Flurbereinigungsgericht Lüneburg, Urteil vom 22.10.1997 - 15 K 7927/95

Aktenzeichen 15 K 7927/95 Entscheidung Urteil Datum 22.10.1997
Gericht Flurbereinigungsgericht Lüneburg Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Eine die Zustandshaftung konkretisierende Anordnung zur Ersatzpflanzung ist grundstücksbezogen. Die Verpflichtung zur Ersatzpflanzung trifft auch den Rechtsnachfolger.
2. Bei der Anordnung der Ersatzpflanzung ist das Übermaßverbot zu beachten.

Aus den Gründen

Werden von den Beteiligten Eingriffe ohne die nach § 34 Abs. 1 Nr. 3 FlurbG erforderliche (vorherige) Zustimmung vorgenommen, so muß die Flurbereinigungsbehörde Ersatzpflanzungen anordnen (§ 34 Abs. 3 FlurbG).

Die Verpflichtung zur Vornahme von Ersatzpflanzungen ist die Folge der ungenehmigten Beseitigungshandlung und nicht höchstpersönlicher Natur, sondern an die - übertragbare - Verfügungsgewalt über das Grundstück gebunden. Sie teilt als eine dieser Verfügungsgewalt zugeordnete Verpflichtung das Schicksal des Grundstücks und trifft somit denjenigen, der gegenwärtig als Eigentümer bzw. in einer dem Eigentümer vergleichbaren Stellung nach Abgabe einer Landverzichtserklärung nach § 52 FlurbG für den ordnungsgemäßen Zustand des Grundstücks einzustehen hat. Daher kommt es nicht darauf an, ob der Adressat der Wiederaufforstungsverfügung bzw. der Verfügung zur Vornahme von Ersatzpflanzungen nach § 34 FlurbG oder sein Rechtsvorgänger die Beseitigungshandlung vorgenommen hat. Eine die Zustandshaftung konkretisierende Ersatzpflanzungsverfügung ist "grundstücksbezogen" und diese "Dinglichkeit" schließt, ebenso wie die Wiederaufforstungsverfügung, worauf das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 22. Januar 1971 (BVerwG - 4 C 62.66 -, DÖV 1971, S. 640 ff.) für den Fall der Gesamtrechtsnachfolge abgestellt hat, den höchstpersönlichen Charakter derartiger Verpflichtungen aus. Damit wird zwar nicht das Grundstück selbst ordnungspflichtig, es haftet aber weiterhin die Person (Eigentümer oder sonstiger Verfügungsberechtigter) für den ordnungsgemäßen Zustand. Da diese Haftung ihren Grund in der besonderen Verantwortlichkeit der Person für die Sache findet, ist die Pflichtigkeit abhängig von dieser persönlichen Beziehung und geht bei der Gesamt- wie auch bei der Einzelrechtsnachfolge auf den neuen Rechtsträger über, unabhängig davon, ob er den ordnungswidrigen Zustand verursacht hat.

Die Feststellungen des Beklagten über den vom Kläger und seiner Rechtsvorgängerin beseitigten Baum- und Sträucherbestand sowie die Größe der zu schützenden Fläche tragen die von ihm in dem angefochtenen Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides angeordneten (Ersatz)Pflanzungen von 795 Pflanzen in drei Reihen in einem Abstand von jeweils 1 m bestehend in etwa zu gleichen Teilen aus den Arten Weißdorn, Hasel, Faulbaum, Eberesche, Hundsrose und Schlehe auf einer Fläche von 3.000 qm nicht. Aus den Feststellungen des Beklagten und dem Vorbringen der Beteiligten im Verwaltungsverfahren sowie im gerichtlichen Verfahren ergibt sich in keiner Weise, daß derartige Pflanzen auf dem streitigen Grundstück in dem angeordneten Umfang vorhanden gewesen sind. Der Zeuge T. hat bekundet, daß die mit Bäumen und Sträuchern bestandene Fläche maximal 1.000 qm groß war und es sich um abgängige Obstbäume und einen zum Teil abgestorbenen Baumbestand handelte. Zwar verkennt der Senat nicht, daß in Fällen der vorliegenden Art die Feststellungen des Beklagten über den Zustand eines beseitigten alten Baum- und Strauchbestandes nach dessen Durchführung sich schwierig gestalten und dafür durch (Ersatz-)Neupflanzungen schlechterdings kein Ersatz geschaffen werden kann. Wie für das gesamte hoheitliche Verwaltungshandeln gilt jedoch auch für Anordnungen der vorliegenden Art nach § 34 FlurbG das rechtsstaatliche Übermaßverbot (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Dieses verlangt, daß das eingesetzte Mittel zur Zweckerreichung geeignet und erforderlich (notwendig) ist sowie Mittel und Zweck in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Das bedeutet, daß auch die angeordnete Ersatzpflanzung dem Umfang des beseitigten Baum- und Strauchbestandes jedenfalls in etwa entsprechen muß. Diesen Anforderungen wird die vom Kläger angefochtene Ersatzpflanzung von 795 im einzelnen bezeichneten Bäumen und Sträuchern nicht gerecht. Nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers und den Feststellungen des Beklagten handelte es sich bei dem streitigen Gelände um eine ehemalige Pachtstelle mit einem abgängigen alten Obstbaumbestand, vertrockneten Sträuchern und einigen Birken. Der Kläger hat weiter vorgetragen, wie der Zeuge T. bestätigt hat und wofür auch einiges nach Kenntnis des Senats spricht, daß das Gelände aufgrund des verwahrlosten Zustandes nach der Aufgabe der Pachtstelle von Dritten als wilde Müllkippe benutzt worden ist. Der Senat verkennt zwar nicht, daß auch einem solchen Grundstück ein ökologischer Wert zukommen kann. Dafür fehlt es aber an jeglichen Feststellungen durch den Beklagten. Die angeordneten Maßnahmen waren mithin zur (Wieder)Herstellung des ehemaligen Landschaftsbildes nicht notwendig und verstoßen gegen das Übermaßverbot (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit). Das schließt jedoch nicht aus, daß der Beklagte gegenüber dem Kläger eine erneute Verfügung zur Durchführung von Ersatzpflanzungen erläßt. Dabei sollte der Beklagte jedoch berücksichtigen, daß Ersatzpflanzungen an der im Widerspruchsbescheid durch die Bezirksregierung H. als Widerspruchsbehörde bezeichneten streitigen Stelle eine zweckmäßige und landwirtschaftlichen Bedürfnissen Rechnung tragende Bewirtschaftung des Flurstücks 19/1 in einem erheblichen Umfang erschweren, und mithin überprüfen, ob eine Ersatzpflanzung, wie im Verwaltungsverfahren unter den Beteiligten bereits erörtert, an anderer Stelle auf dem Grundstück den Zielen des Natur- und Landschaftsschutzes nicht in gleicher Weise entspricht.

Anmerkung

Siehe aber Flurbereinigungsgericht Münster, Urteil vom 19.04.1985 - 9 G 28/84, auszugsweise abgedruckt unter RzF - 21 - zu § 34 Abs. 1 FlurbG.