Flurbereinigungsgericht Mannheim, Beschluss vom 05.07.2007 - 7 S 2700/06 (Lieferung 2008)
Aktenzeichen | 7 S 2700/06 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 05.07.2007 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Mannheim | Veröffentlichungen | Lieferung | 2008 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Auch im Flurbereinigungsprozess gelten grundsätzlich die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das selbständige Beweisverfahren entsprechend. |
2. | Auch ein geschlossenes Hofgut zählt nicht zum Schonvermögen (angemessenes Hausgrundstück) i.S.v. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII. |
3. | Ist das Hofgut Existenzgrundlage, ist eine Verwertung durch Veräußerung zur Prozessfinanzierung regelmäßig ausgeschlossen, nicht dagegen eine Beleihung. |
Aus den Gründen
I.
Die Antragsteller begehren Prozesskostenhilfe für ein selbständiges Beweisverfahren.
Die Antragsteller waren unter der Ord.Nr. 261 Teilnehmer des beschleunigten Zusammenlegungsverfahrens L. Sie sind u.a. gemeinsam Eigentümer des Grundstücks Flst. Nr. 108/1, das mit einem Wohnhaus und Wirtschaftsgebäuden bebaut ist. Im Zusammenlegungsplan des Amtes für Flurneuordnung und Landentwicklung O. vom 27.02.1995 wurde festgelegt, dass der über das Grundstück der Antragsteller führende Feldweg, der auch als Zufahrt zu den Grundstücken S. dient, als beschränkt öffentlicher Weg ausgewiesen und mit einer Asphaltdecke versehen wird. Gegen den Zusammenlegungsplan erhoben die Antragsteller nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens Klage. Sie machten u.a. geltend, es sei zu befürchten, dass durch die Asphaltierung ihre unterhalb des Weges befindliche Hofquelle, die ihre einzige Trinkwasserversorgung sei, beschädigt, wenn nicht sogar unbrauchbar werde. Das unter dem Aktenzeichen - 7 S 97/99 - beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg geführte Klageverfahren wurde am 05.10.2000 durch gerichtlichen Vergleich beendet. Im Sommer 2004 wurde der Ausbau des Weges auf der vorhandenen Trasse vollzogen.
Am 09.02.2006 erklärte das ... - Amt für Flurneuordnung - das Zusammenlegungsverfahren L. für abgeschlossen (Schlussfeststellung gemäß § 149 Abs. 1 FlurbG). Hiergegen legten die Antragsteller Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden wurde. Im Rahmen dieses Widerspruchsverfahrens vertraten sie u.a. die Auffassung, dass Anlass für ergänzende Schutzmaßnahmen im Hinblick auf ihre Quelle und deren Einzugsbereich bestehe. Vom streitgegenständlichen Weg gelange Dreck nahezu ungefiltert in das Grundwasser; es bestehe eine Dauerbeeinträchtigung für die Qualität des Quellwassers.
...
Am 16.11.2006 haben die Antragsteller beim Flurbereinigungsgericht Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes selbständiges Beweisverfahren gemäß §§ 485 ff. ZPO unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten beantragt.
...
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das von den Antragstellern beabsichtigte selbständige Beweisverfahren gem. §§ 485 ff. ZPO ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
Das Flurbereinigungsgericht ist gemäß § 140 FlurbG für die Entscheidung über den Antrag zuständig.
Gemäß § 140 S. 1 FlurbG entscheidet das Flurbereinigungsgericht über die Anfechtung von Verwaltungsakten, die im Vollzug des Flurbereinigungsgesetzes ergehen, über die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes und über alle Streitigkeiten, die durch ein Flurbereinigungsverfahren hervorgerufen werden und vor Eintritt der Unanfechtbarkeit der Schlussfeststellung anhängig geworden sind, soweit hierfür der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Vorliegend ist die durch das ... - Amt für Flurneuordnung - getroffene Schlussfeststellung nicht bestandskräftig geworden, da die Antragsteller hiergegen Widerspruch eingelegt haben. Gemäß § 98 VwGO sind außerdem, soweit die Verwaltungsgerichtsordnung nicht abweichende Vorschriften enthält, auf die Beweisaufnahme §§ 358 bis 444 und 450 bis 494 ZPO entsprechend anzuwenden. Hieraus folgt, dass auch in Verfahren, für die der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO) eröffnet ist, die Vorschriften über das selbständige Beweisverfahren gemäß §§ 485 ff. ZPO grundsätzlich entsprechend gelten; denn abweichende Vorschriften enthält die Verwaltungsgerichtsordnung insoweit nicht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.02.2004 - 8 S 2185/03 -, VBIBW 2004, 228 m.w.N.; Beschluss vom 03.07.1995 - 8 S 1407/95 -, NVwZ-RR 1996, 125; Beschluss vom 03.05.2007 - 5 S 810/07 - ). Der von den Antragstellern wohl erhobene Anspruch auf schadlose Ableitung des Straßenoberflächenwassers nach der aufgrund des Zusammenlegungsplans durchgeführten Straßenbaumaßnahme wäre letztlich auch vor dem Flurbereinigungsgericht zu verfolgen (BVerwG, Urteil vom 26.10.1978, BVerwGE 57, 31 <= RzF - 4 - zu § 41 Abs. 1 FlurbG>).
Der Antrag ist jedoch nicht begründet. Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall jedenfalls deshalb nicht gegeben, weil die Antragsteller ihr Unvermögen, die Kosten der Prozessführung zu tragen, nicht glaubhaft gemacht haben.
Die Antragsteller verfügen nach dem Zusammenlegungsnachweis - Neuer Bestand - des Amtes für Flurneuordnung O. über Grundvermögen im Umfang von 35,5516 ha (...). Dieses Grundvermögen ist auch einzusetzen, soweit dies zumutbar ist (§ 115 Abs. 3 S. 1 ZPO). Insoweit machen die Antragsteller zwar geltend, dass die Grundstücke Flst.Nr. 108/1 und 260 das geschlossene Hofgut "S.Hof" bilden (...). Dieses dürfe nicht auseinandergerissen werden, da dann die Wirtschaftlichkeit des Hofes nicht mehr gewährleistet wäre. Gleichwohl können diese Grundstücke - auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragsteller - nicht zum sogenannten Schonvermögen i.S.d. § 115 Abs. 3 S. 2 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 8 ZPO <Anm. der Redaktion: richtig SGB XII> gerechnet werden, da deren Größe die eines angemessenen Hausgrundstücks erheblich übersteigt (W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl. 2002, § 88 RdNr. 60). Aber auch in einem Fall wie dem vorliegenden ist zu berücksichtigen, dass das geschlossene Hofgut die Existenzgrundlage der Antragsteller bildet, so dass eine - auch nur teilweise - Verwertung durch Veräußerung ausscheiden dürfte (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Auflage, RdNr. 346). Allerdings haben die Antragsteller in keiner Weise glaubhaft gemacht, dass auch eine Beleihung eines der Grundstücke unzumutbar ist. Dies gilt erst recht für das Grundstück Flst.Nr. 685, das nicht Bestandteil des Hofgutes ist. Dass eine Beleihung der Grundstücke aufgrund ihres Verkehrswertes oder wegen bereits bestehender Belastungen ausscheidet, haben die Antragsteller - obwohl sie zu ergänzenden Angaben nach dem Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse aufgefordert wurden - ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Nach dem Lastenblatt des Amtes für Flurneuordnung O. sind zu Lasten der Grundstücke FlstNr. 108/1 und 260 zwar in Abteilung III des Grundbuches Grundschulden in Höhe von ... DM eingetragen. Dass damit der Beleihungswert erreicht ist, haben die Antragsteller nicht dargelegt. Außerdem fehlt es bereits an Angaben dazu, ob die Grundschulden überhaupt in der eingetragenen Höhe (noch) valutiert sind.
Danach kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob die beantragte Prozesskostenhilfe auch wegen mangelnder Erfolgsaussichten zu versagen wäre. Der Senat weist insoweit lediglich darauf hin, dass das nach § 98 VwGO i.V.m. § 485 Abs. 2 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an der Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens nur dann i.S.d. § 487 Nr. 4 ZPO hinreichend dargelegt ist, wenn nachvollziehbar vorgetragen wird, dass dem Antragsteller ein Anspruch gegen den Antragsgegner zustehen könnte, falls die unter Beweis gestellten Tatsachen vorliegen (VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 03.07.1995 - 8 S 1407/95 - und vom 06.02.2004 - 8 S 2185/03 -, juris). Daran dürfte es im vorliegenden Fall jedenfalls hinsichtlich des geltend gemachten Anspruches gegen den Antragsgegner zu 1) <Anmerkung der Redaktion: Flurbereinigungsbehörde> - wie von diesem auch geltend gemacht - fehlen.