Flurbereinigungsgericht München, Beschluss vom 26.02.2002 - 13 AS 02.57

Aktenzeichen 13 AS 02.57 Entscheidung Beschluss Datum 26.02.2002
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Eine Vollziehungsanordnung muss mit einer auf den konkreten Fall abgestellten und nicht lediglich formelhaften Begründung versehen sein; die Behörde hat die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen darzulegen, die zur Annahme eines besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes geführt haben.
2. Die Begründung der Vollziehungsanordnung kann nicht nachgeholt werden.

Aus den Gründen

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Gebietsänderung im Bescheid des Antragsgegners vom 15. August 2001 entspricht nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.

Nach § 80 Abs. 1 VwGO hat ein Rechtsbehelf grundsätzlich aufschiebende Wirkung mit der Folge, dass der Verwaltungsakt nicht vollziehbar ist. Die Behörde kann jedoch - wie hier - gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten anordnen. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist dann jedoch das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich zu begründen. Die rechtsstaatlich gebotene Begründungspflicht soll zum einen den Betroffenen in die Lage versetzen, durch Kenntnis der Gründe, die die Behörde zu der Anordnung des Sofortvollzuges bewogen haben, seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO abzuschätzen. Zum anderen hat sie den Zweck, der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung bewusst zu machen und zu veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein vorrangiges Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung fordert. Schließlich hat sie auch die Funktion, den Gerichten die Prüfung der Argumente der Behörde zu ermöglichen. Hieraus ergibt sich, dass das Erfordernis einer schriftlichen Begründung nicht nur formeller Natur ist, dem bereits genügt ist, wenn überhaupt eine Begründung vorhanden ist. Aus dem Zweck der Begründungspflicht folgt vielmehr, dass die Behörde die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen darlegen muss, die im konkreten Fall zur Annahme eines besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO geführt haben (BayVGH vom 24.03.1999 BayVBl 1999, 465; Jörg Schmidt in Eyermann, VwGO, 11. Auflage 2000, RdNr. 42 zu § 80; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Auflage 2000, RdNr. 84 zu § 80). Auch in seinem Beschluss vom 17.08.1994 (Az. 13 AS 94.2356) hat der Senat bereits darauf hingewiesen, dass eine Vollziehungsanordnung mit einer auf den konkreten Fall abgestellten und nicht lediglich formelhaften Begründung versehen sein muss.

Vorliegend hat die Behörde zur Begründung, dass hier ein beschleunigter und reibungsloser Fortgang des Verfahrens geboten sei, auf die Begründung des Änderungsbeschlusses abgestellt. Die Bezugnahme auf die Begründung des zu vollziehenden Verwaltungsaktes ist jedenfalls dann möglich, wenn aus dieser bereits die besondere Dringlichkeit auch der Regelung im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO hervorgeht (BayVGH vom 04.01.1982 RzF - 4 - zu § 61 FlurbG; vom 17.08.1994 a.a.O.; Kopp/Schenke, a.a.O., RdNr. 86 zu § 80). Aber auch aus der Begründung der Gebietsänderung lässt sich die besondere Dringlichkeit nicht entnehmen. Die genannten Begründungen mögen den Flurbereinigungsbeschluss selbst begründen, lassen aber nicht erkennen, worin das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung liegt, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Flurbereinigungsbeschluss selbst rechtfertigt. Allein die Aussage, es sei "besonders dringend", stellt keine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung dar, sondern ist lediglich "formelhaft." Dabei ist im Übrigen ausschließlich auf das abzustellen, was die Behörde in ihrer Begründung zur Vollziehungsanordnung angeführt hat.

Die Begründung kann angesichts des Zwecks der Begründungspflicht, die gebotenen Überlegungen und Abwägungen vor Erlass der Vollziehungsanordnung vorzunehmen, auch nicht nachgeholt werden. Daher kommt es nicht darauf an, ob die in der Stellungnahme des Antragsgegners vom 1. Februar 2002 im gerichtlichen Verfahren genannten Erwägungen eine Vollziehungsanordnung rechtfertigen. Vielmehr besteht nur die Möglichkeit, eine neue Vollziehungsanordnung mit neuer Begründung zu treffen (Kopp/Schenke, a.a.O., RdNr. 87 zu § 80).

Die Anordnung des Sofortvollzuges ist damit formell rechtswidrig.