Flurbereinigungsgericht Mannheim, Urteil vom 31.08.1983 - 7 S 1633/82 = RdL 1983 S. 295

Aktenzeichen 7 S 1633/82 Entscheidung Urteil Datum 31.08.1983
Gericht Flurbereinigungsgericht Mannheim Veröffentlichungen RdL 1983 S. 295  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Bei der Bewertung landwirtschaftlich genutzter Grundstücke ist ein Abweichen von dem am objektiven Nutzungswert orientierten Bewertungsmaßstab des § 28 Abs. 1 FlurbG nur möglich, wenn die den Tauschwert eines Grundstücks im Flurbereinigungsverfahren begründenden Eigenschaften im landwirtschaftlichen Nutzungswert nicht oder nicht wesentlich zum Ausdruck kommen.
2. Die Vorschriften der § 27 ff. FlurbG geben keine Handhabe, Planungsgewinne, die durch die Flurbereinigung möglich werden, im Wertermittlungsverfahren zugunsten von Eigentümern alter Grundstücke in Rechnung zu stellen.

Aus den Gründen

Allerdings ist der objektive Nutzungswert bei landwirtschaftlich genutzten Grundstücken nur im Regelfall maßgebend (§ 28 Abs. 1 Satz 1 FlurbG). Es bedarf jedoch keiner näheren Begründung, daß Ausnahmen nicht willkürlich gemacht werden dürfen, sondern von der Zweckbestimmung der hier einschlägigen gesetzlichen Vorschriften gedeckt sein müssen. Ein Abweichen von dem o. g. Bewertungsmaßstab ist daher dann möglich, sogar geboten, wenn die den Tauschwert eines Grundstücks im Flurbereinigungsverfahren begründenden Eigenschaften (vgl. § 44 Abs. 2 FlurbG) im landwirtschaftlichen Nutzungswert nicht oder nicht wesentlich zum Ausdruck kommen (BVerwG, Urt. v. 14.02.1963, RdL 63, 249 ff.). Dies gilt für Bau- oder Bauerwartungsland (vgl. § 29 FlurbG), aber auch beispielsweise für Grundstücke, die durch Bodenschätze o. ä. einen besonderen Verwertungswert haben. Für eine Regelabweichung nicht ausreichend ist es, wenn ein Grundstück durch lagebedingte, lediglich wertsteigernde Umstände einen höheren Marktwert erhält, erst recht nicht, wenn solche Umstände den Wert des Grundstücks nicht für jedermann, sondern nur für einzelne, etwa Eigentümer benachbarter Grundstücke, erhöhen. Darauf weist das Gesetz ausdrücklich hin, ebenso, daß die Entfernung von einem Wirtschaftshof oder von der Ortslage keine Rolle spielen darf.

Im vorliegenden Fall weicht die Bestimmung Ziff. III 1.) des Wertermittlungsrahmens vom 14.11.1977 rechtsfehlerhaft vom Bewertungsmaßstab des § 28 Abs. 1 FlurbG ab. Die hier strittige Teilfläche des Einl. Flst. 26 durfte nicht als "Fläche in unmittelbarer Ortsnähe" in Klasse I eingestuft werden. Im Hinblick auf diese Eigenschaft des Grundstücks durfte bei der Bewertung keine Ausnahme von dem gesetzlich vorgeschriebenen Regelfall gemacht werden.

Das Einl. Flst. 26 der Beigeladenen liegt in unmittelbarer Nähe der M.-Höfe, einer Splittersiedlung im Außenbereich. Das Grundstück ist unstreitig kein Bauland, auch kein Bauerwartungsland. Ein Grundstück ist nicht deshalb schon Bauerwartungsland für eine Hoferweiterung, weil es in der Nähe von Aussiedlerhöfen im Außenbereich liegt und als theoretische Möglichkeit wie jedes Grundstück im Außenbereich unter den Voraussetzungen des § 35 BBauG bebaubar ist. Dies ist von der Rechtsprechung geklärt (vgl. BVerwG, Bl. v. 08.08.1968, Buchholz 424.01 § 44 Nr. 13). In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß das Flst. 26 auch mit der vom Flurbereinigungsamt in Klasse I eingestuften Teilfläche nicht zur Hoffläche des Klägers hinzugerechnet werden kann. Es dient nicht dazu, die Betriebsführung dieses Hofes zu ermöglichen. Dies hat der Augenschein zweifelsfrei ergeben. Allein der Umstand, daß der Kläger als ehemaliger Besitzer des Grundstücks seinerzeit zur Vermeidung einer steilen Böschung oder einer Stützmauer im Rahmen seiner Hoferweiterung auch diese fremde Grundstücksfläche abgeflacht hat, macht sie noch nicht zur Hoffläche.

Das Grundstück ist auch nicht als "Schutzfläche" für einen Wirtschaftshof Land von besonderer Verwertbarkeit im Sinne der o. g. Grundsätze. Der Beklagte hat offengelassen, was hier durch solche Grundstücke in Ortsnähe geschützt werden muß. Es ist jedoch in der mündlichen Verhandlung deutlich geworden, daß die Flurbereinigungsbehörde bereits vorhandene Spekulationsinteressen einzelner Teilnehmer Rechnung tragen will. Im Rahmen einer wünschenswerten Dorferneuerung oder sich anbietender Hofarrondierungen erhalten bestimmte, noch in fremder Hand befindliche Flächen durch ihre Lage für einzelne Teilnehmer besonderen Wert. Es stößt auf Widerstand der "alten" Eigentümer, wenn dieser "Mehrwert" im Flurbereinigungsverfahren nicht vermarktet werden kann. Die Teilnehmer sind daher bestrebt, den Planungsgewinn, der im Flurbereinigungsverfahren erwartet wird, bereits bei der Bewertung der alten Grundstücke zumindest teilweise abzuschöpfen, soweit er durch den Einsatz ihrer Einlageflurstücke erzielbar erscheint. Dazu gibt aber das Wertermittlungsverfahren keine Handhabe. Solche sich insbesondere auf Lage und Entfernung vom Wirtschaftshof beziehenden wertbestimmenden Faktoren sollen im Gegenteil in die Ergebnisse der Wertermittlung nicht einfließen. Sie werden erst bei der Abfindung zusätzlich in die Gleichwertigkeitsprüfung mit einbezogen. Soweit in diesem Zusammenhang vorteilhafte Abfindungen möglich werden, sind sie dem privatnützigen Flurbereinigungsverfahren als solchem zu danken. Sie gehen nicht auf Kosten anderer Teilnehmer, die deshalb auch keinen Ausgleich für Vorteile anderer verlangen können.

Daß unter diesen Gesichtspunkten die strittige Fläche des Einl. Flst. 26 i. S. v. § 28 Abs. 1 FlurbG unzutreffend bewertet wurde, ist geradezu offenkundig. Es handelt sich um eine hängige Wiesenfläche mit über 14 % Neigung und einer vom Senat bei der Entnahme von Bodenproben ermittelten Bodenqualität, wie sie für Klasse V der Einteilung im Wertermittlungsrahmen beschrieben wird. Damit wird der Nutzungswert, den diese Fläche für die Beigeladenen und für jedermann bei gemeinüblicher ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hat, ausreichend gekennzeichnet. Die streitbefangene Fläche ist daher nach Ziff. II 4.) und - unter Berücksichtigung des Abschlags um 2 Klassen für die unstreitig mehr als 14 % betragende Hanglage - nach Ziff. III 2.) des Rahmens für die Wertermittlung vom 14.11.1977, der insoweit rechtlich nicht zu beanstanden ist, im Ergebnis in Klasse VII statt in Klasse I einzustufen.

Entgegen der Meinung des Beklagten ist der Senat durch § 27 Satz 2 FlurbG nicht gehindert, im vorliegenden Verfahren allein die angefochtene Bewertung des Einl. Flst. 26 zu ändern. Bei Anfechtung der Wertermittlung ist es nicht erforderlich, die Bewertung aller vergleichbaren Grundstücke zu überprüfen, denn die Änderung der Bewertung dieses einen Grundstücksteils wirkt sich lediglich auf das Verhältnis seines Wertes zu anderen in Beziehung gesetzten Grundstücken des Flurbereinigungsgebiets aus und läßt das Wertverhältnis der übrigen Grundstücke untereinander unberührt (vgl. BVerwG, Beschluß v. 03.12.1982, RdL 83, 15). Allerdings ist die Flurbereinigungsbehörde hier letztlich nicht gehindert, die Bewertungen, die auf der rechtsfehlerhaften Festlegung von Ziff. III 1.) des Wertermittlungsrahmens vom 14.11.1977 beruhen, entsprechend zu ändern.