Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 21.03.2019 - 13 A 18.987 (Lieferung 2021)
Aktenzeichen | 13 A 18.987 | Entscheidung | Urteil | Datum | 21.03.2019 |
---|---|---|---|---|---|
Gericht | Flurbereinigungsgericht München | Veröffentlichungen | Lieferung | 2021 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Hat sich der Kläger in einem zivilgerichtlichen Prozessvergleich mit der Beigeladenen zur Rücknahme seines Widerspruchs gegen den Flurbereinigungsplan verpflichtet, ist auf Einrede der Beklagten oder der Beigeladenen eine gleichwohl erhobene Klage als unzulässig abzuweisen. (Amtlicher Leitsatz) (Rn 17 - 20) |
2. | Einwendungen gegen einen Prozessvergleich können nur vor dem Gericht geltend gemacht werden, vor dem der Vergleich geschlossen wurde. (Amtlicher Leitsatz) (Rn 21) |
Aus den Gründen
16 Die Klage gegen den Flurbereinigungsplan hinsichtlich der Grenze zwischen den Abfindungsflurstücken 4221 und 4222 bleibt ohne Erfolg. Sie ist bereits unzulässig, da sich sowohl die Beklagte als auch die Beigeladene auf die Einrede des Verstoßes der Klage gegen den Grundsatz von Treu und Glauben hinsichtlich des Rechtsmittelrücknahmeversprechens in dem am 9. Mai 2014 in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Bamberg mit der Beigeladenen geschlossenen Prozessvergleich berufen haben. Dahingestellt bleiben kann dabei, ob der Kläger wie von der Beigeladenen vorgetragen seinen Widerspruch bereits am 9. Mai 2014 zur Niederschrift des Amtsgerichts Bamberg zurückgenommen hat.
17 Im Hinblick auf den vom Kläger im Verfahren 101 C 635/14 vor dem Amtsgericht Bamberg am 9. Mai 2014 geschlossenen Vergleich und dem darin in Nr. 2 enthaltenen Verzicht auf Rechtsmittel gegen den Bescheid des ALE vom 8. Mai 2014 zur Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung bezüglich des Abfindungsflurstücks Nr. 4221 im Flurbereinigungsverfahren B. sowie der in Nummer 3 erklärten Zurücknahme des Widerspruchs vom 20. März 2012 gegen den Flurbereinigungsplan B., soweit er die Zuteilung und Grenzen des Abfindungsflurstücks Nr. 4221 betrifft, ist die Klage unzulässig.
18 Insoweit ist in der Kommentarliteratur anerkannt, dass sich der Kläger auch im Verwaltungsprozess wirksam zur Klagerücknahme verpflichten kann (vgl. Clausing in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand 34. EL Mai 2018, § 92 Rn. 9). Dies kann in einem außergerichtlichen Vergleich oder durch sonstige Vereinbarung geschehen, die nicht notwendig zwischen den Hauptbeteiligten des Verfahrens getroffen werden muss. Die Zulässigkeit eines solchen Klagerücknahmeversprechens ergibt sich ebenso wie das Recht zur Klagerücknahme aus der Verfügungsbefugnis des Klägers über seinen Rechtsschutzanspruch. Die vertraglich vereinbarte Verpflichtung zur Klagerücknahme ist ohne das Hinzutreten besonderer Umstände auch dann nicht etwa sittenwidrig und damit unwirksam, wenn der Kläger diese Verpflichtung gegen Zahlung eines Entgelts eingeht. Zur Umsetzung des Klagerücknahmeversprechens bedarf es der Erklärung der Klagerücknahme gegenüber dem Gericht; erst diese prozessuale Handlung beendet das Verfahren. Wird die Klagerücknahme abredewidrig verweigert, führt dies auf entsprechende Einrede des Beklagten zur Abweisung der Klage durch Prozessurteil, denn die Fortführung des Verfahrens verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und ist deshalb unzulässig. Für eine gesonderte, auf Abgabe der Rücknahmeerklärung gerichtete Klage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis; auch für eine entsprechende Widerklage ist regelmäßig kein Raum.
19 Entsprechend geht auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass ein rechtsgeschäftlich vereinbartes Klagerücknahmeversprechen, ebenso wie ein rechtsgeschäftlich vereinbarter Verzicht auf Rechtsschutz, statthaft ist (BayVGH, U.v. 22.4.2008 - 1 B 04.3320 - juris Rn. 31). Auch im Verwaltungsprozess ist - neben einem dem Gericht oder dem Gegner gegenüber durch Prozesshandlung erklärten Klage- bzw. Rechtsmittelverzicht - ein rechtsgeschäftlich vereinbarter Verzicht zulässig. Dieser ist - wie ein dem Gegner gegenüber durch Prozesshandlung erklärter Verzicht - auf dessen Einrede hin zu berücksichtigten (vgl. BayVGH, U.v. 22.4.2008 a.a.O. m.w.N.). Entsprechendes gilt nach dieser Rechtsprechung für ein Klagerücknahmeversprechen, das, wenn die Klage abredewidrig aufrechterhalten wird, auf Einrede des Gegners zur Abweisung der Klage als unzulässig führt (BayVGH, U.v. 22.4.2008 a.a.O. m.w.N.). Dass die Zulässigkeit der Klage oder eines Rechtsmittels in diesen Fällen von einer nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einrede hin zu berücksichtigenden Voraussetzung abhängt, steht dem nicht entgegen. Diese Konstellation ist im Verwaltungsprozess zwar nicht die Regel; sie ist ihm aber nicht völlig fremd (BayVGH, U.v. 22.4.2008 a.a.O. m.w.N.).
20 Entsprechendes gilt nach Ansicht des Senats für das im Prozessvergleich vom 9. April 2014 vor dem Amtsgericht Bamberg unter Nr. 3 abgegebene "Widerspruchsrücknahmeverspechen". Insoweit macht es keinen Unterschied, in welchem Stadium des Rechtsbehelfsverfahrens - noch im Stadium des Widerspruchs oder bereits im Stadium des Klageverfahrens - eine entsprechende Zusage zur Rücknahme des Rechtsbehelfs erfolgt, zumal dem Rechtsbehelfsführer in beiden hinsichtlich der Aufrechterhaltung seines Rechtsbehelf eine weitgehende Dispositionsbefugnis zukommt.