Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.01.2019 - V ZB 56/18 = juris (Lieferung 2020)

Aktenzeichen V ZB 56/18 Entscheidung Beschluss Datum 10.01.2019
Gericht Bundesgerichtshof Veröffentlichungen = juris  Lieferung 2020

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die nach § 79 Abs. 1 FlurbG um Berichtigung des Grundbuchs ersuchende Flurbereinigungsbehörde ist zur Vorlage des Grundschuldbriefes verpflichtet, wenn sich im Zuge der Flurbereinigung der Belastungsgegenstand ändert. Dies ist der Fall, wenn für die Grundschuld (auch) ein neues, d.h. im Bestandsverzeichnis mit einer eigenen Nummer aufzuführendes selbständiges Grundstück haftet (Fortführung von Senat, Beschluss vom 7. Februar 2013 - V ZB 160/12, NJW-RR 2013, 916). (Amtlicher Leitsatz)

Aus den Gründen

Tatbestand

III.

4    1. Die zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 78 Abs. 1 GBO) und frist- und formgerecht eingelegt (§ 71 FamFG i.V.m. § 78 Abs. 3 GBO). Sie ist auch im Übrigen zulässig. Dass die beantragte Eintragung zwischenzeitlich vorgenommen worden ist, ändert daran nichts, weil die Rechtsbeschwerde in analoger Anwendung von § 62 FamFG als Feststellungsantrag fortgeführt werden kann.


5    a) Gemäß § 62 FamFG spricht das Beschwerdegericht nach Erledigung der Hauptsache auf Antrag aus, dass die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzt hat, wenn dieser ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Diese Norm gilt nach allgemeiner und zutreffender Ansicht auch im Grundbuchverfahren und ebenfalls im Verfahren der Rechtsbeschwerde (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Juli 2017 - V ZB 47/16, NJW-RR 2017, 1162 Rn. 5 mwN).


6     b) Die Voraussetzungen von § 62 FamFG sind gegeben.


7    aa) Dass die Eintragung noch vor Einlegung der Rechtsbeschwerde erfolgt ist, macht den Antrag nicht unzulässig. Die Bestimmung des § 62 Abs. 1 FamFG ist nämlich zur Gewährleistung wirksamen Rechtsschutzes auch dann anwendbar, wenn sich die angegriffene Maßnahme bereits vor Einlegung der Beschwerde - bzw. hier: der Rechtsbeschwerde - erledigt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2012 - I ZB 48/12, NJW-RR 2013, 751 Rn. 13).


8    bb) Das berechtigte Interesse an der Feststellung liegt gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 2 FamFG in der Regel vor, wenn eine Wiederholung konkret zu erwarten ist, was voraussetzt, dass gerade der Beschwerdeführer von einer gleichartigen Rechtsverletzung betroffen wäre. Daran fehlt es zwar, wenn das Interesse lediglich auf die abstrakte Klärung einer Rechtsfrage für die zukünftige Rechtspraxis einer Behörde gerichtet ist (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Oktober 2015 - V ZB 169/14, FGPrax 2016, 34 Rn. 12; Beschluss vom 20. Juli 2017 - V ZB 47/16, NJW-RR 2017, 1162 Rn. 6). Hier geht es aber nicht lediglich um die Klärung einer Rechtsfrage. Vielmehr verweist die Rechtsbeschwerde darauf, dass derzeit infolge des Flurbereinigungsverfahrens in 45 Fällen die Vorlage von Grundpfandrechtsbriefen verlangt worden sei. Dies begründet die von dem Beteiligten zu 2 geltend gemachte Wiederholungsgefahr.


9    2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet. Zu Recht nimmt das Beschwerdegericht an, dass für die beantragte Eintragung die Vorlage des Grundschuldbriefs erforderlich war.


10    a) Nach § 41 Abs. 1 Satz 1, § 42 Satz 1 GBO ist der Grundschuldbrief vorzulegen, wenn eine Eintragung bei einer Briefgrundschuld erfolgen soll. Eintragungen "bei einer Grundschuld" sind solche Eintragungen, die in der Abteilung III des Grundbuchs unter der Nummer erfolgen, unter der die Grundschuld eingetragen ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Eintragung rechtsbegründend oder rechtsbezeugend ist, auf Bewilligung, Unrichtigkeitsnachweis oder Zwangsvollstreckung beruht, auf Antrag, auf Ersuchen oder von Amts wegen vorzunehmen ist, endgültigen oder vorläufigen Charakter hat, ob der Grundschuldgläubiger von der Eintragung betroffen oder begünstigt oder ob sie für ihn rechtlich neutral ist, und ob die Eintragung auf dem Brief vermerkt wird oder nicht. Keine Eintragungen i.S.v. § 41 Abs. 1 Satz 1, § 42 Satz 1 GBO sind dagegen solche, die zwar materiell auf die Grundschuld einwirken, aber grundbuchmäßig ihre Eintragung in Abteilung III nicht berühren (Senat, Beschluss vom 7. Februar 2013 - V ZB 160/12, NJW-RR 2013, 916 Rn. 7; Beschluss vom 19. Juli 2013 - V ZB 159/12, juris Rn. 6).


11    b) Bereits entschieden hat der Senat, dass es der Vorlage des Grundschuldbriefs nicht bedarf, wenn in einem Verfahren des freiwilligen Landtausches gemäß den §§ 103a ff. FlurbG ein aus zwei Flurstücken bestehendes Grundstück mit Briefgrundschulden belastet war und eines dieser Flurstücke von der Flurbereinigungsbehörde gegen ein anderes, unbelastetes (selbständiges) Grundstück getauscht wird, ohne dass dieses unter einer neuen laufenden Nummer des Bestandsverzeichnisses als selbständiges Grundstück eingetragen wird. In diesem Fall erlangt das bisher selbständige Grundstück die rechtliche Stellung des alten Flurstücks, also nicht die eines selbständigen Grundstücks, sondern die eines unselbständigen Bestandteils des bereits unter einer bestimmten laufenden Nummer eingetragenen Grundstücks. Dies wird grundbuchtechnisch nach Maßgabe der Vorschriften in § 6 Abs. 2, 5, 6 Buchst. b und c, § 13 Abs. 1 GBV nur im Bestandsverzeichnis vermerkt. Dass sich die in Abteilung III eingetragene Grundschuld auf ein anderes (unselbständiges) Flurstück als vorher erstreckt, wird in Abteilung III nicht vermerkt; denn rechtlich ist der Belastungsgegenstand unverändert geblieben (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Februar 2013 - V ZB 160/12, NJW-RR 2013, 916 Rn. 17). Es handelt sich grundbuchrechtlich weiterhin um dasselbe Grundstück, geändert hat sich nur seine Zusammensetzung. Insoweit ist zu beachten, dass Flurstück und Grundstück im grundbuchrechtlichen Sinne nicht notwendig identisch sind. Ein Grundstück kann vielmehr aus mehreren Flurstücken bestehen (vgl. Demharter, GBO, 31. Aufl., § 2 Rn. 18).


12    c) Anders ist der soeben dargestellte Fall jedoch zu beurteilen, wenn das getauschte Grundstück in dem Bestandsverzeichnis unter einer neuen laufenden Nummer als selbständiges Grundstück eingetragen werden sollte. Dann ist die Grundschuld zu einer Gesamtgrundschuld geworden, weil sie nicht nur das alte - rechtlich identisch gebliebene - Grundstück belastet, sondern auch das neue Grundstück (vgl. hierzu auch bereits Senat, Beschluss vom 7. Februar 2013 - V ZB 160/12, NJW-RR 2013, 916 Rn. 17). Da sich der Belastungsgegenstand verändert hat, muss dies gemäß § 11 Abs. 3 und 6 GBV auch in Abteilung III des Grundbuchs dokumentiert werden. Vor diesem Hintergrund ist die Vorlage des Grundschuldbriefs erforderlich, um die Übereinstimmung zwischen dem Inhalt des Grundbuchs und dem Inhalt des Grundschuldbriefs (vgl. § 62 GBO) sicherzustellen.


13    d) Entsprechendes gilt, wenn aufgrund des Flurbereinigungsverfahrens an die Stelle eines belasteten (selbständigen) Grundstücks ein anderes (selbständiges) Grundstück tritt. Die nach § 79 Abs. 1 FlurbG um Berichtigung des Grundbuchs ersuchende Flurbereinigungsbehörde ist deshalb immer dann zur Vorlage des Grundschuldbriefes verpflichtet, wenn sich im Zuge der Flurbereinigung der (rechtliche) Belastungsgegenstand ändert. Dies ist der Fall, wenn für die Grundschuld (auch) ein neues, d.h. im Bestandsverzeichnis mit einer eigenen Nummer aufzuführendes selbständiges Grundstück haftet. So liegt es hier. Wie das Beschwerdegericht zutreffend sieht, handelt es sich bei den Grundstücken, die in dem Flurbereinigungsverfahren an die Stelle der alten Grundstücke getreten sind (§ 68 Satz 1 FlurbG), um rechtlich selbständige Grundstücke, die gemäß § 6 Abs. 1 GBV auch in dem Bestandsverzeichnis mit einer eigenen, neuen Nummer zu versehen sind. Anders als in dem vom Senat am 7. Februar 2013 (V ZB 160/12, NJW-RR 2013, 916) entschiedenen Fall, auf den sich der Beteiligte zu 2 stützt, hat sich der Belastungsgegenstand in rechtlicher Hinsicht geändert. Das ursprünglich haftende Grundstück hat seine Existenz verloren. Für die Grundschuld haftete nunmehr (auch) ein anderes Grundstück. Das muss, wie dargelegt, in Abteilung III des Grundbuchs dokumentiert werden. Wäre die Grundschuld nicht gelöscht worden, hätte daher gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1, § 42 Satz 1 GBO eine Eintragung "bei der Grundschuld" erfolgen und deshalb der Grundschuldbrief vorgelegt werden müssen.