Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.08.1990 - II R 6/88 = BFHE 162, 146= BStBl. II 1990, 1034
Aktenzeichen | II R 6/88 | Entscheidung | Urteil | Datum | 01.08.1990 |
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Gericht | Bundesfinanzhof | Veröffentlichungen | = BFHE 162, 146 = BStBl. II 1990, 1034 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Grundstückszuteilungen in einem Umlegungsverfahren nach BBauG sind nur insoweit von der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG 1983 befreit, als der (neue) Eigentümer wertgleich abgefunden wurde. Hat der (neue) Eigentümer einen Ausgleich in Geld für eine Mehrzuteilung zu entrichten (vgl. § 59 Abs. 2 BBauG), so ist sein Grundstückserwerb in Höhe des Geldausgleichs für die Mehrzuteilung steuerbar. |
Aus den Gründen
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat im Ergebnis zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG 1983 verneint.
Der Übergang des Eigentums an einem Grundstück unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer, wenn kein den Anspruch auf Übereignung begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen ist und es auch keiner Auflassung bedarf. Von diesem Steuertatbestand ist nach Satz 2 Buchst. b der Vorschrift ausgenommen der Übergang des Eigentums im Umlegungsverfahren nach dem BBauG, wenn der neue Eigentümer in diesem Verfahren als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks Beteiligter ist. Diese Ausnahme von der Steuerbarkeit verlangt zunächst, daß die Eigentumsänderung im förmlichen Umlegungsverfahren nach dem BBauG (§§ 45 ff. BBauG) und damit außerhalb des Grundbuchs erfolgt. Die Rechtsänderung kann eintreten durch Inkrafttreten des Umlegungsplans (§§ 71 und 72 BBauG) oder aufgrund einer Vorausregelung für einzelne Grundstücke nach § 76 BBauG. Die weitere Voraussetzung der Ausnahme, daß der neue Eigentümer im Verfahren als Eigentümer eines im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücks beteiligt sein muß, wird von beteiligten Gemeinden nicht stets erfüllt, da diese in jedem Fall - auch ohne selbst Grundeigentümer zu sein - am Umlegungsverfahren beteiligt sind (vgl. § 48 Abs. 1 Nr. 4 BBauG). Werden daher einer Gemeinde als Bedarfsträger (vgl. § 55 Abs. 5 BBauG) im Umlegungsverfahren Flächen zugeteilt, für die eine Nutzung für öffentliche Zwecke festgesetzt ist (wie z. B. im Streitfall zugunsten der Feuerwehr), so kommt eine Ausnahme von der Steuerbarkeit nur in Betracht, wenn die Gemeinde auch als Grundstückseigentümerin am Umlegungsverfahren beteiligt ist.
Die Ausnahme von der Steuerbarkeit reicht nur so weit, als der (neue) Eigentümer Grundstücke in die Umlegungsmasse eingebracht hat, die dem zugeteilten Grundstück (Grundstücken) wert- oder flächengleich sind. Hat der (neue) Eigentümer einen Ausgleich in Geld zu entrichten (vgl. § 59 Abs. 2 BBauG), so ist sein Grundstückserwerb in Höhe des Geldausgleichs für die Mehrzuteilung steuerbar. An dieser zu früheren landesrechtlichen Regelungen entwickelten (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18.09.1985 II R 131/83, BFHE 144, 470, BStBl. II 1985, 713), aber auch für das GrEStG 1983 beibehaltenen Auffassung (vgl. BFH-Beschluß vom 19.12.1986 II B 163/86, BFH/NV 1988, 463) hält der Senat nach Überprüfung fest. Das Umlegungsverfahren wird beherrscht vom Grundsatz der wertgleichen Abfindung und der Erhaltung des Eigentums (vgl. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.08.1959 I C 204/57, BVerwGE 10, 3). Die Beteiligten sollen in diesem Grundstückstauschverfahren gleichwertige Grundstücke zugeteilt erhalten (vgl. § 59 Abs. 1 BBauG). Darin ist eine Grundentscheidung des Gesetzgebers zu sehen. Dieser Grundsatz wird vom BBauG zwar selbst aus unterschiedlichen Gründen in mehrfacher Hinsicht ganz oder teilweise durchbrochen (z. B. teilweise oder völlige Abfindung in Geld nach § 59 Abs. 4 und Abs. 5 BBauG), gleichwohl bleibt er das bestimmende Wesensmerkmal des Umlegungsverfahrens. Die (vom BBauG eingeräumte) Möglichkeit, im Umlegungsverfahren Grundstücke auch gegen teilweise oder völlige Geldleistung (also ohne gleichwertige Grundstückshingabe) zu erhalten, bringt in das vom Tauschprinzip beherrschte Umlegungsverfahren ein Element des Kaufs bzw. Hinzuerwerbs hinein. Der Senat ist der Auffassung, daß die Ausnahme von der Steuerbarkeit für das Umlegungsverfahren auf das eigentliche Tauschverfahren beschränkt ist. Grundstückszuteilungen im Umlegungsverfahren, für die der neue Eigentümer eine Geldleistung zu erbringen hat, da er keinen oder keinen wertgleichen Grundstücksverlust im Umlegungsverfahren erleidet (Mehrzuteilungen), sind daher grundsätzlich insoweit steuerbar.
Maßgeblich für die Beurteilung ist dabei das einzelne förmliche Umlegungsverfahren für das jeweilige Umlegungsgebiet. Entscheidend ist außerdem, ob der einzelne Eigentümer aufgrund seiner Grundstücksverluste (Einwurf) und Grundstückszuteilungen insgesamt in dem betreffenden Umlegungsverfahren einen Geldausgleich zu leisten hat oder nicht. Dabei ist die Gemeinde wie jeder andere beteiligte Grundstückseigentümer zu beurteilen. Bei der Entscheidung der Frage, ob ein nach den dargelegten Grundsätzen steuerbarer Hinzuerwerb der Gemeinde stattgefunden hat, muß daher außer Betracht bleiben, daß die Gemeinde grundsätzlich Gläubigerin und Schuldnerin aller im Umlegungsplan festgesetzten Geldleistungen ist (§ 64 Abs. 1 BBauG).
Nach den unangefochtenen tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, war die Klägerin zwar Eigentümerin eines Grundstücks im Umlegungsgebiet, hat diese Eigentümerstellung jedoch nicht verloren. Dementsprechend hatte sie für das hinzuerworbene Grundstück eine Geldleistung zu erbringen. Nach dem dargestellten Grundsatz führt dies zur Steuerbarkeit und - mangels einer Steuerbefreiung - auch zur Steuerpflicht des Erwerbsvorgangs.