Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 12.04.1989 - 9 C 39/87 = RdL 1989 S. 206

Aktenzeichen 9 C 39/87 Entscheidung Urteil Datum 12.04.1989
Gericht Flurbereinigungsgericht Koblenz Veröffentlichungen RdL 1989 S. 206  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Eine Festsetzung im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 4 FlurbG ist nicht erforderlich, wenn der Flurbereinigungsteilnehmer ein der Flurbereinigungsbehörde unbekanntes Wegerecht nicht fristgerecht anmeldet und sich damit selbst um seine entsprechende Verfahrensteilnahme bringt.
2. In der Regel entspricht es pflichtgemäßem Ermessen der Flurbereinigungsbehörde, ein verspätet angemeldetes Wegerecht, dessen Bestehen nicht glaubhaft gemacht, geschweige denn nachgewiesen ist, unberücksichtigt zu lassen.

Aus den Gründen

Die Kläger wenden sich gegen den Flurbereinigungsplan mit dem Einwand, daß in ihm ein zu ihren Gunsten bestehendes Wegerecht nicht gewahrt worden sei.

Die Flurbereinigungsbehörde ist grundsätzlich nicht gehalten, die wirklichen Rechtsverhältnisse aufzuklären, wenn sie von den in Betracht kommenden Beteiligten bestritten werden. Nach § 12 FlurbG knüpft die Beteiligung am Flurbereinigungsverfahren grundsätzlich an den Nachweis der in Betracht kommenden Rechte durch öffentliche Bücher oder durch öffentliche Urkunden an. Damit ist die Verwaltungsbehörde in einem Verfahren mit einer Vielzahl von Beteiligten von einer Aufgabe freigestellt, die - auf Betreiben der betroffenen Beteiligten - nur von den zuständigen Gerichten erfüllt werden kann. Die Ermächtigung, für die Dauer der Flurbereinigung Festsetzungen hinsichtlich des Streitgegenstandes treffen zu dürfen, stellt sich somit als ein Hilfsmittel dar, auch dort zweckentsprechende Gestaltungen vornehmen zu können, wo die streitigen Rechtsverhältnisse endgültig nicht aufzuklären sind. Inhalt und Zweck derartiger Festsetzungen kann es daher nur sein, die Durchführung des Verfahrens zu ermöglichen, d. h. die Beteiligung sachlich zu regeln und die Abfindung für ein Grundstück, das streitig ist, zweckmäßig zu gestalten (Steuer, FlurbG, 2. Aufl., Anm. 7 zu § 13). Im vorliegenden Fall ist eine solche Festsetzung für die Durchführung der Flurbereinigung nicht erforderlich. Zwar verlangt es der Zweck der Flurbereinigung, die Sperrparzelle Nr. 1424/869, die lediglich 11 qm umfaßt, zu beseitigen und den aus ihr resultierenden Abfindungsanspruch durch Arrondierung des Grundbesitzes der Kläger zu erfüllen. Diese Zielsetzung ist jedoch auch ohne eine vorläufige Regelung zu verwirklichen, da die Flurbereinigungsbehörde die geltend gemachte Servitut zu Recht unberücksichtigt gelassen hat. Denn die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Verfahrensweise nach § 14 Abs. 2 FlurbG sind im vorliegenden Fall gegeben, wie noch im einzelnen zu der Frage, ob der hilfsweise gestellte Klageantrag zu 2) begründet ist, auszuführen sein wird. Unter diesen Umständen kommt auch eine gerichtliche Entscheidung gemäß § 13 Abs. 3 FlurbG nicht in Betracht.

Der hilfsweise gestellte Klageantrag zu 2) kann ebenfalls nicht zum Erfolg führen, da das geltend gemachte Wegerecht von den Klägern nicht fristgerecht angemeldet, geschweige denn nachgewiesen worden ist. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 2 FlurbG sind die Inhaber von Rechten, die nicht im Grundbuch eingetragen sind, jedoch zur Beteiligung an der Flurbereinigung berechtigten, durch öffentliche Bekanntmachung aufzufordern, diese ihre Rechte innerhalb von 3 Monaten bei der Flurbereinigungsbehörde anzumelden. § 14 Abs. 2 FlurbG bestimmt weiter, daß die Flurbereinigungsbehörde die bisherigen Verhandlungen oder die von ihr getroffenen verbindlichen Regelungen - wie den Flurbereinigungsplan - gelten lassen kann, wenn die Rechte der genannten Art erst nach Ablauf der gesetzten Frist von 3 Monaten angemeldet oder nachgewiesen werden. Das bedeutet, daß die Behörde im Rahmen des ihr eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens ein verspätet angemeldetes Recht - wie eine im Grundbuch nicht eingetragene Grunddienstbarkeit - nicht mehr zu berücksichtigen braucht. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine derartige Ermessensausübung der Behörde sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Unstreitig enthält der öffentlich bekanntgemachte Flurbereinigungsbeschluß vom 22.09.1975 die Aufforderung, Rechte, die zur Beteiligung am Flurbereinigungsverfahren berechtigen und nicht aus dem Grundbuch ersichtlich sind, innerhalb von 3 Monaten bei der Flurbereinigungsbehörde anzumelden. Unter die Rechte dieser Art fallen unzweifelhaft Grunddienstbarkeiten, die vor Anlegung des Grundbuchs entstanden sind und daher nach Art. 187 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 18.08.1986 (RGBl. S. 604) nicht der Grundbucheintragung bedurften. Unstreitig sind die Kläger dieser öffentlich bekanntgemachten Aufforderung nicht fristgerecht nachgekommen. Sie haben auf ihr vermeintliches Wegerecht erstmalig mit Schreiben vom 24.11.1983 an das Kulturamt hingewiesen und seine Wahrung erstmals gefordert, nachdem ihnen die Grundstücksumgestaltung im Flurbereinigungsplan bekanntgeworden war. Eine fristgerechte Anmeldung - und eventuelle Nachweisung ihres vermeintlichen Rechts - wäre ihnen aber bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt möglich gewesen. Denn gerade bei der vorhandenen Sperr- und Splitterparzelle Nr. 1424/869 mußte sich ihnen die Annahme aufdrängen, daß dieser Zustand in der Flurbereinigung beseitigt werden würde. Wenn sich der Beklagte unter diesen Umständen gegen eine Anerkennung des verspätet angemeldeten Rechts entschied, so bestehen dagegen keine rechtlichen Bedenken. Denn eine solche Entscheidung hält sich ersichtlich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung. Die gesetzliche Ermächtigung in § 14 Abs. 2 FlurbG ist im Zusammenhang mit den Legitimationsvorschriften der § 12 und § 13 FlurbG zu sehen. Danach wird der Flurbereinigungsbehörde - wie bereits hervorgehoben - grundsätzlich nicht aufgebürdet, auch unbekannte Rechte zu ermitteln und streitige Rechtsverhältnisse aufzuklären. Die Ermächtigungsgrundlage zielt somit darauf ab, der Behörde auch dann Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen, wenn unbekannte Rechte verspätet angemeldet oder nachgewiesen werden. Im vorliegenden Falle hat der Beklagte das geltend gemachte Recht deshalb nicht anerkannt, weil es zum einen verspätet und darüber hinaus auch nicht einmal glaubhaft gemacht oder nachgewiesen worden ist. Das sind unzweifelhaft sachgerechte Erwägungen. Es bedarf zudem auch keiner näheren Ausführungen, daß ein erst kurz vor der Aufstellung des Flurbereinigungsplanes geltend gemachtes Recht erhebliche Verzögerungen für den Verfahrensablauf mit sich bringen würde, wenn es erst in einem solchen fortgeschrittenen Verfahrensstadium aufgeklärt werden müßte. Hinzu kommt, daß im vorliegenden Fall so gut wie keine Anhaltspunkte für das Bestehen des angemeldeten Rechtes ersichtlich sind.

Für die Beantwortung der Frage, ob zugunsten der Kläger bereits vor Anlegung des Grundbuches eine Grunddienstbarkeit mit dem von ihnen behaupteten Inhalt entstanden ist, muß das in dem Gebiet der ehemaligen Rheinprovinz geltende Recht des Code Civil herangezogen werden. Nach Art. 691 Satz 1 Code Civil (Loersch, Hugo, Code Civil nebst den ihn abändernden und ergänzenden Reichs- und Preußischen Gesetzen, Leipzig, 1893) konnten nämlich "nicht unterbrochen fortdauernde Servitute", mochten diese ins Auge fallen oder nicht, nur durch einen Titel erworben werden. Als ein derartiger Titel galt bereits ein formloser Vertrag (vgl. Meisner-Stern-Hodes, Nachbarrecht, 4. Aufl., § 36 I 3., S. 620). Nach Art. 688 Satz 3 Code Civil waren "nicht ununterbrochen fortdauernde Servitute" solche, die ohne jedesmalige Handlung eines Menschen nicht ausgeübt werden konnten, wie etwa das Wegerecht, das Recht, Wasser zu schöpfen, das Weiderecht oder andere ähnliche Rechte. Ein Erwerb des Rechtes durch dreißigjährigen Besitz oder durch "Bestimmung des Eigentümers" nach Art. 690 bzw. 692, 693 Code Civil, wie es bei ununterbrochenen fortdauernden und ins Auge fallenden Servituten möglich war, oder durch "unvordenkliche Verjährung" scheidet daher aus (vgl. Meisner-Stern-Hodes, a.a.O., S. 36 III, S. 634). Von den Klägern ist ein Erwerbstitel in Gestalt eines Vertrages zu keiner Zeit glaubhaft gemacht, geschweige denn nachgewiesen worden.

Ist das behauptete Wegerecht somit zu Recht unberücksichtigt geblieben, so durfte auch die Grundstücksneugestaltung - Beseitigung der Sperrparzelle Nr. 1424/869 -, wie im Flurbereinigungsplan geschehen, vorgenommen werden. Das behauptete Wegerecht ist dadurch - unterstellt, es würde tatsächlich bestehen - nicht zum Erlöschen gekommen. Denn die Kläger können es immer noch außerhalb des Flurbereinigungsverfahrens geltend machen. Sie müssen jedoch die eingetretene sachliche Umgestaltung der Grundstücksneuordnung gegen sich gelten lassen (vgl. Seehusen-Schwede-Hegele, FlurbG, 4. neubearb. Aufl., RdNr. 3 zu § 14; BayOLG in RdL 1970, 18).