Flurbereinigungsgericht Magdeburg, Urteil vom 04.11.2003 - 8 K 14/02 (Lieferung 2013)

Aktenzeichen 8 K 14/02 Entscheidung Urteil Datum 04.11.2003
Gericht Flurbereinigungsgericht Magdeburg Veröffentlichungen Lieferung 2013

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die fehlende Beteiligung der mit dem Beschluss über die Einleitung des Bodenordnungsverfahrens entstehenden Teilnehmergemeinschaft hat auf die Gültigkeit des Bodenordnungsplans jedenfalls dann keinen Einfluss, wenn die Herstellung und Unterhaltung gemeinschaftlicher Anlagen von der Gemeinde übernommen worden ist, sodass es an Aufgaben fehlt, zu deren Erfüllung die Teilnehmergemeinschaft heranzuziehen wäre.
2. Einwendungen gegen die Wertermittlung der neuen Grundstücke können mit der Anfechtung des Bodenordnungsplans nicht geltend gemacht werden, wenn die Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung bestandskräftig geworden ist und die Gewährung von Nachsicht nicht in Betracht kommt, weil der Betroffene im zeitlichen Zusammenhang mit der Wertermittlung vorläufig in den Besitz der neuen Grundstücke eingewiesen worden ist.
3. Das Flurbereinigungsgericht prüft, ob die Voraussetzungen für die Nachsichtgewährung nach § 134 Abs. 2 FlurbG vorliegen auch dann, wenn die Behörde verspätet vorgebrachte Einwendungen zugelassen hat.

Aus den Gründen

Rechtsgrundlage für den Bodenordnungsplan sind die §§ 53 Abs. 1, § 56 Abs. 1 und § 59 Abs. 1 LwAnpG.


1) Der Plan ist formell rechtmäßig. Entgegen der Auffassung des Klägers begründet die Tatsache, dass die Versammlung der Teilnehmergemeinschaft zu keinem Zeitpunkt getagt habe, einen Verfahrensfehler nicht. Zwar wendet der Beklagte zu Unrecht ein, dass in Bodenordnungsverfahren nach dem Landwirtschaftanpassungsgesetz die Gründung einer Teilnehmergemeinschaft nicht vorgesehen sei. Denn für die Feststellung und Neuordnung der Eigentumsverhältnisse in Bodenordnungsverfahren finden gemäß § 63 Abs. 2 LwAnpG die Regelungen des Flurbereinigungsgesetzes sinngemäß Anwendung. Das gilt auch für die Entstehung und Befugnisse der Teilnehmergemeinschaft (OVG Brandenburg, Agrar- und Umweltrecht 2003, 94 <95>). Entsteht somit in Bodenordnungsverfahren wegen der Verweisung in § 63 LwAnpG von Gesetzes wegen mit dem Beschluss über die Einleitung des Bodenordnungsverfahrens die Teilnehmergemeinschaft (vgl. § 16 Satz 2 FlurbG), so führt der Umstand, dass das Bodenordnungsverfahren mit einem Bodenordnungsplan abgeschlossen wurde, ohne dass die Teilnehmergemeinschaft in einer Versammlung über Einzelheiten des Bodenordnungsverfahrens verhandelt hatte, nicht zur Rechtswidrigkeit des Bodenordnungsplans. Es ist nicht Aufgabe der Teilnehmergemeinschaft, als Sachwalter der Interessen einzelner Mitglieder deren private Belange gegenüber der Flurbereinigungsbehörde durchzusetzen, sondern die gemeinschaftlichen Angelegenheiten der Teilnehmer wahrzunehmen (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 FlurbG). Dazu gehört, gemeinschaftliche Anlagen herzustellen und zu unterhalten sowie die erforderliche Bodenverbesserung auszuführen, soweit nicht der Bodenordnungsplan anderes bestimmt oder die Ausführung und Unterhaltung einzelnen Beteiligten oder einem Wasser- und Bodenverband überlassen werden (§ 18 Abs. 1 Satz 2 FlurbG). Sie hat ferner die im Verfahren festgesetzten Zahlungen zu leisten und zu fordern sowie die Übrigen nicht der Flurbereinigungsbehörde obliegende Aufgaben, einschließlich der zur Durchführung der Flurbereinigung erforderlichen Vorarbeiten zu erfüllen (§ 18 Abs. 1 Satz 3 FlurbG). Da die Herstellung und Unterhaltung der gemeinschaftlichen Anlagen hier von der Gemeinde übernommen wird, die Träger des Bodenordnungsverfahrens ist, fehlt es an Aufgaben, zu deren Erfüllung die Teilnehmergemeinschaft heranzuziehen wäre. Fehlt es an Aufgaben, bedarf es der Einberufung der Versammlung nicht. Deshalb stellt sich nicht die Frage, ob der Beklagte anstelle der Versammlung einen Arbeitsausschuss hat wählen lassen dürfen und ob der Ausschuss tatsächlich getagt hat.


2) Der Bodenordnungsplan ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Gemäß § 53 Abs. 1 LwAnpG sind auf Grund des Ausscheidens von Mitgliedern aus der LPG oder der eingetragenen Genossenschaft, der Bildung einzelbäuerlichen Wirtschaften oder zur Wiederherstellung der Einheit von selbständigem Eigentum an Gebäuden, Anlagen sowie Anpflanzungen und Eigentum an Grund und Boden auf Antrag eines Beteiligten die Eigentumsverhältnisse an Grundstücken unter Beachtung der Interessen der Beteiligten neu zu ordnen. Die Ergebnisse des Bodenordnungsverfahrens fasst die Flurneuordnungsbehörde gemäß § 59 Abs. 1 LwAnpG in einem Plan zusammen. Dabei muss jeder Teilnehmer für die von ihm abzutretenden Grundstücke durch Land vom gleichen Wert abgefunden werden (§ 58 Abs. 1 LwAnpG). Die Landabfindung soll in der Nutzungsart, Beschaffenheit, Bodengüte und Lage seinen alten Grundstücken entsprechen (§ 58 Abs. 1 Satz 2 LwAnpG). Der Bodenordnungsplan genügt diesen Anforderungen.


a) Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, der Beklagte habe den Wert der eingebrachten und den Wert der zugeteilten Grundstücke nicht zutreffend bemessen. Das Verfahren zur Ermittlung des Wertes der eingebrachten Grundstücke nach den Regelungen in den §§ 63 Abs. 2 LwAnpG, § 27 ff. FlurbG ist, nachdem den Teilnehmern die Wertermittlungsergebnisse im Anhörungstermin am 15. September 1998 erläutert worden sind, mit der Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung vom 24. September 1998 gemäß § 32 Satz 3 FlurbG abgeschlossen worden. Da der Kläger dagegen Widerspruch nicht erhoben hat, ist das Wertermittlungsergebnis bestandskräftig. Der Kläger kann nicht geltend machen, seine im Anhörungstermin am 17. November 2000 mit dem Widerspruch gegen den Bodenordnungsplan vorgebrachten Einwände gegen die Wertermittlungsergebnisse müssten trotz Versäumung der Widerspruchsfrist nach § 134 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FlurbG zugelassen werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger ohne eigenes Verschulden gehindert gewesen wäre, den Widerspruch gegen die Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung vom 24. September 1998 innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist vorzubringen, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Die verschuldet nicht rechtzeitig vorgebrachten Einwände gegen die Wertermittlungsergebnisse können auch nicht gemäß § 134 Abs. 2 Satz 1 FlurbG zugelassen werden. Das der Behörde mit der Regelung eingeräumte Ermessen für die nachträgliche Zulassung von Einwänden ist mit dem Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens abzuwägen (BverwGE 21, 93 <95>). Hier kommt die Nachsichtgewährung nicht mehr in Betracht, weil der Kläger seine Einwände erst nach mehr als zwei Jahren seit Ablauf der Widerspruchsfrist gegen das Wertermittlungsergebnisses erhebt (vgl. Seehusen/Schwede, FlurbG, 7. Auflage 1997, § 134 Rdnr. 7; BVerwG, a. a. O.).


Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, der Wert der Abfindungsgrundstücke sei nicht zutreffend bemessen worden. Denn der Kläger kann die Wertermittlung der neuen Grundstücke nicht angreifen, weil der Wert der Grundstücke mit den Ergebnissen der Wertermittlung vom 24. September 1998 bestandskräftig festgestellt und Gründe, die verspätet erhobenen Einwände zuzulassen, nicht vorliegen (aa). Ungeachtet dessen sind die vom Kläger erhobenen Einwände auch in der Sache nicht begründet (bb).


aa) Gegen die Ermittlung des Wertes der neuen Grundstücke kann der Kläger Einwände nicht erheben, weil die Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung vom 24. September 1998, zu denen nach der Niederschrift über die Auslegung der Wertermittlungsergebnisse und den Anhörungstermin am 15. September 1998 auch die Wertkarten – neuer Bestand – mit den neuen Flurstücken und den Angaben der Wertzahlen gehören, mit Ablauf der einmonatigen Widerspruchsfrist bestandskräftig geworden ist ((), die Zulassung der verspätet erhobenen Einwendungen nicht in Betracht kommt (() und die Bescheidung einzelner gegen die Wertermittlung erhobenen Einwände in der Sache durch die Behörde anlässlich des gegen den Bodenordnungsplan erhobenen Widerspruchs das Gericht nicht bindet (().


() Der Kläger könnte nicht mit Erfolg einwenden, die Feststellung der Wertermittlung fremder Grundstücke wirke nicht gegen den Kläger. Denn im Bodenordnungsverfahren haben die Teilnehmer einen Rechtsanspruch auf Abfindung in bestimmter Lage nicht. Ist somit jede Fläche im Verfahrensgebiet für jeden eine mögliche Abfindungsfläche, so betrifft de Feststellung der Wertermittlungsergebnisse nicht nur die Grundstücke des jeweiligen Teilnehmers, sondern alle Grundstücke im Verfahrensgebiet (Seehusen/Schwede, a.a.O., § 32 Rdnr. 10).


() Es besteht auch kein Anlass, die erst im Anhörungstermin am 17. November 2000 mit dem Widerspruch gegen den Bodenordnungsplan vorgebrachten Einwände gegen die Wertermittlungsergebnisse trotz Versäumung der Widerspruchsfrist nach § 134 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FlurbG zuzulassen.


(1) Der Kläger ist nicht ohne eigenes Verschulden i. S. d. § 134 Abs. 2 Satz 2 FlurbG an der Einhaltung der Widerspruchsfrist gegen die Feststellung der Wertermittlungsergebnisse vom 24. September 1998 gehindert gewesen. Der Kläger kann nicht einwenden, er habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen können, dass ihm mit dem Bodenordnungsplan nunmehr die Flächen zugewiesen werden, deren Wertermittlungsergebnisse er nunmehr angreife. Zwar kann einem Teilnehmer in einem Bodenordnungsverfahren eigenes Verschulden nicht bereits zugerechnet werden, wenn er von einer Nachprüfung der festgestellten Werte für sämtliche Grundstücke im Verfahrensgebiet absieht und sich auf die Wertermittlungsergebnisse der von ihm eingebrachten Grundstücke beschränkt. Indes kommt die Nachsichtgewährung hier nicht in Betracht, weil der Kläger nach Lage der Dinge mit der Zuteilung der Flächen, deren Wertgleichheit er nach Ablauf der Frist in Zweifel ziehen will, rechnen musste (vgl. Seehusen/Schwede, a. a. O., Rdnr. 11). Denn noch während der Widerspruchsfrist sind die Teilnehmer mit Beschluss vom 15. September 1998 mit Wirkung zum 01. Oktober 1998 auf der Grundlage des § 61a Abs. 1 LwAnpG vorläufig in den Besitz der neuen Grundstücke eingewiesen worden. Die neue Feldeinteilung ist den Teilnehmern am 28., 29. und 30. September 1998 erläutert worden. Jedenfalls seit diesem Zeitpunkt und somit noch innerhalb der Widerspruchsfrist hätte der Kläger prüfen können und müssen, ob der Wert der ihm zugedachten neuen Flächen ordnungsgemäß bemessen worden ist. Wenn er die Frist für die Erhebung des Widerspruchs gleichwohl verstreichen lässt, ohne Einwendungen gegen die Wertermittlung geltend zu machen, so ist die Gewährung von Nachsicht gemäß § 134 Abs. 2 Satz 2 FlurbG ausgeschlossen.


(2) Die verschuldet nicht rechtzeitig vorgebrachten Einwände gegen die Wertermittlungsergebnisse können auch nicht gemäß § 134 Abs. 2 Satz 1 FlurbG zugelassen werden. Das der Behörde mit der Regelung eingeräumte Ermessen für die nachträgliche Zulassung von Einwänden ist mit dem Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens abzuwägen (BverwGE 21, 93 <95>). Deshalb kommt die Nachsichtgewährung nicht mehr in Betracht, wenn der Teilnehmer – wie hier – seine Einwände erst nach mehr als zwei Jahren seit Ablauf der Widerspruchsfrist gegen das Wertermittlungsergebnisses erhebt (Seehusen/Schwede, FlurbG, 7. Auflage 1997, § 134 Rdnr. 7; BVerwG, a. a. O.).


() Der Kläger könnte auch nicht geltend machen, das Flurbereinigungsgericht dürfe nicht mehr nachprüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Nachsichtgewährung vorliegen, wenn die Widerspruchsbehörde einzelne, gegen die Wertermittlung zielende Einwendungen, die der Kläger mit dem Widerspruch gegen den Bodenordnungsplan geltend gemacht hat, in der Sache bescheidet. Denn das Flurbereinigungsgericht hat im Klageverfahren auch dann in eigener Zuständigkeit zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Nachsichtgewährung nach § 134 Abs. 2 FlurbG vorliegen, wenn die Behörde mit dem vorangegangenen Widerspruchsbescheid der Sache nach die verspätete Einwendung zugelassen hatte (BVerwG, Beschl. v. 29.11.1978, RzF 134 II 63 <64>). Eine nachträgliche Zulassung verspäteter Erklärungen durch die Behörde bindet das Gericht nicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.11.1978, RzF 134 II 63 <64>; BVerwG, Beschl. v. 29.06.1971, RzF 134 II 43 <44>; BayVGH, Urt. v. 21.01.1982, RzF 71 <72>; BayVGH, Urt. v. 22.01.1970, RzF 134 II 29; BayVGH, Urt. v. 07.02.1969, RzF 134 II 21; BVerwG, Urt. v. 07.05.1965, BVerwGE 21, 93 <97>; a. A. wohl noch: BVerwG, Urt. v. 08.11.1973, BayVBl. 1975, 49 <51>).