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von Anonymer Benutzer

RzF - 22 - zu § 34 Abs. 1 FlurbG

Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 12.12.1985 - 13 A 84 A. 2876

Aktenzeichen 13 A 84 A. 2876 Entscheidung Urteil Datum 12.12.1985
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Entscheidung der Flurbereinigungsbehörde nach § 34 Abs. 1 FlurbG bedarf keines Antrags, wenn Handlungsbedarf besteht.
2. Handlungsbedarf und ein Sachentscheidungsinteresse bestehen nicht, wenn seitens des betroffenen Beteiligten keine tatsächliche oder zeitliche Möglichkeit zur Nutzungsänderung besteht.

Aus den Gründen

Die Entscheidung der Flurbereinigungsbehörde, die regelmäßig auf Antrag des Eigentümers ergehen wird, kann auch ohne Antrag getroffen werden. Der Vorschrift des § 34 FlurbG kann nicht entnommen werden, daß die Flurbereinigungsbehörde nur auf Antrag tätig werden kann (vgl. Art. 22 Satz 2 Nr. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG -). Ihre Regelung dient dem Schutz des öffentlichen Interesses an der Verwirklichung des Verfahrenszweckes, die durch zwischenzeitliche Nutzungsänderungen nicht behindert werden soll (BVerwG vom 12.10.1979; RdL 1979, 319/320). Die weitgesteckten Neuordnungsmaßnahmen im ländlichen Raum (§ 1, § 37 FlurbG) sollen möglichst umfassend und "ungestört" verwirklicht werden können; es geht darum, das Verfahrensgebiet von in § 34 FlurbG aufgeführten Veränderungen, die der Planung und ihrer Ausführung störend im Wege stehen könnten, freizuhalten (BayVGH vom. 14.10.1976; BayVBl. 1978, 210). Deshalb behandelt das Gesetz die Zuwiderhandlung als Ordnungswidrigkeit (§ 154 FlurbG) und regelt im Falle der Nichtbeachtung die Rechtsfolgen im Flurbereinigungsverfahren (§ 34 Abs. 2 FlurbG). Öffentliches Interesse kann deshalb gebieten, in Kenntnis von Änderungsabsichten bereits klarstellend die Zustimmung zu einer beabsichtigten Nutzungsänderung zu versagen, um nachteilige Wirkungen auf das Verfahren - aber auch für den Teilnehmer - nicht entstehen zu lassen.
Diese Entscheidung trifft die Flurbereinigungsbehörde nach pflichtgemäßen Ermessen (Art. 22 Satz 1 VwVfG). Besteht kein Handlungsbedarf (Sachbescheidungsinteresse) ist das Verwaltungsverfahren nach § 34 FlurbG und die zu treffende Entscheidung jedoch unzulässig (Kopp, Anm. 39 zu § 22 VwVfG).

Das Sachbescheidungsinteresse der Behörde an den nicht durch einen Antrag ausgelösten Verfahren erwächst - wie ausgeführt - aus dem öffentlichen Interesse, den Ablauf des Flurbereinigungsverfahrens zu schützen. Maßgebend ist deshalb der jeweilige Verfahrensstand, denn der Umfang der durch die Bestimmung des § 34 FlurbG offengehaltenen und gesicherten Möglichkeiten der Plangestaltung wird wesentlich davon bestimmt, ob planerisches Ermessen erst verwirklicht werden soll oder ob planerische Entscheidungen bereits getroffen sind (BayVGH vom 26.03.1980 - Nr. 13.A - 1401/79). Maßgebend ist weiter die konkrete Gefährdung des Schutzzweckes.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich der Versagungsbescheid vom 08.12.1983 als unzulässig ergangen, denn für diese Entscheidung bestand weder ein öffentliches Interesse, noch waren Interessen der Klägerin wahrzunehmen.

Bereits bei Erlaß des Versagungsbescheides vom 08.12.1983 war die Neuordnung der Grundstücke planerisch im Flurbereinigungsplan Teil I abgeschlossen (Bekanntgabe: 05.08.1982) und Besitz, Verwaltung und Nutzung der neuen Grundstücke als Folge der zum 02.11.1982 angeordneten vorläufigen Besitzeinweisung nach § 65 ff. FlurbG auf die Teilnehmer übergegangen. Nach dem Flurbereinigungsplan war der Klägerin Einlageflurstück 720/2 nicht mehr zugewiesen; die tatsächliche Verfügung an diesem Grundstück war ihr entzogen. In dem - hier maßgeblichen - Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung vom 16.10.1984 war durch die vorzeitige Ausführungsanordnung (§ 63 FlurbG) vom 09.07.1984 zudem der neue Rechtszustand zum 01.08.1984 eingetreten. Demnach hatte die Klägerin weder rechtlich noch tatsächlich die Möglichkeit, eine Nutzungsänderung auf ihrem früheren Flurstück 720/2 vorzunehmen. Eine konkrete Veränderung in der Nutzungsart des Grundstücks war deshalb nicht zu besorgen, zumal auch der negative Bauvorbescheid vom 18.10.1983 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid der Regierung von Niederbayern vom 29.12.1983 bereits vorlag.

Es ist in der Rechtsprechung geklärt, daß die Zustimmung nach § 34 FlurbG in einem gesonderten - vom Baugenehmigungsverfahren unabhängigen - Verfahren nachzusuchen bzw. zu erteilen ist (BayVGH vom 14.10.1976; Agrarrecht 1977, 242; BayVGH vom 25.05.1977; BayVBl. 1978, 179; BVerwG vom 12.10.1979; RdL 1979, 319). Beide Verfahren sind nicht miteinander gekoppelt, wenngleich in der Verwaltungspraxis aus Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten gewisse Abstimmungsmodalitäten geübt werden (vgl. die gemeinsame Bekanntmachung vom 07.08.1985, MABl. 1985, 368). Die Anhörung der Flurbereinigungsdirektion als Träger öffentlicher Belange im Rahmen des Art. 71 Abs. 1 Satz 2 BayBO und die hierzu abgegebene Stellungnahme vom 29.11.1982 begründet keine Außenwirkung. Die Stellungnahme vom 29.11.1982 "anfechtungsfähig" zu machen - und hierauf beruft sich der Beklagte - verkennt, daß der Abwägungsbereich einer Entscheidung nach § 34 FlurbG (er umfaßt z. B. auch die wirtschaftlichen Interessen des Teilnehmers) nicht in jedem Falle identisch mit jenen Sachbezügen ist, die die Flurbereinigungsdirektion als Träger öffentlicher Belange im Rahmen der Anhörung nach Art. 71 BayBO wahrzunehmen hat. Hinzu kommt, daß es dem Teilnehmer selbst möglich ist - sollte eine negative Stellungnahme in die Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde Eingang gefunden haben - über einen Antrag bei der Flurbereinigungsbehörde eine "anfechtungsfähige" Entscheidung nach § 34 FlurbG auszulösen. Es bedarf hierzu der fürsorgenden Interessenwahrnehmung durch die Flurbereinigungsbehörde nicht (sollte in der Gemeinsamen Bekanntmachung vom 07.08.1985, MABl. 1985, 368, gemeint sein, daß jede Beteiligung nach Art. 71 Abs. 1 Satz 2 BayBO auch ein Verfahren nach § 34 FlurbG auslöst, wäre dies zu weitgehend).