteilung der vom Kläger eingebrachten Parzellen an den Beigeladenen zu 2) könnte allenfalls dann ausnahmsweise zu einem groben Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung des Klägers führen, wenn dieser im Planwunschtermin für die besagten Flächen eine Teilaussiedlungs- oder jedenfalls Bauabsicht hinreichend konkret geäußert hätte. Die Pflicht der Flurbereinigungsbehörde, soweit möglich, auch künftigen Verhältnissen Rechnung zu tragen, setzt voraus, dass es sich um konkrete Möglichkeiten handelt, deren Verwirklichung bei Wirksamwerden des Flurbereinigungsplans bereits voraussehbar und nicht theoretisch ist. Die Beteiligten sind im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht gehalten, im Wunschtermin auf alle Gesichtspunkte hinzuweisen, die für die Entwicklung ihres Betriebes von Bedeutung sind, soweit sie nicht ohnehin für die Flurbereinigungsbehörde erkennbar sind. Wird im Wunschtermin nicht auf solche besonderen Entwicklungstendenzen hingewiesen und werden hierzu keine konkreten Gestaltungsvorschläge gemacht, so kann schlechterdings nicht erwartet werden, dass solche Umstände bei der Plangestaltung Berücksichtigung finden (BVerwG, RdL 1981, 209).
Im vorliegenden Fall begründet die den Kläger betreffende Niederschrift des Planwunschtermins vom 4.1.2001 gemäß §§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, 98 VwGO, 415 Abs. 1 ZPO als öffentliche Urkunde den vollen Beweis dafür, dass der Kläger einen diesen Anforderungen genügenden Teilaussiedlungswunsch nicht geäußert hat. Denn eine solche Äußerung lässt sich der Protokollierung weder ausdrücklich noch sinngemäß entnehmen. Da sich die Beweiskraft öffentlicher Urkunden auch auf die Vollständigkeit der Wiedergabe geäußerter Willensbekundungen erstreckt (s. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann: ZPO, 60. Auflage 2002, § 415 RdNr. 10 sowie BVerwG, Beschluss vom 2.11.1987, Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 32 für den Fall eines nicht im gerichtlichen Protokoll erscheinenden Beweisantrages), ist unter Ausschluss der freien Beweiswürdigung (§ 108 VwGO) davon auszugehen, dass der Kläger die im Protokoll vermerkten Planwünsche geäußert hat.
Die Beweiskraft der Niederschrift erleidet auch nicht dadurch eine Einbuße, dass sie - anders als im Planwunschtermin des Beigeladenen zu 2) - nicht vom Zeugen B als Protokollführer unterzeichnet ist. Die formelle Beweiskraft der öffentlichen Urkunde entfällt nur dann, wenn sie gegen gesetzliche Formvorschriften verstößt. Die Unterzeichnung des Protokolls eines Planwunschtermins durch den Protokollführer ist aber nicht gesetzlich vorgeschrieben. Aus § 130 Abs. 3 FlurbG folgt vielmehr, dass das Protokoll (nur) vom Verhandlungsführer, nicht aber vom Protokollführer unterzeichnet werden muss (s. auch Senatsurteil vom 8.6.1982 - 9 C 47/80 -, RzF - 1 - zu § 130 Abs. 3 FlurbG). Eine allenfalls analoge Anwendung des für förmliche Verwaltungsverfahren geltenden § 68 Abs. 4 Satz 3 VwVfG scheidet schon deshalb aus, weil § 130, § 131 und § 132 FlurbG detaillierte und grundsätzlich abschließende Regelungen zur Niederschrift in Flurbereinigungsverfahren enthalten, die sogar eine Mitwirkung der Beteiligten erfordern (§ 130 FlurbG) und daher eine vergleichbare Richtigkeitsgewähr für Niederschriften bieten wie Vorschriften des VwVfG.
Der nach § 415 Abs. 2 ZPO zulässige Gegenbeweis unrichtiger Beurkundung ist dem Kläger nicht gelungen. Das Ergebnis der Beweisaufnahme vermochte den Senat nicht davon zu überzeugen, dass im Planwunschtermin des Klägers die Protokollierung eines konkret geäußerten Teilaussiedlungs- oder Bauwunsches für den Bereich der Parzellen unterblieben ist.
Hat aber der Kläger keinen rechtsverbindlichen Aussiedlungswunsch geäußert, so bewirkt die (überwiegende) Zuweisung seines an der K 4 belegenen Altbesitzes an den Beigeladenen zu 2) kein grobes Missverhältnis zwischen Einlage und Abfindung. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Beigeladene zu 2) durch die Neubestockung seiner im Altbesitz des Klägers gelegenen Abfindungsflurstücke recht deutlich zu erkennen gegeben hat, dass seine im Planwunschtermin geäußerte Aussiedlungsabsicht entfallen ist oder in Wahrheit nie bestanden hat. Denn das Gebot wertgleicher Abfindung verbietet es - wie erwähnt - nicht grundsätzlich, einem Teilnehmer Abfindungsflurstücke im Bereich des Altbesitzes eines anderen Teilnehmers zuzuweisen.