Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 05.12.1985 - 13 A 83 A. 2585 = RdL 1986 S. 100= BayVBl. 1986 S. 309
Aktenzeichen | 13 A 83 A. 2585 | Entscheidung | Urteil | Datum | 05.12.1985 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht München | Veröffentlichungen | = RdL 1986 S. 100 = BayVBl. 1986 S. 309 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Das Flurbereinigungsgericht hat - auch - in Flurbereinigungsverfahren unter Anwendung der § 87 ff. FlurbG darüber zu befinden, ob die Abfindung der Einlage wertgleich ist (§ 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG). Bei einem unternehmensbedingten Abfindungsdefizit, das durch eine Planänderung nicht behoben werden kann, ist die Sache an die Widerspruchsbehörde zurückzuverweisen, damit die fehlende Enteignungsentschädigung festgesetzt wird. |
2. | Planfeststellungskonforme Nachteile des Unternehmens sind nicht behebbar i. S. d. § 88 Nr. 5 FlurbG. |
Aus den Gründen
Die zulässige Klage ist im wesentlichen begründet. Die für die Kläger ausgewiesene Abfindung ist nicht wertgleich (§ 44 FlurbG). Die Wertgleichheit wird auch durch die Planänderung dieses Urteils nicht im vollen Umfang hergestellt. Es verbleibt ein nicht behebbarer, unternehmensbedingter Nachteil, für den eine Geldentschädigung nach § 88 Nr. 6 FlurbG festzusetzen ist; insoweit ist die Sache nach § 144 Satz 1, zweite Alternative FlurbG zurückzuverweisen.
Dabei ist von folgendem auszugehen: Auch ein Verfahren, das aus besonderem Anlaß im Sinne des § 87 Abs. 1 FlurbG eingeleitet und durchgeführt wird (sog. Unternehmensflurbereinigung), ist ein Flurbereinigungsverfahren, auf das grundsätzlich alle Vorschriften der Regelflurbereinigung Anwendung finden, soweit ihre Anwendung nicht durch die Sondervorschriften der § 87 ff. FlurbG eingeschränkt oder gänzlich verdrängt wird (Quadflieg, Recht der Flurbereinigung, RdNr. 31 zu § 87).
Die Planungsgrundsätze des § 44 FlurbG sind dabei nur mit der Einschränkung anwendbar, daß für nicht - mehr - behebbare, unternehmensbedingte Wertminderungen (§ 88 Nr. 3, 4 und 5 FlurbG) Geldentschädigungen und Leistungen zu erbringen sind (§ 88 Nr. 6 FlurbG). Andererseits geben jedoch die Planungsgrundsätze des § 44 FlurbG den Prüfungsrahmen dafür ab, ob noch Wertminderungen im vorbeschriebenen Sinn verblieben sind. Diese Auffassung schöpft aus der Erkenntnis, daß eine Abfindung, die dem § 44 FlurbG entspricht, die also insbesondere wertgleich im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG ist, in vollem Umfang das Eigentumsrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG wahrt mit der Folge, daß in solchen Fällen trotz Unternehmensflurbereinigung von einer Enteignung nicht gesprochen werden kann (vgl. auch BVerwG vom 30.07.1980; RdL 1981, 93).
Es ist Sache der Flurbereinigungsbehörde, im Flurbereinigungsplan auch eine Aussage darüber zu treffen, ob Teilnehmer an der Unternehmensflurbereinigung unter voller Wahrung ihrer Eigentumsrechte - also wertgleich im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG - abgefunden worden sind oder ob diese aus unternehmensbedingten Gründen enteignet und wie sie dafür zu entschädigen sind (BVerfGE 58, 300 = NJW 1982, 745 = DVBl. 1982, 340). Darauf hat sich auch die Überprüfung im flurbereinigungsgerichtlichen Verfahren zu erstrecken. Denn die Frage, ob eine Enteignung vorliegt, kann ausschließlich im Verwaltungsrechtsweg abschließend beantwortet werden; in die Zuständigkeit der Zivilgerichte hingegen fällt nur der Streit über die Höhe der Geldentschädigung (Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG; § 88 Nr. 7 FlurbG; BVerfG a.a.O.), nicht aber auch die Vorfrage, ob überhaupt eine Enteignung vorliegt, ob also die Landabfindung wertgleich ist oder nicht. Diese Abgrenzung kann seit der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.07.1981 (a.a.O.) nicht mehr in Frage stehen.
Die für die Kläger im Flurbereinigungsplan vorgesehene Abfindung ist - unternehmensbedingt - nicht wertgleich. Die Wertungleichheit ergibt sich zwar nicht aus einem Landabzug nach § 88 Nr. 4 FlurbG zugunsten des Unternehmensträgers, da ein solcher zu Lasten des klägerischen Besitzstandes nicht vorgenommen worden ist; Einlage- und Forderungswerte decken sich (je 0,3930 ha und 12 105 WVZ). Auch die rein rechnerische Abgleichung läßt eine Wertungleichheit, einen Enteignungstatbestand, nicht erkennen. Der Flurbereinigungsplan weist für die Kläger wieder eine Abfindung im Wert von 12 105 WVZ (0,3930 ha) aus. Der Abfindung lasten jedoch folgende unternehmensbedingte Nachteile an: Während der gesamte Einlagebesitz aus einer zusammenhängenden Fläche im nördlichen Anschluß an das Anwesen der Kläger bestanden hat, die nach Norden hin konisch zugelaufen ist, erhalten die Kläger im Flurbereinigungsplan zwei Abfindungsbereiche (Flurstück 506 einerseits und Flurstücke 516/1 mit 516 andererseits), zwischen denen das neue Bett der K. verläuft, wobei das Flurstück 506 nicht mehr unmittelbar vom Anwesen aus, sondern nur auf dem Umweg über die K.-Brücke und den neuen Weg Flurstück 511 entlang des nördlichen neuen K.-Ufers zu erreichen ist, und das Flurstück 516/1, das als Hammergrundstück ausgebildet ist. Hinzu kommen die gegenüber früher erschwerten Zufahrtsverhältnisse zur Scheune (Maschinenhalle) der Kläger im südöstlichen Bereich des Flurstücks 516/1 sowie zu ihrem Anwesen von Norden her durch die mit der K.-Verlegung erfolgte Dammschüttung (Hochwasserdeich) zwischen der K. und der Scheune mit Anwesen. Diese durch die Verlegung der K. mit Dammschüttung verursachten Nachteile berühren die Wertgleichheit der klägerischen Abfindung (§ 44 Abs. 2 und Abs. 4 FlurbG); sie stellen eine Enteignung im Sinne des Art. 14 GG dar.
Das Flurbereinigungsgericht hat bei der ihm obliegenden umfassenden Plankontrolle (§ 146 Abs. 2 FlurbG) auch zu prüfen, ob solche, die Wertgleichheit der Abfindung beeinträchtigende, unternehmensbedingte Nachteile entsprechend dem Zweck des § 87 Abs. 1 FlurbG durch eine Plankorrektur (§ 144 FlurbG) gänzlich oder wenigstens teilweise - soweit möglich - behoben werden können. Das ist hier - wie der gerichtliche Augenschein durch das sachkundig besetzte Gericht ergeben hat - im letztgenannten Sinn möglich und geboten. Unter Abwägung der betriebswirtschaftlichen Verhältnisse der Teilnehmer kann durch die mit diesem Urteil verfügte Planänderung der die Kläger treffende Durchschneidungsschaden ausgeräumt werden. Die Kläger erhalten - entsprechend ihrem zuletzt gestellten Klageantrag - unter Aufgabe des Flurstücks 506 nun in der Form des neu gebildeten Flurstücks 516/1 im Wert von 9 900 WVZ (0,3300 ha) zusammen mit dem von der Planänderung nicht berührten Flurstück 516 (0,0630 ha und 2 205 WVZ) eine zusammenhängende Fläche südlich der verlegten K. - Nicht behebbar sind hingegen die Nachteile der größeren Unform der Abfindung (im Vergleich zur Einlage) und der Zufahrtserschwernisse zur Scheune und zum Anwesen durch die Dammaufschüttung; insoweit ist nach wie vor eine Enteignung gegeben, für die Entschädigung zu leisten ist (§ 88 Nr. 4 FlurbG; BGH v. 22.09.1983; AgrarR 1984, 322).
Eine Verschiebung der Längsgrenze des Einlageflurstücks 513/5 südlich der neuen K. nach Osten oder Westen im Umfang der klägerischen Forderung ist aufgrund der vorhandenen Bebauung (zum beigeladenen F. hin) und der zu berücksichtigenden Interessen des Besitzstandes S. (nach Westen hin) nicht möglich. Die Kläger haben ihr Klageziel in dieser Richtung auch nicht mehr weiterverfolgt, wie ihr Klageantrag in der mündlichen Verhandlung verdeutlicht.
Hinsichtlich der Unform der Abfindung ist folgendes von rechtlichem Belang: Nach den Feststellungen des Gerichts sind die auf die Bewirtschaftung und damit auf den Ertrag, die Benutzung und die Verwertung nachteiligen Umständen unwirtschaftlich geformter Grundstücke bei der Abfindung unternehmensbedingt größer geworden. Der betriebswirtschaftliche Nachteil eines ungünstig geformten Grundstücks wird bestimmt durch die formabhängigen Bewirtschaftungskosten, die grundsätzlich durch folgende Faktoren bedingt sind: größte Feldbreite, Länge der Vorgewende, Zahl der Vorgewende und Länge der Grenzen. Jeder dieser Faktoren zeigt bei der Einlage günstigere Werte als bei der Abfindung.
Es steigen an
die Summe der größten Feldbreiten um 30 m,
die Summe der Vorgewendelängen um 75 m,
die Summe der Grenzlängen um 15 m und
die Zahl der Vorgewende um 2.
Damit verbleibt bei der Abfindung der Kläger im Vergleich mit deren Einlage ein formbedingter Nachteil (§ 44 Abs. 2 FlurbG).
Die in Ausführung der Bescheide des Landratsamtes A. vom 12.04.1977 und vom 10.06.1981 geschaffene Dammaufschüttung (Hochwasserdeich) erschwert die Zufahrt zur Scheune und die rückwärtige Erschließung des Anwesens der Kläger. Davon hat sich das Gericht beim Augenschein überzeugt. Durch die Aufschüttung haben sich die Neigungsverhältnisse der Zufahrt so verändert, daß die Nutzung der Scheune nicht mehr - wie vordem - zu jeder Zeit und mit allen in Betracht kommenden Fahrzeugen möglich ist. Auch dieser Nachteil ist im Lichte des § 44 Abs. 2 FlurbG bedeutsam.
Anhaltspunkte für Vorteile, die geeignet wären, die festgestellten unternehmensbedingten Nachteile auszugleichen, haben sich nicht aufgedrängt.
Solche unternehmensbedingte, wertmindernde und nicht mehr behebbare Nachteile der Abfindung sind zu Lasten des Unternehmensträgers in Geld auszugleichen (§ 88 Nr. 6 FlurbG). Nachdem auch die Festsetzungen der Geldentschädigungen Bestandteile des die Ergebnisse des Verfahrens zusammenfassenden Flurbereinigungsplanes sind (Quadflieg, a.a.O., RdNr. 110 zu § 88) und die Beklagte in Übereinstimmung mit der Flurbereinigungsdirektion W., der die Festsetzungen nach § 88 Nr. 6 FlurbG obliegen (Art. 2 Abs. 2 AGFlurbG), zu Unrecht davon ausgegangen ist, die Abfindung der Kläger sei mit der Einlage wertgleich, ist die Sache insoweit, als es noch um die Entscheidung nach § 88 Nr. 6 FlurbG geht, an den Spruchausschuß der Flurbereinigungsdirektion W. zurückzuverweisen (§ 144 Satz 1, zweite Alternative FlurbG). Dieser hat durch die Festsetzung der Geldentschädigung (§ 88 Nr. 6) einen rechtmäßigen Planstand herzustellen.
Dem Flurbereinigungsgericht steht im Hinblick auf Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG eine eigene Entscheidungsbefugnis über die Höhe der Geldentschädigung (§ 144 Satz 1, erste Alternative FlurbG) nicht zu.