Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.12.1981 - III ZR 55/80 = AgrarR 1982, S. 156= RdL 1982 S. 46
Aktenzeichen | III ZR 55/80 | Entscheidung | Urteil | Datum | 03.12.1981 |
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Gericht | Bundesgerichtshof | Veröffentlichungen | = AgrarR 1982, S. 156 = RdL 1982 S. 46 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Wird ein geschlossen liegendes ("arrondiertes ") Landgut durch den Bau einer öffentlichen Straße durchschnitten, so kann ein auszugleichender Minderwert darin bestehen, daß rechtlich gesicherte Nutzungsmöglichkeiten der Arrondierung, die im gesunden Grundstücksverkehr bewertet werden, wegfallen oder gemindert werden. |
2. | Bei der Ermittlung des über die Landabfindung in der Unternehmensflurbereinigung hinausgehenden Minderwertes kann nur von den Einwirkungen ausgegangen werden, die das Gut in seiner Gestalt nach Durchführung der Flurbereinigung betreffen. Ein Gut in hypothetischer Gestalt, d. h. ohne Durchführung der Flurbereinigung, darf dem Wertvergleich nicht zugrunde gelegt werden. |
Aus den Gründen
Der Senat hat in seiner - auch im ersten Revisionsurteil erwähnten - Entscheidung vom 12. Juni 1975 (III ZR 25/73 = BGHZ 64, 382) ausgesprochen, daß ein Eingriff in die geschützte Rechtsposition des Eigentümers darin liegen kann, daß ein bisher geschlossen liegendes ("arrondiertes") Landgut durch den Bau einer öffentlichen Straße durchschnitten wird. Hat die Durchschneidung eine Wertminderung zur Folge, so kann dafür eine Entschädigung verlangt werden, soweit die Minderbewertung auf einer Einbuße an eigentumsmäßig geschützter Rechtsposition beruht. Ein entschädigungsfähiger Minderwert kann nicht schon damit begründet werden, daß ein potentieller Käufer die Durchschneidung des bis dahin geschlossen liegenden Hofes zum Anlaß einer wesentlichen Minderbewertung nehmen würde. Es ist also zu fragen, ob und inwieweit diese Minderbewertung ihren Grund in einem Eingriff hat, durch den der Eigentümer in einer aus seinem Eigentum sich ergebenden Rechtsposition betroffen und beeinträchtigt worden ist (a.a.O. S. 394; BGHZ 66, 173). Daran hat der Senat in der Folgezeit festgehalten und diese Grundsätze auch auf ein Forstgut und einen Gewerbebetrieb angewendet (Beschluß vom 28. September 1978 - III ZR 162/77; Urteil vom 9. November 1978 - III ZR 91/77 = WM 1979, 168; Urteil vom 25. Juni 1981 - III ZR 12/80 - WM 1981, 1138 sowie das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil vom 8. Oktober 1981 - III ZR 46/80).
Demnach kann der räumliche, wirtschaftliche und rechtliche Zusammenhang, der Grundstücksflächen in der Hand des Eigentümers zu einer geschlossenen Wirtschaftseinheit zusammenfügt (also die "Arrondierung"), zur eigentumsmäßig geschützten Grundstückssubstanz gehören. Eine Beeinträchtigung dieses Zusammenhangs durch Eingriffe von hoher Hand kann einen (Enteignungs-) Entschädigungsanspruch auslösen, wenn und soweit diese Beeinträchtigung den Schutz des Art. 14 GG genießende Befugnisse - mithin rechtlich gesicherte Vorteile - des Eigentümers betrifft und der gesunde Grundstücksverkehr darauf mit einer Minderung des Verkehrswertes der Grundflächen reagiert (vgl. Kreft Anm. 21 a LM FStrG).
Diesen Grundsätzen entspricht das Berufungsurteil im Ergebnis.
Das Berufungsgericht hat allerdings für März 1964, den Zeitpunkt der Besitzüberlassung der Trassengrundflächen und damit den für die "Qualität" der Grundstücke maßgebenden Stichtag (BGHZ 64, 382, 384), ausgeführt, daß damals eine Arrondierungsqualität vom Grundstücksverkehr preislich noch nicht positiv bewertet worden sei. Damit hat es aber, wie seine weiteren Erwägungen zeigen, das Vorhandensein des Qualitätsmerkmals "Arrondierung" als wertbestimmender Faktor nicht verneinen wollen.
Der Sachverständige Dr. hat für das Gut in seinem nicht von der Autobahn durchschnittenen Zustand eine "relativ geringe Arrondierungsqualität" angenommen: Der Hauptflächenkomplex sei bereits vor dem Autobahnbau von betriebsfremden Straßen und Versorgungsleitungen durchzogen gewesen. Zudem seien außerhalb des Hauptflächenkomplexes zwölf Einzelparzellen mit zum Teil sehr ungünstigem Zuschnitt vorhanden gewesen. Er hat die Arrondierung des Guts - ausgehend von fünf Kriterien: Gesamtgröße des Besitzes, Größe, Zahl und Formgebung der einzelnen Bearbeitungsschläge, Geschlossenheit und Kantigkeit des Besitzes, Oberflächengestaltung des Besitzes und schließlich Lage der Hofstelle zu den Bewirtschaftungsschlägen - mit 58 von 100 erreichbaren Punkten bewertet. Für diese Arrondierungsqualität hat der Sachverständige einen Zuschlag von 0,50 DM je qm auf den von ihm mit 10,00 DM je Quadratmeter ermittelten "bloßen" Grundstückspreis für landwirtschaftliche Nutzflächen im Stadtgebiet N. angenommen und ist so zu einem Minderwert von insgesamt 495 876,50 DM gelangt. Durch den Autobahnbau habe das Gut E. seine Arrondierungsqualität verloren; es sei in eine Hofstelle mit unabhängigen Einzelflächen zerfallen.
Dieser Berechnung ist das Berufungsgericht nicht gefolgt. Das wird zu Unrecht von der Revision angegriffen.
Der Sachverständige Dr. ist der Ansicht, rein theoretisch sei zur Berechnung des Minderwerts die Differenzmethode die plausibelste Methode. Bei dieser Ermittlungsart werde der Verkehrswert vor und nach dem Eingriff verglichen und die Differenz der Verkehrswerte ergebe die zu zahlende Entschädigung. Abgesehen davon, daß für diese Methode - wie der Sachverständige angibt - in der Regel keine zuverlässigen Marktdaten zur Verfügung stehen, spricht entscheidend gegen sie, daß sie nicht sicherstellt, daß in den Verkehrswert nur die Umstände einfließen, die auf gefestigter Rechtsposition beruhen.
Die vom Sachverständigen vorgenommene Berechnung ("verbesserte Differenzmethode", "spezielle Berechnung") beruht auf einer Gegenüberstellung der Gestalt des Gutes E. "ohne Autobahn und ohne Flurbereinigung zu der Gestalt des Altbesitzes mit der hineinkonstruierten Trasse der Autobahn nebst Brückenbauwerk". Dieses Verfahren gewährleistet zwar die im ersten Revisionsurteil für erforderlich gehaltene Ausschaltung der Umstände, die im Rahmen und in der Folge der Flurbereinigung ohne Zusammenhang mit der Autobahn auf das Gut werterhöhend oder auch wertmindernd eingewirkt haben. Der Senat hat jedoch bereits in dem erwähnten Urteil darauf hingewiesen, daß sich der Minderwert nicht aus einem Wertvergleich zwischen einerseits dem Gut in seiner alten oder in seiner jetzigen Gestalt und andererseits dem Gut in der hypothetischen Gestalt ergeben kann, die es im Flurbereinigungsverfahren erhalten hätte, wenn die Beklagte ihre Autobahnplanung nicht oder außerhalb des Guts verwirklicht hätte; die frühere Gutseigentümerin und die jetzigen Gutseigentümer seien nie Eigentümer des Guts in dieser hypothetischen Gestalt gewesen und hätten auch keinen eigentumsmäßig verfestigten Anspruch auf die Zuteilung entsprechenden Geländes besessen; insoweit fehle es an der entschädigungsfähigen Beeinträchtigung einer eigentumsmäßig verfestigten Rechtsposition. Aus denselben Gründen ist ein Vergleich zwischen dem Wert des Guts E. vor dem Autobahnbau und vor der Flurbereinigung mit dem Wert des Guts nach dem Autobahnbau aber ohne Flurbereinigung als zur Ermittlung des entschädigungsfähigen Minderwertes ungeeignet abzulehnen. Die Erwägung der Revision, der Wert des durch die Autobahnplanung in vier Teile zerschnittenen Grundbesitzes sei keine hypothetische, sondern eine reale Größe, vermag daran nichts zu ändern. Weder die Erblasserin noch die jetzigen Kläger sind je Eigentümer des Guts E. in seiner alten - aber von der Autobahn durchschnittenen - Gestalt gewesen. Schließlich kann nach den Ausführungen des Sachverständigen auf S. 50, 58 seines Gutachtens nicht ausgeschlossen werden, daß für den angenommenen Quadratmeterpreis von 10,00 DM auch Umstände als wertbildend berücksichtigt worden sind, die nicht auf verfestigter Rechtsposition beruhten.
Das Berufungsgericht hat den Wert des Guts in seiner alten (nicht von der Autobahn durchschnittenen) Gestalt für den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung auf 10 753 849,50 DM ermittelt. Das wird von der Revision nicht beanstandet.
Das Berufungsgericht ist weiter zu dem Ergebnis gelangt, daß der Verkehrswert des Guts in seiner durch den Flurbereinigungsplan ausgewiesenen, von der Autobahn durchschnittenen Gestalt den Verkehrswert des Guts in alter Gestalt um rd. 260 000,00 DM übersteigt. Es hat diesen Wertzuwachs jedoch unberücksichtigt gelassen, weil er allein eine Folge der durch die Flurbereinigung verbesserten Arrondierungsqualität sei. Das läßt eine revisionsrechtlich beachtliche Benachteiligung der Kläger nicht erkennen.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, ein Minderwert lasse sich hier nur dadurch feststellen, daß die von der Autobahn auf das Gut in heutiger Gestalt einwirkenden Nachteile ermittelt werden, da der Ermittlung eines über die Landabfindung hinausgehenden Minderwerts ein Gut in hypothetischer Gestalt nicht zugrunde gelegt werden dürfe und zudem der Teilnehmer einer Flurbereinigung keinen Anspruch auf die Zuteilung von Land an bestimmter Stelle habe.
Dieser Ausgangspunkt begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.