Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 28.10.1993 - 13 A 91.1156
Aktenzeichen | 13 A 91.1156 | Entscheidung | Urteil | Datum | 28.10.1993 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht München | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Ergeben sich aus dem Flurbereinigungsplan in Beachtung der Planungsgrundsätze des § 44 FlurbG keine Wertminderungen im Sinne des § 88 Nrn. 4 und 5 FlurbG und scheidet deshalb die Anwendung dieser Sondervorschriften mangels gegebenen Sachverhaltes aus, ist die Abfindung vielmehr gleichwertig im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Halbsatz 2 FlurbG, liegt - trotz Unternehmensflurbereinigung - eine Enteignung nicht vor. |
2. | Von einer Autobahn ausgehende Schadstoffemissionen des KFZ-Verkehrs stellen nach den vorliegenden Untersuchungen zur Schadstoffanreicherung und Abgasausbreitung an Straßen keinen nach § 44 Abs. 2, 4 FlurbG zu berücksichtigenden Umstand dar. |
3. | Die Teilabhilfe eines Widerspruchs mit dem die Wertgleichheit der Gesamtabfindung angefochten wurde, stellt keinen Teilerfolg im Sinne des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG dar. |
Aus den Gründen
Für ein auf § 87 FlurbG gegründetes Verfahren (Unternehmensflurbereinigung) gelten grundsätzlich alle Vorschriften der Regelflurbereinigung. Eingeschränkt oder verdrängt sind sie allerdings durch die Sondervorschriften der § 87 ff. FlurbG. Die für die Abfindung eines Teilnehmers maßgeblichen Planungsgrundsätze des § 44 FlurbG (insbesondere der Anspruch auf eine wertgleiche Landabfindung) werden insoweit eingeschränkt, als für nicht mehr behebbare, unternehmensbedingte Wertminderungen (§ 88 Nrn. 3, 4 und 5 FlurbG) Geldentschädigungen und Leistungen zu erbringen sind (§ 88 Nr. 6 FlurbG).
Nach der ständigen Rechtsprechung dieses Gerichts (vgl. Urteil vom 05.12.1985, RdL 1986, 100; Urteil vom 01.12.1988, BayVBl. 1989, 374 = RdL 1989, 237; Urteil vom 29.10.1990, BayVBl. 1991, 756 = RdL 1991, 68 = RzF - 89 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG) erstreckt sich die gerichtliche Prüfung bei Abfindungsstreitigkeiten in der Unternehmensflurbereinigung darauf, ob die Abfindung eines Teilnehmers den Planungsgrundsätzen des § 44 FlurbG entspricht oder ob - nicht behebbare - unternehmensbedingte Nachteile i. S. d. § 88 Nrn. 4 und 5 FlurbG den Anspruch auf eine wertgleiche Landabfindung i. S. d. § 44 Abs. 1 FlurbG mindern. Sind solche Nachteile gegeben, erstreckt sich die Prüfung darauf, ob sie im Flurbereinigungsplan - als enteignende Eingriffe - erfaßt und durch Entschädigungsfestsetzungen der Direktion für Ländliche Entwicklung (bisher: Flurbereinigungsdirektion) ausgeglichen sind. Nicht geprüft wird hingegen die Höhe dieser Entschädigung, da hierfür nur der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offensteht (§ 88 Nr. 7 FlurbG).
Ergeben sich aus dem Flurbereinigungsplan in Beachtung der Planungsgrundsätze des § 44 FlurbG keine Wertminderungen im Sinne des § 88 Nrn. 4 und 5 FlurbG und scheidet deshalb die Anwendung dieser Sondervorschriften mangels gegebenen Sachverhaltes aus, ist die Abfindung vielmehr wertgleich i. S. d. § 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Halbsatz 2 FlurbG, liegt - trotz Unternehmensflurbereinigung - eine Enteignung nicht vor. Denn eine Abfindung, die dem § 44 FlurbG entspricht, erfaßt alle unter enteignungsrechtlichen Gesichtspunkten bedeutsamen Qualitätsmerkmale und berücksichtigt in vollem Umfang das Eigentumsrecht nach Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes. Die der Anordnung der Unternehmensflurbereinigung anhaftende Fremdnützigkeit hat sich in solchen Fällen beim Planungsergebnis nicht aktualisiert (Kaiser, AgrarR 1989, 61/63). Die Landabfindung ist in diesem Fall - wie in der Regelflurbereinigung - Surrogat der alten Grundstücke. Die Regelung in § 68 Abs. 1 FlurbG gewährleistet damit als gesetzliche Inhaltsbestimmung des Eigentums das in § 14 Abs. 1 GG garantierte Eigentum.
Die Erkenntnis, daß Wertnachteile i. S. d. § 88 Nrn. 4 und 5 FlurbG verblieben sind, begründet dagegen die Wertungleichheit der Abfindung und erweist sich deshalb als enteignungsrechtlich relevant.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.03.1987 (BVerfGE 74, 264 ff.) führt zu keiner anderen Beurteilung: Die in der genannten Entscheidung getroffene Unterscheidung zwischen der enteignungsrechtlich relevanten Vorwirkung der Anordnung der Unternehmensflurbereinigung (Grundverwaltungsakt) und der Enteignung im Vollzug der Planungsentscheidung - Enteignung im engeren Sinne - begründet die vom Senat vertretene Auffassung, daß am Ergebnis der Planentscheidung (Flurbereinigungsplan) ablesbar ist, ob die der "Fremdnützigkeit" dienenden Enteignungsvorschriften in § 88 Nrn. 4 und 5 FlurbG überhaupt zur Anwendung kommen und damit eine Enteignung vorliegt. Denn findet ein Zugriff auf das Eigentum im Fremdinteresse (§ 88 Nrn. 4 und 5 FlurbG) nicht statt, erweist sich die nach den allgemeinen Planungsgrundsätzen (§ 37 ff., § 44 ff. FlurbG) gestaltete Abfindung des einzelnen Teilnehmers wie bei einer Regelflurbereinigung als eine im privatnützigen Interesse der Solidargemeinschaft und des einzelnen Teilnehmers liegende Neuordnung des Grundbesitzes.
Bezogen auf die klägerische Abfindung zeigt diese - auf Aktenunterlagen und Augenschein - beruhende Prüfung im einzelnen:
Die auf den bestandskräftig festgestellten Ergebnissen der Wertermittlung beruhende Gegenüberstellung von Einlage und Abfindung ergibt, daß in Beachtung aller gleichwertigkeitsbestimmenden Faktoren (§ 44 Abs. 2 und Abs. 4 FlurbG) als enteignungsrelevanter Nachteil der Landverlust nach § 88 Nr. 4 FlurbG von 1060 WVZ (entspricht 0,0301 ha) verblieben ist, der den Anspruch auf eine wertgleiche Abfindung i. S. d. § 44 Abs. 1 FlurbG mindert. Im Flurbereinigungsplan ist dieser Nachteil als enteignender Eingriff erfaßt. Die Festsetzungsbehörde hat hierfür eine Geldabfindung von 6 360 DM angewiesen. Weitere enteignende und deshalb ausgleichsbedürftige Nachteile liegen nach den Feststellungen des Gerichts nicht vor.
Die verbliebene Landabfindung von 5,9621 ha (= 211 871 WVZ) ist in Beachtung der Grundsätze des § 44 FlurbG ermessensgerecht gestaltet.
Der Klägerin sind - enteignungsrelevante - Nachteile aus Mißform bei Abfindungsflurstücken im Vergleich zur Einlage nicht verblieben. Wie die von der Teilnehmergemeinschaft vorgelegten und vom Gericht überprüften Berechnungen ergaben, haben sich die formbedingten Bewirtschaftungskosten der Abfindung gegenüber der Einlage nicht vergrößert. Die von der Klägerin gerügten schrägen Aufstöße entlang der Autobahn bei den Flurstücken 624/2 neu und 680 neu haben zwar ihre Ursache im Unternehmen, sie führen jedoch - bedingt durch die Abfindungsgestaltung - im Vergleich zur Einlagesituation zu keinem ausgleichsbedürftigen Nachteil.
Die von der Klägerin außerdem gerügte Nähe ihrer Abfindungsflurstücke 680 und 624/2 zur Autobahn stellt nach Auffassung des Gerichts keinen nach § 44 Abs. 2 und 4 FlurbG zu berücksichtigenden und damit nicht ausgleichsfähigen Wertumstand dar. Die von der Autobahn ausgehenden Schadstoffemissionen des KFZ-Verkehrs stellen nach den dem Gericht vorliegenden Untersuchungen zur Schadstoffanreicherung und Abgasausbreitung an Straßen (Agrar- und Umweltforschung in Baden-Württemberg, Band 19, Schadstoffbelastung von Böden durch Kraftfahrzeugverkehr, "Augustenberg-Gutachten"; Österreichisches Umweltbundesamt, Wien 1989: Kasperowski, Frank, Boden- und Vegetationsuntersuchungen im Bereich der Scheitelstrecke der Tauernautobahn; Forschung, Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 352, 1981, Umweltgerechte Straßenplanung, herausgegeben vom Bundesminister für Verkehr: Das Problem der Abgasausbreitung und Schadstoffanreicherung im Nahbereich von Straßen; Landwirtschaftliche Forschung, Heft 29, 1974, 150 ff.: Schmid, Rosopulo, Weigelt, Einfluß von Kraftfahrzeugabgasen auf den Blei- und Cadmiumgehalt von Grünfutter, Vieh und Exkrementen; Bericht der Bundesanstalt für Straßenwesen, März 1984: Esser, Zum Einfluß von Gehölz- und Lärmschutzwänden am Straßenrand auf die Abgasausbreitung; vgl. auch VGH Baden-Württemberg vom 05.04.1990, RdL 90, 241/243) jedenfalls in den Bereichen ab 10 m vom Fahrbahnrand keine ertrags- und verwertbarkeitsmindernde Belastung vom Boden und Aufwuchs dar. Nach den genannten Untersuchungen liegen für den hier in Frage kommenden Bereich ab 10 m vom Fahrbahnrand an Autobahnen Cadmium- und Zinkgehalt im Größenbereich der geogenen Grundbelastung (keine Anreicherung) sowohl im Boden wie im Aufwuchs. Der Bleigehalt des Bodens ist nur bis 25 m vom Fahrbahnrand um bis zu 2 mg/kg TM angereichert und liegt damit weit unter dem in der Klärschlammverordnung in der Fassung vom 04.03.1982 (BGBl. I S. 281) genannten Grenzwert von 100 mg/kg TM. Auch beim Aufwuchs wurde in diesem Bereich nur eine Anreicherung im Maximum bis 2 mg/kg TM festgestellt. Er liegt damit weit unter dem Grenzwert der Futtermittelverordnung in der Fassung vom 13.01.1991 (BGBl. I S. 56) von 40 mg/TM. Die sonstigen Schadstoffe - Zink, Polichlorierte Biphenyle, Thallium, Mineralöl, Auftausalze, Stickoxyde, Kohlenmonoxyd - waren nach diesen Untersuchungen weder in Böden noch in Pflanzen über geogen bedingte Werte hinaus nachweisbar.
Die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 28.03.1991 entspricht Art. 80 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG, § 147 Abs. 1 und 4 FlurbG, wonach bei einem erfolglos gebliebenem Widerspruch derjenige die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen hat, der den Widerspruch eingelegt hat. Die Teilabhilfe vom 03.10.1989 durch die Beklagte (Zuweisung des neuen Flurstücks 624/2 statt Flurstück 593 neu) stellt keinen Teilerfolg dar, der nach Art. 80 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG eine entsprechende Anwendung des § 155 Abs. 1 VwGO zuließe.
Bei der Anfechtung der Plangestaltung im Flurbereinigungsplan bleibt der Widerspruch (wie auch im Klageverfahren) auf die gesamte Abfindung des Beteiligten auch dann bezogen und damit in der Schwebe, wenn Änderungen zur Teilabhilfe führen; gleichgültig, ob nur wegen einzelner Grundstücke oder gegen die gesamte Abfindung der Rechtsbehelf eingelegt wurde. Denn der auf eine wertgleiche Abfindung gerichtete Anspruch des Beteiligten richtet sich nicht auf Einzelgrundstücke, sondern auf Zuteilung von Flächen, die dem Wert seiner gesamten Einlage entsprechen (BVerwG, Urteil vom 05.06.1961, RdL 1961, 240). Gegenstand des Widerspruchsverfahrens blieb auch nach der Änderung am 03.10.1989 die gesamte für die Klägerin ausgewiesene Abfindung, so daß es unerheblich ist, wenn Einzelbeanstandungen von Grundstücken sich im Laufe des Verfahrens teilweise erledigen.Anmerkung
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluß vom 25.08.1994 - 11 B 18.94 zurückgewiesen.