RzF - 3 - zu § 13 Abs. 2 FlurbG

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 04.11.1968 - IV C 223.65 = RdL 1969 S. 297

Aktenzeichen IV C 223.65 Entscheidung Urteil Datum 04.11.1968
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen RdL 1969 S. 297  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Für die Bestellung eines Vertreters nach § 13 Abs. 2 Satz 1 FlurbG genügt es nicht, wenn die Flurbereinigungsbehörde die Eigentumsverhältnisse an dem betroffenen Grundstück nicht für eindeutig geklärt hält, jedoch ein Eigenbesitzer seine Herrschaft über das Grundstück ausübt. Nur wenn dem Eigenbesitzer der Besitz streitig gemacht wird, kann ein Vertreter bestellt werden.

Aus den Gründen

Der im Februar 1953 verstorbene Bauer Christian R. war mit seinem landwirtschaftlichen Anwesen Teilnehmer am Flurbereinigungsverfahren. Nach seinem Tode nahm der von ihm als Erbe eingesetzte Sohn August den Hof in Besitz und Bewirtschaftung, bis ihm auf seinen nach vier Jahren gestellten Antrag das Hoffolgezeugnis vom AG wegen Geschäftsunfähigkeit verweigert wurde. Daraufhin beantragte und erhielt der Kläger zu 1) am 4.2.1959 das Hoffolgezeugnis und wurde als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. - In der Zwischenzeit hatte die Flurbereinigungsbehörde - im Oktober 1955 - den Landwirt K., Schwager des Klägers zum Vertreter unter Anwendung des § 119 Abs. 2 FlurbG (gemeint war offensichtlich § 119 Abs. 1 Nr. 2 FlurbG) bestellt und vereinbarte mit diesem u.a. die Einbeziehung des Flurstücks Nr. 5 in das Flurbereinigungsverfahren, bei Austausch gegen das Flurstück Nr. 21 und einem zusätzlichen Geldausgleich von 5 000 DM. Hiergegen wehrt sich der Kläger mit der Begründung, mangels rechtmäßiger Vertreterbestellung sei die Abfindung ihm gegenüber wirkungslos; zudem sei die Abfindung unzureichend. Der Beklagte wies unter Erhöhung der Geldabfindung auf 15 000 DM seine Beschwerde zurück. - Beide Kläger begehrten mit der Klage Aufhebung bzw. Änderung des Bescheides. - Das Flurbereinigungsgericht hob den Bescheid auf und verwies die Sache an die Beklagte zurück. Es entschied, die Vertreterbestellung sei rechtswidrig mit der Folge, daß der Kläger zu 1) noch in der Lage sei, sich gegen die Planfestsetzung zu wehren. Sein Begehren sei auch berechtigt. Nach den örtlichen Feststellungen und Ermittlungen sei für das Einlageland, ein gut an das Wegenetz angeschlossenes, leicht aufschließbares, mindestens als Rohbauland zu bezeichnendes Gelände, ein Quadratmeterpreis von 4,50 DM anzusetzen, gegenüber einem Verkehrswert von 2,50 DM je Quadratmeter für das Abfindungsland. Die Gegenüberstellung von Einlage und Abfindung ergebe einen Mehrwert von 40 000 DM zugunsten des Klägers zu 1). - Die Beklagte werde nunmehr nach § 144 Satz 2 FlurbG die Beurteilung des Gerichts bei Erledigung der Planbeschwerde zugrunde zu legen haben. - Der Beklagte hat von der zugelassenen Revision Gebrauch gemacht, die Klägerin zu 2) hat Anschlußrevision eingelegt. Beide Revisionskläger halten die Vertreterbestellung insbesondere aus dem Grunde für rechtmäßig, weil die Hoffolge ungeklärt gewesen sei.

Die entscheidende Frage, über die von den Beteiligten gestritten wird, ist, ob die Bestellung des Landwirts K. als Vertreter zu Recht erfolgt ist oder nicht. Wäre sie Rechtens, müßte der Kläger zu 1) seine im Flurbereinigungsverfahren abgegebenen Erklärungen gegen sich gelten lassen; jedoch ist aus § 119 FlurbG nichts für die Auffassung der Beklagten herzuleiten, die Vorschrift umfasse auch den Fall, daß der wahre Berechtigte ungewiß ist. - Die Vertreterbestellung rechtfertigt sich aber auch nicht aus § 13 Abs. 2 Satz 1 FlurbG, wie die Beklagte ihr Vorbringen in der Revisionsinstanz ergänzt hat. Denn § 13 Abs. 2 FlurbG setzt voraus, daß der Eigenbesitz an dem Grundstück des Teilnehmers streitig ist. Das Flurbereinigungsgericht hat das Merkmal des streitigen Eigenbesitzes in der Erwägung verneint, daß in dem Landwirt August R. eine Person vorhanden war, die seit dem Tode des Erblassers den Hof als ihr vermeintliches Eigentum bewirtschaftet habe. Das ist zutreffend.

Nach § 10 Nr. 1 FlurbG sind am Flurbereinigungsverfahren kraft Gesetzes die Eigentümer der zum Verfahrensgebiet gehörenden Grundstücke beteiligt. Sie sind nach § 11 FlurbG von der Umlegungsbehörde - deklaratorisch - festzustellen. Entspricht die Eintragung im Grundbuch nicht der wahren Rechtslage, gilt der Eigenbesitzer als Beteiligter (§ 13 Abs. 1 FlurbG). Sinn und Zweck dieser Vorschrift sind offenbar. Es liegt im Interesse einer beschleunigten Durchführung des Flurbereinigungsverfahrens, daß eine Person zur Wahrnehmung der Interessen im Flurbereinigungsverfahren vorhanden ist, sofern sich der Berechtigte nicht aus dem Grundbuch ergibt und für ihn die Vermutung des § 891 BGB nicht eingreifen kann. Zu ermitteln sind nicht die Eigentumsverhältnisse bei ungeklärter Rechtslage, sondern die "Beteiligten" am Verfahren (vgl. dazu auch Urteil vom 4.8.1965 - BVerwG I C 90.61). In folgerichtiger Weiterentwicklung der Vorschrift des § 13 Abs. 1 FlurbG geben die Sätze 1 bis 2 des Abs. 2 a.a.O. der Flurbereinigungsbehörde die Befugnis, einen Vertreter zu bestellen, wenn (auch) der Eigenbesitz streitig und ein Eigenbesitzer nicht vorhanden ist. Eigenbesitzer ist derjenige, der das Grundstück als ihm gehörend wie ein Eigentümer besitzt (§ 12 Satz 2 FlurbG). Eigenbesitz im Sinne des FlurbG ist also gleichbedeutend mit dem Begriff des bürgerlichen Rechts im Sinne des § 872 BGB. Streitig ist der Eigenbesitz insbesondere, wenn die Besitzergreifung durch eine Person selbst zwar unstreitig ist, das Eigentum aber ungewiß ist und ein anderer entgegenstehende Rechte bei der Flurbereinigungsbehörde anmeldet (vgl. § 12 Satz 3 FlurbG). - Für den vorliegenden Fall ist tatsächlich davon auszugehen, daß August R. das Anwesen in Besitz und Bewirtschaftung genommen hat in der Überzeugung, daß ihm nach dem Testament seines Vaters der Betrieb gehöre. Es bestand in tatsächlicher Beziehung zwischen ihm und dem Wirtschaftsgut ein enges Verhältnis, wobei angemerkt sei, daß auch ein Geschäftsunfähiger Eigenbesitz ausüben kann. Es besteht kein Zweifel nach den tatsächlichen Feststellungen, daß August R. trotz seiner später festgestellten Geschäftsunfähigkeit den Willen in natürlichem Sinne besaß und ihn auch zu betätigen in der Lage war, die Sachherrschaft über das Anwesen auszuüben. Ein solcher natürlicher Wille genügt nicht nur für die Besitzergreifung, sondern auch für den Eigenbesitz (vgl. Palandt, Anm. 2 zu § 854 BGB, § 872 BGB Anm. 2). Es liegt also hier der typische Fall von Eigenbesitz vor. Damit war August R. gemäß § 13 Abs. 1 FlurbG Beteiligter am Flurbereinigungsverfahren.

Die Flurbereinigungsbehörde wäre nur dann in der Lage gewesen, gemäß § 13 Abs. 2 FlurbG einen Vertreter zu bestellen, wenn ihm der Eigenbesitz streitig gemacht worden wäre, insbesondere also, wenn der Kläger zu 1) schon damals seine Rechte angemeldet hätte, was er aber nicht getan hat. Wie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, hat der Kläger zu 1) erst dann seine Rechte in vollem Umfang geltend gemacht, nachdem August R. vom AG nicht als Hoferbe anerkannt worden ist. - Richtigerweise hätte die Flurbereinigungsbehörde, wenn sie Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Eigenbesitzers gehabt hat, die Bestellung eines Pflegers nach § 1910 Abs. 2 BGB in die Wege leiten sollen. - Es sei wiederholt, daß es für die Anwendung des § 13 Abs. 2 Satz 1 FlurbG nicht genügt, wenn die Flurbereinigungsbehörde die Eigentumsverhältnisse an dem betroffenen Grundstück nicht für eindeutig geklärt hält. Das ist nach Steuer, Komm. zum FlurbG, Aufl. 1967 Anm. 2 zu § 13, gerade ein Beispiel für die Anwendung des Abs. 1, nämlich die Heranziehung des Eigenbesitzers zum Flurbereinigungsverfahren als Beteiligten. Nur wenn dem Eigenbesitzer die Herrschaft über das in das Flurbereinigungsverfahren einbezogene Grundstück streitig gemacht wird, sind die Voraussetzungen für die Bestellung eines Vertreters gegeben.

Ergänzend sei bemerkt, daß der I. Senat des BVerwG in seinem Beschluß vom 3.2.1960 (RdL 1960, 189) - BVerwG I CB 135.59 - entschieden hat, die Bestellung eines Vertreters nach § 119 Abs. 1 FlurbG sei ein Verwaltungsakt. Das gleiche gilt für die Maßnahme nach § 13 Abs. 2 Satz 1 FlurbG. Daraus folgt, daß die Bestellung so lange als gültig angesehen werden muß, bis sie von der zuständigen Behörde wieder aufgehoben wird, es sei denn, daß sie nichtig ist. Da es jedoch zu der Vertreterbestellung der Bekanntgabe an die Betroffenen bedurft hätte (vgl. Beschluß vom 3.2.1960 (a.a.O.) und Steuer a.a.O. § 119 Anm. 3), kann sie in keinem Falle gegenüber dem Kläger zu 1) rechtswirksam sein. Offensichtlich ist die Vertreterbestellung dem Kläger zu 1) nicht bekanntgegeben worden.

Die Abfindung selbst wird von dem Kläger zu 1) nicht beanstandet. Nachdem das Flurbereinigungsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, daß der Kläger zu 1) bei der Abfindung um 40 000 DM benachteiligt worden ist, folgt daraus zugleich, daß das Klagebegehren der Kläger zu 2), das formell nur auf Aufhebung des Beschwerdebescheides lautet, ungerechtfertigt ist. Der Antrag, der schlechthin auf Aufhebung des Beschwerdebescheides lautet, ist dahin aufzufassen, daß die Klägerin zu 2) die Zahlungsverpflichtung insoweit beanstandet, als ein Geldausgleich über 5 000 DM hinausgehen soll. Der Beklagten geht es darum, von einem Mehrausgleich an Geld, der über 25 000 DM hinausgeht, befreit zu werden. - Hiernach hatte sich die Kostenverteilung zu richten.