Landgericht Braunschweig, Urteil vom 02.04.1996 - 23 O 10/95 = RdL 1996 S. 211

Aktenzeichen 23 O 10/95 Entscheidung Urteil Datum 02.04.1996
Gericht Landgericht Braunschweig Veröffentlichungen RdL 1996 S. 211  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Der Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan kann als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 217 BauGB angesehen werden.
2. Es besteht kein Anspruch auf Mehrwegeentschädigung, wenn die Entfernungsverschlechterung nicht unmittelbar zu einem Vermögensnachteil führt.

Aus den Gründen

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist des § 217 Abs. 2 BauGB gestellt worden. Nach der mündlichen Verhandlung hat das Straßenbauamt noch an dem Tage Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan eingelegt, der nach § 88 Nr. 7 FlurbG i. V. m. § 19 Abs. 5 FStrG, § 43 NEG und § 217 BauGB als Antrag auf gerichtliche Entscheidung anzusehen ist.

Nach § 88 Nr. 5 FlurbG hat der Träger des Unternehmens Nachteile, die Beteiligten durch das Unternehmen entstehen, zu beheben und, soweit dies nicht möglich ist oder nach dem Ermessen der Flurbereinigungsbehörde nicht zweckmäßig erscheint, für sie Geldentschädigung zu leisten. Bei der hier vorliegenden Flurbereinigung zugunsten der Bundesrepublik als Erbauerin der Autobahn ist diese für den Ersatz der Nachteile in Anspruch zu nehmen, wenn solche Nachteile durch das Flurbereinigungsverfahren in diesem Fall festgestellt werden können.

Ein Ausgleich für die von der Domänenverwaltung zugunsten der "kleinen" Bauern aufgegebenen Flächen ist durch das Ersatzland in W. erfolgt. Ein Anspruch auf Mehrwegeentschädigung besteht jedoch nicht. Wenn für eine öffentliche Maßnahme, wie hier, in der Flurbereinigung landwirtschaftlich genutzte Grundstücke beansprucht werden, treten vielfach Nebenschäden auf, wozu insbesondere Umwege, Durchschneidungen, Anschneidungen usw. gehören. Das Vorhandensein eines solchen Schadens bedeutet allerdings nicht schon, daß er bei einer Enteignung neben dem Rechtsverlust immer zu entschädigen ist. Es muß sich dabei um einen sonstigen Nachteil im Sinne der einschlägigen Enteignungsgesetze, z. B. § 96 BBauG/BauGB, handeln (vgl. Aust/Jacobs, Die Enteignungsentschädigung, 2. Aufl., S. 187). Bei der Frage der Entschädigungsbemessung dürfen jedoch nur solche Nachteile berücksichtigt werden, die der Betroffene in seiner konkreten, subjektiven Rechtsposition erlitten hat (BGHZ 82, 96, 98, 84, 261; Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 93, 3. Aufl., RdNr. 3). Neben dem Ersatz des Substanzverlustes können nur solche Folgeschäden bei der Entschädigung berücksichtigt werden, die zwangsnotwendig und unmittelbar aus der Enteignung folgen (BGH, NJW 1966, 495). Dazu gehören zwar grundsätzlich die Umwegeentschädigungen, soweit sie unter § 88 Nr. 5 FlurbG fallen. Voraussetzung für die Zubilligung einer Entschädigung ist jedoch, daß tatsächlich Mehrwege bei der Bewirtschaftung der Domäne anfallen. Die konkrete subjektive Rechtsposition (BGH, a.a.O.) der Domänenverwaltung besteht in diesem Falle nicht darin, daß Mehrwege für die Bewirtschaftung der Ackerflächen tatsächlich anfallen. Diese von der Flurbereinigungsbehörde vorgenommene Berechnung ist rein fiktiv und berücksichtigt nicht die tatsächlichen "subjektiven" Gegebenheiten.

Die Domäne ist verpachtet, und sie wird nicht von dem Eigentümer der Ländereien selbst betrieben. Für ihn fallen deshalb gar keine Mehrwege an. Auch für den Pächter ergeben sich aufgrund der in W. hinzugekommenen 30 ha keine Mehrwege, die entschädigungspflichtig wären. Der Pächter hat nur den bei der Domäne verbleibenden Teil gepachtet und bewirtschaftet nur diesen. Seine Pacht ist gleich geblieben, er hat auch gegenüber der Domänenverwaltung keine Ansprüche geltend gemacht. Der in der Gemarkung hinzugekommene Teil ist an einen anderen Pächter verpachtet, so daß tatsächlich überhaupt kein Mehrwegeschaden entstanden ist, der hätte entschädigt werden müssen.

Bei dem Flurbereinigungsverfahren war deshalb nur das tatsächlich zur Verfügung gestellte Ackerland durch anderes zu ersetzen oder in Geld zu entschädigen. Ein Anspruch auf Mehrwegeentschädigung besteht nicht, da aufgrund der Pachtverträge keine Mehrwege entstanden sind, die für den Pächter oder den Eigentümer zu Einbußen in dem Betriebsergebnis führen könnten. Auch für die Zukunft ist wegen der unterschiedlichen Pachtdauer der an unterschiedliche Pächter verpachteten Flächen nicht mit einem solchen Schaden zu rechnen. Eine Entschädigung ist jedoch dann nicht zu zahlen, wenn tatsächlich weder ein Schaden entstanden ist noch in Zukunft entstehen wird.