Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 23.07.2019 - 9 B 27.18 (Lieferung 2020)

Aktenzeichen 9 B 27.18 Entscheidung Beschluss Datum 23.07.2019
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen Lieferung 2020

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Zugunsten eines Vorhabens kann unter Umständen die Einleitung mehrerer getrennter Unternehmensflurbereinigungsverfahren gerechtfertigt sein. (Amtlicher Leitsatz)

Aus den Gründen

Entgegen der Auffassung des Klägers ist dieses Ermessen nicht dahin eingeschränkt, dass für ein und dasselbe Vorhaben, also das "Unternehmen" im Sinne des § 87 Abs. l FlurbG, stets nur ein einziges FIurbereinigungsverfahren eingeleitet werden dürfte. Für eine solche einengende Auslegung der Norm sind keine überzeugenden Gründe ersichtlich. Zwar mag grundsätzlich die Durchführung eines Flurbereinigungsverfahrens für ein Unternehmen den im Gesetz genannten Verfahrenszwecken am ehesten entsprechen. Doch kann es im Einzelfall gerechtfertigt oder sogar geboten sein, für ein Unternehmen mehrere separate FIurbereinigungsverfahren einzuleiten, etwa weil sich die potentiellen Flurbereinigungsgebiete strukturell stark voneinander unterscheiden oder um - bei besonders großen Unternehmen - die Flächengröße und Teilnehmerzahl in einem so überschaubaren Rahmen zu halten, dass eine zügige Verfahrensabwicklung noch möglich erscheint. Auch sind - umgekehrt - Fälle denkbar, in denen für zwei aneinander angrenzende Abschnitte eines Vorhabens bzw. Unternehmens sinnvollerweise nur eine Unternehmensflurbereinigung einzuleiten ist. Planfeststellungsgebiet und Flurbereinigungsgebiet müssen mit anderen Worten nicht zwingend deckungsgleich sein, Das Oberverwaltungsgericht weist insoweit zutreffend daraufhin, dass sich die Anordnung des Unternehmensflurbereinigungsverfahrens und die Abgrenzung des Verfahrensgebietes nach anderen Regeln richtet als die Abschnittsbildung im straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren.


Der Kläger kann sich für seine gegenteilige Auffassung weder auf den Wortlaut des § 87 FlurbG noch auf den des § 88 Nr. 4 FlurbG berufen:


Zwar verwendet § 87 FlurbG durchgängig den Singular ("ein Flurbereinigungsverfahren", "das Flurbereinigungsverfahren"). Dies ist aber nicht dahin zu verstehen, dass für ein Unternehmen nicht - wie hier geschehen - zwei Unternehmensflurbereinigungen eingeleitet werden dürfen, wenn hierfür überzeugende sachliche Gründe bestehen. Vielmehr hat der verwendete Singular erkennbar redaktionelle Gründe. So ist in § 87 Abs. l Satz l FlurbG auch nur von einer Enteignung die Rede ("ist aus besonderem Anlass eine Enteignung zulässig"), obwohl es bei einer Unternehmensflurbereinigung regelmäßig um einen größeren Kreis von Enteignungsbetroffenen geht. Nach § 88 Nr. 4 FIurbG sind "die für das Unternehmen benötigten Flächen (...) von den Teilnehmern nach dem Verhältnis des Wertes ihrer alten Grundstücke zu dem Wert aller Grundstücke des Flurbereinigungsgebietes aufzubringen". Auch diese Vorschrift ist nicht dahin zu verstehen, dass alle benötigten Flächen zwingend in einem einheitlichen Verfahren mit einem identischen Verfahrensgebiet aufzubringen sind. Aus den vorgenannten Gründen, insbesondere zur Gewährleistung eines zügigen Verfahrens, kann es vielmehr sinnvoll sein, im Einwirkungsbereich eines besonders großen Unternehmens mehrere Unternehmensflurbereinigungen einzuleiten; für diese gilt die Vorschrift des § 88 Nr. 4 FlurbG dann jeweils bezogen auf das festgelegte Flurbereinigungsgebiet.

Anmerkung


vorgehend Urteil des Flurbereinigungsgerichts Lüneburg vom 17.04.2018 Az. 15 KF 12/16 = RzF - 66 - zu § 87 Abs. 1 FlurbG