Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 08.09.1988 - 5 C 8.85 = RdL 1989 S. 13= BVerwGE 80, 193= NuR 1989 S. 178= DÖV 1989 S. 319 (LS)= AgrarR 1990 S. 29
Aktenzeichen | 5 C 8.85 | Entscheidung | Urteil | Datum | 08.09.1988 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = RdL 1989 S. 13 = BVerwGE 80, 193 = NuR 1989 S. 178 = DÖV 1989 S. 319 (LS) = AgrarR 1990 S. 29 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Maßnahmen, die der Förderung der allgemeinen Landeskultur oder der Förderung der Landentwicklung, nicht aber vorrangig und betriebsbezogen auch der Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft dienen, können im Rahmen einer Zweitflurbereinigung nach § 86 Abs. 3 FlurbG nicht durchgeführt werden. |
2. | Das Flurbereinigungsverfahren nach § 86 Abs. 1 FlurbG kann, anders als das nach § 87 FlurbG, nicht darauf gerichtet sein, dem Unternehmensträger zu dem im Unternehmensbereich benötigten Land zu verhelfen. |
Aus den Gründen
Dem Flurbereinigungsgericht ist darin zuzustimmen, daß die Flurbereinigungsbehörde den vorbezeichneten Grundstücksteil nach § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.03.1976 (BGBl. I S. 546) anzuwendenden Flurbereinigungsgesetzes - FlurbG - für den angeführten Zweck nicht in Anspruch nehmen durfte. Nach dieser Vorschrift können Hof- und Gebäudeflächen (nur) verändert werden, wenn der Zweck der Flurbereinigung es erfordert. Wie nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und deshalb das Bundesverwaltungsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz feststeht (§ 137 Abs. 2 VwGO), handelt es sich bei den in die K 42 einbezogenen Teilen der Dungstätte und der Einfahrt zur Hofstelle der Klägerin um Teile einer solchen Hoffläche, einer Fläche also, die im räumlichen Zusammenhang mit den Wohn- und Betriebsgebäuden der Klägerin liegt und dazu bestimmt ist, der Betriebsführung des Hofes zu dienen (s. BVerwG, Beschluß vom 15.09.1976 - BVerwG 5 B 56.74 <Buchholz 424.01 § 45 FlurbG Nr. 8 = RdL 1977, 45> m. w. N.). Diese Fläche könnte deshalb nur verändert, d. h. um den für die Herstellung des Bürgersteiges benötigten Geländestreifen verkleinert werden (zum Begriff der Veränderung vgl. BVerwGE15, 72 <73/74>; BVerwG, Beschluß vom 19.04.1963 - BVerwG I B 151.61 <RdL 1963, 166>), wenn es der Zweck der Flurbereinigung erfordern würde. Dies ist indessen nicht der Fall. Es fehlt, wovon auch das Flurbereinigungsgericht ausgegangen ist, bereits an einem den Zugriff auf die Hoffläche rechtfertigenden Flurbereinigungszweck.
Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, ist das Flurbereinigungsverfahren B."als Zweitbereinigung nach § 86 Abs. 1 und 3 ... (FlurbG) ... zur Verbesserung der land- und forstwirtschaftlichen Produktions- und Arbeitsbedingungen sowie zur Förderung der allgemeinen Landeskultur und Landentwicklung" angeordnet worden (so § 1 Abs. 1 des im angefochtenen Urteil als Bestandteil des Widerspruchssammelheftes in Bezug genommenen Flurbereinigungsplanes). Nach den klarstellenden Erklärungen, die der Beklagte im Revisionsverfahren abgegeben hat, steht dabei § 86 Abs. 3 FlurbG als für das Verfahren maßgebliche Rechtsgrundlage im Vordergrund. Ob der Eingriff in die Hoffläche der Klägerin durch einen Flurbereinigungszweck gedeckt ist, ist deshalb in erster Linie nach dieser Vorschrift zu beurteilen. Nach ihrem Satz 1 ist das vereinfachte Flurbereinigungsverfahren - über § 86 Abs. 1 Satz 1 FlurbG hinaus - u. a. zulässig in bereits flurbereinigten Gemeinden, in denen eine stärkere Zusammenlegung der Grundstücke erforderlich geworden ist. Letzteres setzt das Vorkommen zersplitterten Grundbesitzes voraus (s. Hegele in Seehusen/Schwede, Flurbereinigungsgesetz, 4. Aufl. 1985, § 86 RdNr. 13; Steuer, Flurbereinigungsgesetz, 2. Aufl. 1967, § 86 Anm. 12). Indem sie darauf abzielt, dieses Vorkommen zu vermindern oder (möglichst) ganz zu beseitigen, dient die im vereinfachten Flurbereinigungsverfahren durchgeführte Zweitbereinigung i. S. d. § 1 FlurbG der Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft. Dieser Zweck ist deshalb auch für ein solches - hier gegebenes - Verfahren bestimmend. Ausgeschlossen sind dagegen die neben der Verbesserung der land- und forstwirtschaftlichen Produktions- und Arbeitsbedingungen in § 1 FlurbG weiter angeführten Zwecke der Förderung der allgemeinen Landeskultur und der Förderung der Landentwicklung. Daß es zulässig sein könnte, auch diese Zwecke mit einer Zweitbereinigung nach § 86 Abs. 3 FlurbG anzustreben, kann dem Flurbereinigungsgesetz nicht entnommen werden. Der Umstand, daß § 86 Abs. 3 Satz 1 FlurbG mit der in bereits flurbereinigten Gemeinden erforderlich gewordenen stärkeren Grundstückszusammenlegung lediglich Besitzzersplitterungen als verfahrensauslösenden Grund anspricht und mit diesen einen primär betriebswirtschaftlich relevanten Gesichtspunkt aufgreift, läßt im Gegenteil darauf schließen, daß Maßnahmen, die der Förderung der allgemeinen Landeskultur oder der Förderung der Landentwicklung, nicht aber vorrangig und betriebsbezogen auch der Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft dienen, im Rahmen einer Zweitbereinigung nach § 86 Abs. 3 FlurbG nicht durchgeführt werden können (vgl. auch Hegele, a.a.O., § 1 RdNr.11, und Quadflieg, Recht der Flurbereinigung, 1978/1988, § 1 FlurbG RdNr. 9 <Stand Dezember 1987>, die sogar annehmen, daß § 1 FlurbG für das vereinfachte Flurbereinigungsverfahren in vollem Umfang nicht gilt).
Aus den § 37 und § 39 FlurbG kann nichts anderes hergeleitet werden. § 37 FlurbG bestimmt nur (und erst) den Handlungsrahmen der Flurbereinigung (BT-Drucks. 7/3020 S. 25 zu Nr. 25), nicht aber auch (und schon) den Zweck (die Voraussetzungen) des jeweiligen Verfahrens (siehe auch - zum Begriff der Flurbereinigung - BVerwG, Urteil vom 13.11.1958 - BVerwG I C 132.57 <Buchholz 424.01 § 37 FlurbG Nr. 1 = NJW 1959, 643/644> und Beschluß vom 22.01.1980 - BVerwG 5 B 28.78 <Buchholz 424.01 § 37 FlurbG Nr. 15 = RdL 1981, 11/12>). Die Vorschrift ist deshalb keine Grundlage für Zweckerweiterungen über den Inhalt der einschlägigen gesetzlichen Zweckbestimmung hinaus, muß vielmehr umgekehrt - gegebenenfalls einschränkend - entsprechend dem Zweck des konkret angeordneten Verfahrens angewendet werden (ebenso Quadflieg, a.a.O.; § 37 FlurbG RdNr. 2). Für § 39 FlurbG gilt nichts anderes. Er ergänzt - und konkretisiert - lediglich den in § 37 FlurbG allgemein festgelegten Handlungsrahmen (BVerwGE 15, 72 <74 f.>; 64, 232 <234>; Quadflieg, a.a.O., § 39 FlurbG RdNr. 3) und kann wie die dort getroffene Regelung nicht dazu benutzt werden, die in anderen Bestimmungen des Gesetzes niedergelegten Flurbereinigungszwecke, auf die § 39 Abs. 1 Satz 1 FlurbG mit dem seit dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 15.03.1976 (BGBl. I S. 533) geltenden allgemeinen Vorbehalt "soweit es der Zweck der Flurbereinigung erfordert" selbst Bezug nimmt, im Widerspruch zu diesen Bestimmungen zu erweitern. Abgesehen davon fallen auch Straßen, die ebenfalls seit 1976 in § 39 Abs. 1 Satz 1 FlurbG ausdrücklich erwähnt sind, unter diese Vorschrift nur dann, wenn sie - gegebenenfalls auch als öffentliche Straßen (vgl. BVerwGE 15, 72 <76 f.>; BVerwG, Urteil vom 14.12.1978 - BVerwG 5 C 52.76 <Buchholz 424.01 § 45 FlurbG Nr. 12 = RdL 1980, 39/40 = DÖV 1979, 832>; BVerwGE 64, 232 <234>) - die Merkmale einer gemeinschaftlichen Anlage erfüllen.
Davon kann nach den Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil und ihrer Würdigung durch das Flurbereinigungsgericht, an die das Bundesverwaltungsgericht nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden ist, weil der Beklagte revisionsrechtlich erhebliche Rügen insoweit nicht vorgebracht hat, nicht ausgegangen werden. Denn danach handelt es sich bei der Verbreiterung der K 42 zum Zweck der Schaffung eines Bürgersteiges nicht um die Errichtung oder Erweiterung einer gemeinschaftlichen Anlage i. S. v. § 39 FlurbG, sondern um eine Maßnahme, die dem Interesse des öffentlichen (Durchgangs-)Verkehrs dient, für die - wie hier auch geschehen - nach § 40 FlurbG Land in verhältnismäßig geringem Umfange bereitgestellt werden kann, die aber einen Eingriff in die durch § 45 Abs. 1 FlurbG erfaßten Flächen nicht gestattet, weil die Herstellung des Gehweges für die Neugliederung des Flurbereinigungsgebietes nicht erforderlich ist (Urteilsabdruck S. 6 f.). Auch die Annahme, daß diese Maßnahme dazu bestimmt sein könnte, die zur Verminderung oder Beseitigung vorhandener Besitzzersplitterung notwendige Landzusammenlegung im Verfahren B. sicherzustellen und auf diese Weise die Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen für die Teilnehmer zu ermöglichen, ist danach ausgeschlossen. Dann aber ist der Zugriff auf die Hoffläche der Klägerin nicht durch den Zweck der auf § 86 Abs. 3 FlurbG gestützten Zweitflurbereinigung gedeckt.
§ 86 Abs. 1 FlurbG, den der Beklagte - offenbar in Erkenntnis der beschränkten Reichweite des § 86 Abs. 3 FlurbG - im Verlauf des Revisionsverfahrens als die für die "Durchführung von städtebaulichen Maßnahmen wie ... Verbreiterung der Landes- und Kreisstraßen in und außerhalb der Ortslage" maßgebliche Rechtsgrundlage bezeichnet hat, bietet für diesen Zugriff ebenfalls keine Rechtfertigung. Die vereinfachte Flurbereinigung i. S. d. § 86 Abs. 1 Satz 1 FlurbG dient nicht dem Ziel der Landbeschaffung für die in dieser Vorschrift angeführten Maßnahmen. Wie der erkennende Senat schon in seinem Beschluß vom 30.07.1980 - BVerwG 5 B 25.79 (Buchholz 424.01 § 87 FlurbG Nr. 4 = RdL 1981, 93 <94>) klargestellt hat, setzt ein derartiges vereinfachtes Verfahren voraus, daß die für das Unternehmen benötigten Flächen von dem Unternehmensträger bereitgestellt werden und nicht wie in dem Verfahren nach § 87 ff. FlurbG von den Teilnehmern aufzubringen sind (ebenso Hess. VGH, Urteil vom 26.08.1969 - III F 165/68 <RdL 1970, 245/ 252>). Dies gilt nicht nur in dem Fall, daß das Verfahren entsprechend der ersten Alternative des § 86 Abs. 1 Satz 1 FlurbG durchgeführt wird, um die durch Anlegung, Änderung oder Beseitigung von Eisenbahnen, Straßenbahnen, Straßen, Wegen, Gewässern oder durch ähnliche Maßnahmen für die allgemeine Landeskultur entstehenden oder entstandenen Nachteile zu beseitigen. Gleiches ist vielmehr auch dann anzunehmen, wenn die vereinfachte Flurbereinigung auf der Grundlage der zweiten Alternative der genannten Bestimmung die Durchführung eines Siedlungsverfahrens, von städtebaulichen Maßnahmen, notwendigen Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege oder der Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes ermöglichen soll. Auch für diesen Fall spricht § 86 Abs. 1 FlurbG im Gegensatz zu § 87 Abs. 1 und 2 FlurbG nicht von der Inanspruchnahme ländlicher Grundstücke, von einem dadurch entstehenden Landverlust (vgl. dazu BVerwGE 71, 108 <118>) oder davon, daß aus besonderem Anlaß eine Enteignung zulässig ist, die zugunsten des Unternehmens durchgeführt werden soll. In Konsequenz dessen fehlen für Verfahren nach § 86 Abs. 1 FlurbG auch Regelungen über die Landaufbringung, Eigentumszuteilung und Geldentschädigung, wie sie für die Unternehmensflurbereinigung in § 88 Nr. 4 i. V. m. den Nrn. 6 und 7 FlurbG getroffen worden sind. All dies läßt erkennen, daß Flurbereinigungsverfahren nach § 86 Abs. 1 FlurbG anders als solche nach § 87 FlurbG nicht darauf gerichtet sein können, dem Unternehmensträger zu dem im Unternehmensbereich benötigten Land zu verhelfen. Dieses muß dem Unternehmensträger vielmehr schon zur Verfügung stehen. Daran fehlt es hier deshalb, weil die für die Gehwegherstellung entlang der K 42 im Bereich des klägerischen Grundbesitzes vorgesehene Fläche nach den oben schon wiedergegebenen Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts auf der Grundlage des § 40 FlurbG bereitgestellt werden soll. Für die Annahme, daß der damit verbundene Eingriff in die Hoffläche der Klägerin durch einen der in § 86 Abs. 1 Satz 1 FlurbG aufgeführten Flurbereinigungszwecke gedeckt sein könnte, ist mit Rücksicht darauf kein Raum.