Flurbereinigungsgericht Lüneburg, Urteil vom 11.04.1985 - 15 OVG A 6/84
Aktenzeichen | 15 OVG A 6/84 | Entscheidung | Urteil | Datum | 11.04.1985 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Lüneburg | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | § 147 FlurbG regelt, unter welchen Voraussetzungen dem anfechtenden Beteiligten Kosten auferlegt werden können. Er enthält keine Bestimmungen darüber, unter welchen Voraussetzungen ihm Aufwendungen im isolierten Vorverfahren zu erstatten sind. |
2. | Ein Widerspruch hat im Sinne des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG Erfolg, wenn über ihn positiv entschieden worden ist und entweder die Ausgangsbehörde dem Widerspruch abhilft oder aber die Widerspruchsbehörde den angefochtenen Verwaltungsakt durch eine Entscheidung aufhebt. |
3. | Eine analoge Anwendung des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG auf Fälle, in denen der Widerspruchsführer sein Ziel im Wege des Vergleichs oder auf sonstige Weise durch Erledigung der Hauptsache erreicht hat, ohne daß die Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde über seinen Widerspruch mit einer nach §§ 72, 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO zu treffenden Kostenentscheidung entschieden hat, kommt nicht in Betracht. |
Aus den Gründen
Die Kläger haben gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihnen durch die anwaltliche Vertretung in dem ohne eine Entscheidung in der Sache beendenden Widerspruchsverfahren vor der Spruchstelle für Flurbereinigung und im Widerspruchsverfahren gegen die vorläufige Besitzeinweisung des Amtes für Agrarstruktur O. vom 05.08.1981 entstanden sind. Sie können mithin auch nicht die Festsetzung der Kosten durch die Beklagte in der von ihnen begehrten Höhe verlangen.
Ein solcher Anspruch läßt sich weder aus § 147 FlurbG noch aus § 1 Abs. 1 des Vorläufigen Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Niedersachsen vom 03.12.1976 (Nds.GVBl. S. 311) - Nds.VwVfG - i. V. m. § 80 des VwVfG vom 25.05.1976 (BGBl. I S. 1253) - VwVfG - herleiten. § 147 FlurbG regelt nur, unter welchen Voraussetzungen dem anfechtenden Beteiligten Kosten auferlegt werden können und enthält keine Bestimmungen darüber, unter welchen Voraussetzungen ihm Aufwendungen im isolierten Vorverfahren zu erstatten sind. Als Rechtsgrundlage für die Erstattung der Aufwendungen für die Beauftragung ihrer Verfahrensbevollmächtigten kommt daher nur § 80 Abs. 1 VwVfG in Betracht. Nach dieser Vorschrift hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der den Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen, zu denen auch die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts gehören, wenn seine Zuziehung notwendig war (§ 80 Abs. 3 VwVfG), zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich war. § 80 VwVfG ergänzt nach seiner Systematik und ausweislich der Entstehungsgeschichte (vgl. BT-Drucks. 7/910 S. 91, 92) die §§ 72, 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO. Diese Vorschriften sehen eine Entscheidung über die Kosten des Widerspruchsverfahrens nur vor, wenn über den Widerspruch durch eine Abhilfeentscheidung der Ausgangsbehörde oder einen Widerspruchsbescheid der Widerspruchsbehörde entschieden worden ist. Demgemäß hängt nach § 80 Abs. 3 VwVfG auch die Festsetzung der Kostenerstattung von der nach den §§ 72, 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO ergangenen Kostenentscheidung ab, die nach diesen Vorschriften ihrerseits voraussetzt, daß über den Widerspruch des Widerspruchsführers entschieden worden ist. Ein Widerspruch hat mithin im Sinne des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG Erfolg, wenn über ihn positiv entschieden worden ist und entweder die Ausgangsbehörde dem Widerspruch abhilft (§ 72 VwGO) oder aber wenn die Widerspruchsbehörde den angefochtenen Verwaltungsakt durch eine Entscheidung aufhebt.
Die Kläger können mit ihrem Kostenfestsetzungsanspruch aber auch nicht durchdringen, wenn sich ihr Widerspruchsverfahren durch Vergleich oder wofür einiges spricht, durch Erledigung der Hauptsache vor der Spruchstelle erledigt hat. Eine analoge Anwendung des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG auf Fälle, in denen der Widerspruchsführer sein Ziel im Wege des Vergleichs oder auf sonstige Weise durch Erledigung der Hauptsache erreicht hat, ohne daß die Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde - wie hier - über seinen Widerspruch mit einer nach §§ 72, 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO zu treffenden Kostenentscheidung entschieden hat, kommt nicht in Betracht. Eine derartige analoge Anwendung hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 11.05.1981 (a.a.O.) mit folgender Begründung abgelehnt:
"Eine analoge Anwendung der in § 161 Abs. 2 VwGO enthaltenen Regelung für den Fall der Erledigung eines Rechtsstreits in der Hauptsache auf den von § 80 VwVfG erfaßten Bereich der Kosten des Vorverfahrens läßt sich ebenfalls nicht rechtfertigen. § 80 VwVfG regelt selbständig, in welchem Umfange aufgrund einer Kostenentscheidung im Vorverfahren gemäß § 72 und § 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO die dem Beteiligten entstandenen Kosten zu erstatten sind. Diese Bestimmung ist in das Verwaltungsverfahrensgesetz aufgenommen worden, nachdem der Große Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Beschluß vom 01.11.1965 (BVerwGE 22, 281 = NJW 1966, 563) entschieden hatte, daß sich aus der Verwaltungsgerichtsordnung keine unmittelbar oder entsprechend anzuwendende bundesrechtliche Regelung des Inhalts der Kostenentscheidung nach § 72 VwGO ergebe. Daran anknüpfend hatte der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts entschieden, auch im Fall der Ausführung von Bundesgesetzen durch Bundesbehörden sei die in den §§ 72 und 73 VwGO vorgeschriebene Kostenentscheidung materiell nicht durch eine entsprechende Anwendung der §§ 154 ff. VwGO auszufüllen (BVerwGE 40, 313). Das Bundesverfassungsgericht hat die Auslegung der Verwaltungsgerichtsordnung dahin, daß dem im sogenannten isolierten Vorverfahren erfolgreichen Widerspruchsführer nach diesem Gesetz ein Anspruch auf Erstattung seiner Kosten nicht zustehe, als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt (BVerwGE 27, 175).
Die in Kenntnis und gerade wegen dieser vielfach als unbefriedigend angesehenen Rechtslage in § 80 VwVfG getroffene Regelung der Erstattung von Kosten und Auslagen eines (ganz oder teilweise) erfolgreichen oder erfolglosen Widerspruchsverfahrens gestattet eine analoge Anwendung der Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung für die auch jetzt noch nicht geregelten Fälle der Erledigung eines Widerspruchsverfahrens nicht, denn eine im Wege der Analogie auszufüllende Gesetzeslücke liegt nach der Vorgeschichte dieser Bestimmung des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vor. Vielmehr muß angenommen werden, daß es sich um eine abschließende Regelung handelt, also der Gesetzgeber in Fällen der hier zu entscheidenden Art eine Kostenerstattung nicht vorsehen wollte.
Zwar bestehen zwischen der Erledigung im Rechtsstreit und im behördlichen Verfahren ohne Entscheidung in der Sache selbst Gemeinsamkeiten. Sie liegen etwa darin, daß in beiden Fällen die Entscheidung über die Richtigkeit eines Verwaltungsaktes offenbleiben kann, weil ein außerhalb des Verfahrens liegendes Ereignis hinzugetreten ist, und daß in beiden Fällen dem Bürger oft beträchtliche Aufwendungen entstanden sind.
Die geregelten Sachverhalte unterscheiden sich jedoch dadurch, daß sich im Widerspruchsverfahren lediglich die Beteiligten gegenüberstehen und keine dritte, unabhängige Instanz, nämlich das Gericht, zur Entscheidung berufen ist. Im gerichtlichen Verfahren entscheidet das Gericht nach seinem billigen Ermessen aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes. Es kann seine Entscheidung über die Kosten nach billigem Ermessen nur aufgrund einer Rechtmäßigkeitskontrolle (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) treffen, während die Widerspruchsbehörde auch die Zweckmäßigkeit der getroffenen Verwaltungsentscheidung zu überprüfen hat (§ 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Erledigung im gerichtlichen Verfahren und im verwaltungsbehördlichen Verfahren unterscheidet sich auch dadurch, daß im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich für beide Parteien Gerichtskosten und außergerichtliche Aufwendungen entstehen können, während im Widerspruchsverfahren die Behörde ihre Kosten nur dann geltend machen kann, wenn ein Gesetz dies zuläßt. Insgesamt ist aus den Unterschieden zwischen dem Verwaltungsverfahren und dem gerichtlichen Verfahren in Übereinstimmung mit dem bereits erwähnten Urteil des 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.08.1972 (BVerwGE 40, 313, insbesondere 317-319) zu entnehmen, daß die den §§ 154 ff. VwGO zugrundeliegende Interessenlage einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschriften auf die nach den §§ 72 Halbs. 2 und 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO zu treffende Kostenentscheidung entgegensteht. Hieran hat sich durch die in § 80 VwVfG getroffene selbständige Regelung der Kostenerstattung nichts geändert. Vielmehr muß davon ausgegangen werden, daß in dieser Vorschrift eine Erstattung von Rechtsanwaltskosten im Verwaltungsverfahren bei Erledigung in sonstiger Weise nicht vorgesehen werden sollte. Wegen Fehlens einer Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit ist eine Ergänzung des § 80 VwVfG im Wege einer analogen Anwendung des § 161 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen (so im Ergebnis auch Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 2. Aufl., § 47 III a. E.; Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 80 Rdnr. 16; Hahnenfeld, WPflG, § 19 Rdnr. 56; a. M.: Kopp, VwGO, 5. Aufl., § 73 Rdnr. 17)."
Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 05.09.1984 (DÖV 1985, 196) seine bisherige Rechtsprechung bestätigt. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Der andersartige Zweck der auf das gerichtliche Verfahren zugeschnittenen Regelung der §§ 154 ff. VwGO und die ihr zugrundeliegende Interessenlage schließen eine entsprechende Anwendung der §§ 154 ff. VwGO im Widerspruchsverfahren als einem Teil des Verwaltungsverfahrens aus.