Flurbereinigungsgericht Lüneburg, Urteil vom 13.07.2020 - 15 KF 28/17 = LSK 2020, 18352 (Ls.)= NordÖR 2020, 488= Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen Justiz: http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=MWRE200002982&psml=bsndprod.psml&max=true (Lieferung 2021)

Aktenzeichen 15 KF 28/17 Entscheidung Urteil Datum 13.07.2020
Gericht Flurbereinigungsgericht Lüneburg Veröffentlichungen = LSK 2020, 18352 (Ls.) = NordÖR 2020, 488 = Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen Justiz: http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/?quelle=jlink&docid=MWRE200002982&psml=bsndprod.psml&max=true  Lieferung 2021

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Hinsichtlich der Bewertung etwaiger auf dem Einlageflurstück befindlicher Bodenschätze gilt nicht die Bestandskraft der gemäß § 32 FlurbG festgestellten Ergebnisse der Wertermittlung, da diese vom Bodenwert getrennt zu ermitteln sind und Anlass für eine gesonderte Abfindung wesentlicher Bestandteile erst besteht, wenn das betreffende Grundstück dem Eigentümer nicht alt wie neu wieder zugeteilt werden soll, was im Zeitpunkt der Feststellung der Wertermittlungsergebnisse noch nicht feststeht. (Redaktioneller Leitsatz)
2. Zu den wesentlichen Grundstücksbestandteilen, deren Werte gemäß § 28 Abs. 2 FlurbG gesondert zu ermitteln und gemäß § 50 Abs. 4 FlurbG gesondert abzufinden sind, werden auch abbaubare Bodenschätze gezählt (wie etwa Lehm, Kies, Gesteine, Sand oder Torf). Als Bodenschatz kann grundsätzlich auch ein abbaubares Kleivorkommen auf dem Grundstück gelten. (Amtlicher Leitsatz)
3. Die gesonderte Bewertung von Bodenbestandteilen setzt nach der Senatsrechtsprechung voraus, dass der Bodenbestandteil als wesentlicher Bestandteil i. S. v. § 28 Abs. 2 FlurbG in rechtlich zulässiger Weise hätte abgebaut werden dürfen, d. h. der Abbau muss genehmigungsfähig und wirtschaftlich sinnvoll sein. (Amtlicher Leitsatz)
4. Zur Abgrenzung eines Kleivorkommens auf dem Einlageflurstück als gesondert abzufindender abbaubarer Bodenschatz oder als nicht gesondert zu bewertender Teil der Grundstückssubstanz. (Amtlicher Leitsatz)
5. Eine gesonderte Bewertung eines Grundstücks mit wesentlichen Bodenbestandteilen ist dann nicht geboten, wenn - wie hier - das dafür zugeteilte Abfindungsgrundstück vergleichbare Bodenbestandteile aufweist. (Amtlicher Leitsatz)

Aus den Gründen

Allerdings gilt vorliegend die Besonderheit, dass die Kläger hinsichtlich der Bewertung etwaiger auf dem Einlageflurstück befindlicher Bodenschätze (zu denen auch ein abbaubares Kleivorkommen gehören kann) nicht auf die Bestandskraft der gemäß § 32 FlurbG festgestellten Ergebnisse der Wertermittlung durch Beschluss vom 10. Dezember 2001 verwiesen werden dürfen. Denn gemäß § 28 Abs. 2 FlurbG sind wesentliche Bestandteile eines Grundstücks, die nicht den landwirtschaftlichen Nutz- und Tauschwert betreffen, vom Bodenwert getrennt (= abgesondert) zu ermitteln. Dem hat der Wertermittlungsrahmen Rechnung getragen und enthält unter Nr. 9 unter der Überschrift "Kleibodenabbaurechte" die Regelung, dass bei einer zuteilungsbedingten Veränderung Kleibodenabbaurechte besonders bewertet werden, wobei hierfür die rechtliche Zulässigkeit der Maßnahme maßgebend sein soll. Anlass für eine gesonderte Abfindung wesentlicher Bestandteile besteht erst, wenn das betreffend Grundstück dem Eigentümer nicht alt wie neu wieder zugeteilt werden soll. Dies steht allerdings im Zeitpunkt der Feststellung der Wertermittlungsergebnisse noch nicht fest, sondern ist frühestens aus der vorläufigen Besitzeinweisung, abschließend erst aus dem Flurbereinigungsplan und der dort verbindlich festgelegten Zuteilung der Abfindungsgrundstücke ersichtlich.


Wesentliche Bestandteile eines Grundstücks gemäß § 28 Abs. 2 FlurbG, die seinen Wert dauerhaft beeinflussen, sind diejenigen nach §§ 93 - 96 BGB. Die Werte für wesentliche Bestandteile sind gesondert zu ermitteln und gesondert gemäß § 50 Abs. 4 FlurbG abzufinden. Sie geben - anders als der Bodenwert - keinen Anspruch auf Abfindung in Land (hierzu näher Mayr in Mayr/Wingerter, a. a. O., § 28 Rn. 30 f., 35). Eine besondere Ermittlung wesentlicher Bestandteile eines Grundstücks im Sinne des § 28 Abs. 2 FlurbG, also rechnerisch vom Bodenwert getrennt, wird - soweit erforderlich - insbesondere deswegen verlangt, weil die eingebrachten wesentlichen Bestandteile nach Maßgabe des § 50 Abs. 4 FlurbG gesondert abgefunden werden müssen. Gleich in welcher Form die gesonderte Abfindung erfolgen soll, ob in gleichartigen Bestandteilen (bei entsprechendem Vorkommen auf zugewiesenem Land), in Landzulagen oder hilfsweise in Geld, der Bemessung der gesonderten Abfindung muss immer eine besondere Wertermittlung vorausgehen. Insoweit kann hier keine andere Regel als die bei der Landabfindung maßgebende gelten, wonach bei deren Bemessung die nach §§ 27 bis § 33 FlurbG ermittelten Werte zugrunde zu legen sind (§ 44 Abs. 1 Satz 2 FlurbG), weil die Wertermittlung die rechnerische Grundlage für die wertgleiche Abfindung bildet, Abfindung und Wertermittlung in einem unlösbaren sachlichen Zusammenhang stehen. Da die Wertermittlung der Einlage die Grundlage für die Bemessung der Abfindung bildet, die Bemessung der Abfindung der Abfindungsgestaltung aber vorausgehen muss, und Mängel bei der Bemessung durch Gestaltungsausgleiche nicht behoben werden können, kann die Wertgleichheit der Gesamtabfindung der Kläger erst überprüft werden, wenn der vom Flurbereinigungsgericht bindend festgestellte Mangel beim Bemessungsvorgang behoben ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.9.1986 - 5 B 141.84 - juris Rn. 7; Mayr in Mayr/Wingerter, a. a. O., § 28 Rn. 31). Ob ein Bodenschatzvorkommen bereits Gegenstand des durchgeführten Bewertungsverfahrens war, ist einzelfallbezogen zu prüfen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4.9.2008 - 9 B 12/08 - juris Rn. 8 zu einem Gipsvorkommen; vorgehend: VGH BW, Urteil vom 9.10.2007 - 7 S 2498/03 - juris). Zu den wesentlichen Grundstücksbestandteilen werden auch abbaubare Bodenschätze gezählt (wie etwa Lehm, Kies, Gesteine, Sand oder Torf). Als Bodenschatz kann grundsätzlich auch ein abbaubares Kleivorkommen auf dem Grundstück gelten. Als "Klei" bezeichnet man entwässerten Schlick, ein extrem feines, marines Sediment, dessen Körnung bis in den tonigen Bereich reichen kann. Das Wort "Klei" stammt aus dem Mittelniederdeutschen und leitet sich von "kleben" ab, da Kleiboden dazu neigt, hartnäckig an den Schuhen zu haften. An der Küste ist der Ursprung des Kleibodens die Sedimentation von Schlickwatt oder Mischwatt. Teilweise fielen Wattflächen natürlich oder durch Eindeichung trocken, so dass sie heute im Inland als Marschböden vorliegen. Der Boden setzt sich aus höchstens 50 % Sand zusammen, die Bodenart ist demnach tonig bis schluffig (Quelle: wikipedia).


Allerdings setzt die gesonderte Bewertung von Bodenbestandteilen nach der Senatsrechtsprechung voraus, dass der Bodenbestandteil als wesentlicher Bestandteil i. S. v. § 28 Abs. 2 FlurbG in rechtlich zulässiger Weise hätte abgebaut werden dürfen, d. h. der Abbau muss genehmigungsfähig und wirtschaftlich sinnvoll sein (zum Torfabbau: OVG Lüneburg, Urteil vom 19.3.1987 - 15 OVG A 29/85 - RzF 37 zu § 28 <= RzF - 37 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG>; zu Sandvorkommen: Senatsurteil vom 9.9.1992 - 15 K 35/89 - RzF 5 zu § 28 II <= RzF - 5 - zu § 28 Abs. 2 FlurbG>; hierzu auch Mayr in Mayr/Wingerter, a. a. O., § 28 Rn. 31 m. w. N.). Denn soweit ein Grundstück einen über den landwirtschaftlichen Nutzwert hinausgehenden Wert wegen wesentlicher Bestandteile i. S. d. §§ 28 Abs. 2, § 50 Abs. 4 FlurbG hat, sind solche Werterhöhungen bei der Bewertung des Altbesitzes und der Bemessung der Abfindung dann nicht zu berücksichtigen, wenn es sich nicht schon im für die Wertgleichheit gemäß § 44 Abs. 1 Satz 3 und 4 FlurbG maßgeblichen Zeitpunkt um Land mit einem gesondert anzusetzenden Wert gehandelt hat.


In diesem Zusammenhang weist die Kommentarliteratur darauf hin, dass es sich nach der mittlerweile vorherrschenden Meinung im Zivilrecht bei diesen abbaubaren Bodenbestandteilen (sog. Grundeigentümerbodenschätze) um keine wesentlichen Bestandteile des Grundstücks handele; vielmehr machten sie dessen Substanz aus (Stresemann in Säcker/Rixeder in Münchner Kommentar zum BGB, § 94 Rn. 5; Palandt/Ellenberger, BGB, § 94 Rn. 3). Hierfür spreche auch die Zivilrechtsprechung (BGH, Urteil vom 1.7.1982 - III ZR 10/81 - NVwZ 1982, 644 = NuR 1984, 158), wonach ein Kiesvorkommen "der Grundstückssubstanz zuzurechnen ist" (so bereits Hoecht, AgrarR 1993, 268: kein wesentlicher Bestandteil). Für die Abfindung im Flurbereinigungsverfahren bedeutete dies, dass insoweit nicht § 28 Abs. 2 und § 50 Abs. 4 FlurbG einschlägig wären, sondern § 28 Abs. 1 FlurbG und dass eine (gesonderte) Erfassung des Wertes des Bodenschatzes nicht erforderlich wäre (vgl. Mayr in Mayr/Wingerter, a. a. O., § 28 Rn. 31).


Folgt man dieser Argumentation, spricht bereits vieles dafür, dass es sich bei dem Kleivorkommen auf dem Einlageflurstück I. nicht um einen wesentlichen und gesondert abzufindenden wesentlichen Bestandteil des Grundstücks in Form eines abbaubaren Bodenschatzes handelt, sondern (nur) um einen Teil der Grundstückssubstanz, der auf Grundstücken in dieser Lage üblich ist, insbesondere nachweislich auch auf dem 40.709 m² großen Abfindungsgrundstück Flurstück W. vorkommt (vgl. hierzu die Bohrsäulen für das Flurstück W. des ELN sowie den Vergleich der Ertragsmesszahlen). Insofern ist darauf hinzuweisen, dass Klei im Küstenbereich ein typischer Bodenbestandteil ist, der eine der Bodenschichten eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks ausmacht. Der Kleigehalt des Bodens ist auch relevant für den landwirtschaftlichen Nutzwert als Acker- oder Grünland und fließt daher üblicherweise in die Bewertung des Grünlandes und die Höhe der Wertverhältniszahlen für den Nutz- und Tauschwert ein. Dass dies auch hier geschehen ist, ergibt sich daraus, dass nach dem Wertermittlungsrahmen (Nr. 9) nur Kleibodenabbaurechte besonders bewertet wurden, wenn sie rechtlich zulässig sind. Eine Kleischicht im Boden wird demgegenüber bei der Bodenschätzung nicht eigens ausgewiesen, weil hier Grünland (Gr) nur aufgeteilt wird in die Bodenarten Sand, lehmiger bis stark lehmiger Sand, sandiger Lehm bis Lehm, schwerer Lehm bis Ton und Moor. Wie sich aus den vom Beklagten vorgelegten Ergebnissen der Bodenschätzung ergibt, wurden sowohl das Einlageflurstück I. als auch das dem Kläger zu 2. zugeteilte Abfindungsflurstück W. als Grünland (Gr) mit der Bodenart Ton und Grünlandzahlen zwischen 48 - 52 (Flurstück I.) bzw. 50 - 52 (Flurstück W.) bewertet. Nach dem Wertermittlungsrahmen sind diese Grünlandzahlen für die Bodenarten Ton- und Lehmböden vergeben, teilweise einschließlich lehmigem Sand.


Unabhängig davon handelt es sich aber bei dem Kleivorkommen auf dem Einlageflurstück I. auch nicht um einen wesentlichen Bodenbestandteil, den der Kläger zu 2. entsprechend der o. g. Senatsrechtsprechung im maßgeblichen Zeitpunkt der vorläufigen Besitzeinweisung in rechtlich zulässiger Weise abgebaut hätte bzw. der hätte abgebaut werden dürfen und der deshalb gesondert abzufinden wäre. Nach den Erkenntnissen im gerichtlichen Verfahren, insbesondere nach den von den Klägern selbst sowie vom Beklagten eingeholten Auskünften des Landkreises Leer (Schreiben vom 27.7.2014 zur Genehmigungsfähigkeit des Kleiabbaus auf u. a. dem Flurstück W.; E-Mail vom 10.2.2015), hatte der Kläger zu 2. am 1. Dezember 2009 eine für den Kleiabbau auf dem Einlageflurstück I. erforderliche Bodenabbaugenehmigung weder beantragt noch erhalten. Insofern ist darauf zu verweisen, dass gemäß § 8 NAGBNaturSchG Bodenschätze wie Kies, Sand, Mergel, Ton, Lehm, Moor oder Steine nur mit Genehmigung der Naturschutzbehörde abgebaut werden dürfen, wenn die abzubauende Fläche größer ist als 30 m². Für die angegebene Abbaufläche von 16.000 m² existiert jedoch keine entsprechende Genehmigung. Der Kläger zu 2. konnte auch nicht nachweisen, dass er für diese Grundstücksteilfläche oder für die übrige Fläche, auf der angeblich bereits ein Abbau durchgeführt worden sein soll, eine Abbaugenehmigung hätte erhalten können. Nach seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung hat er das Grundstück im Jahr 1998 erworben. Zu diesem Zeitpunkt sei auf einer Teilfläche des Grundstücks Ton für eine Ziegelei, aber kein Klei (etwa für den Deichbau) abgebaut worden. Er selbst habe keinen Klei abgebaut, sondern das Flurstück I. in seiner gesamten Fläche für die Beweidung genutzt. Für die Genehmigungsfähigkeit des Abbaus eines Kleivorkommens auf dem Flurstück I. fehlen folglich hinreichende Anhaltspunkte.


Unabhängig davon und die Entscheidung selbstständig tragend ist eine gesonderte Bewertung eines Grundstücks mit wesentlichen Bodenbestandteilen auch dann nicht geboten, wenn - wie hier - das dafür zugeteilte Abfindungsgrundstück vergleichbare Bodenbestandteile aufweist. Nach den Ermittlungen des Beklagten ist auf dem 40.709 m² großen Abfindungsflurstück W. nachweislich eine Kleischicht in der Konsistenz als steif bezeichneter Klei bis 1,10 m unter der Geländeoberkante vorhanden (vgl. die Bohrsäulen des ELN). Würde man die Angaben des Klägers zu 2. im Widerspruchsverfahren zugrunde legen, wo er vorgetragen hat, er habe auf dem Flurstück I. Klei bis in eine Tiefe von 1 - 1,2 m abgebaut, bliebe sein Vortrag einer unterschiedlichen Mächtigkeit und Qualität des Klei auf Einlage- und Abfindungsgrundstück dennoch eine unbelegte und nicht nachvollziehbare Behauptung. Dies gilt umso mehr, als der Kläger zu 2. in der mündlichen Verhandlung nicht mehr daran festgehalten hat, dass er in der Vergangenheit auf dem Grundstück Klei abgebaut habe, und jegliche Nachweise zur Mächtigkeit und Qualität des Kleivorkommens auf dem Flurstück I. fehlen. Auch dem von ihm vorgelegten Gutachten sind hierzu keine Angaben zu entnehmen. Seine Behauptung, der Klei auf dem Abfindungsflurstück sei ein schluffiger, zum Deichbau nicht geeigneter Klei, steht im Widerspruch zu den Bohrproben des ELN, die eine Kleischicht in der Konsistenz eines als steif bezeichneten Klei bis 1,10 m unter der Geländeoberkante belegen. Fehlen damit aber hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Kleischicht auf dem Einlageflurstück überhaupt wesentlich mächtiger oder qualitativ besser war als auf dem Einlageflurstück, ist von vergleichbaren Bodenbestandteilen auf Einlage- und Abfindungsflurstück auszugehen, und es hätte selbst bei einer angenommenen Abbaueignung keiner gesonderten Wertermittlung bedurft. Der Senat schließt sich damit der Rechtsprechung an, wonach es dann, wenn für Grundstücke mit Bodenbestandteilen ein Grundstück mit gleichwertigen Bodenbestandteilen zugeteilt wird, keiner gesonderten Abfindung nach § 50 Abs. 4 FlurbG bedarf (entsprechend zu einem vorhandenen Sandvorkommen OVG RP, Urteil vom 25.5.2005 - 9 Ca 12017/04 - juris Rn. 26 ff., 29).