Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.11.1983 - III ZR 127/82 = BGH 89, 69= RdL 1984 S. 152 WM 1984 S. 544
Aktenzeichen | III ZR 127/82 | Entscheidung | Urteil | Datum | 17.11.1983 |
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Gericht | Bundesgerichtshof | Veröffentlichungen | = BGH 89, 69 = RdL 1984 S. 152 WM 1984 S. 544 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Geldentschädigung, die für Nachteile einer vorläufigen Anordnung zu leisten ist, stellt sich seit der Neufassung der Nr. 3 und 6 des § 88 FlurbG durch das Gesetz zur Änderung des Flurbereinigungsgesetzes vom 15.03.1976 als Enteignungsentschädigung dar. |
2. | Die Entschädigung umfaßt nur den konkreten Nutzungsentgang. |
3. | Die Festsetzung der Geldentschädigung durch die Flurbereinigungsbehörde ist Sachurteilsvoraussetzung für den Rechtsstreit über die Höhe der Geldentschädigung. |
Aus den Gründen
Die Entschädigungsansprüche des Klägers zu 2) sind nach § 88 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 6 FlurbG zu beurteilen, und zwar in der Fassung, die diese Vorschriften durch Art. 1 Nr. 58 Buchst. a und e des Gesetzes zur Änderung des Flurbereinigungsgesetzes vom 15. März 1976 (BGBl. I S. 533) erhalten haben.
Danach kann im Flurbereinigungsverfahren nach § 87 FlurbG auf Antrag der für das Unternehmen zuständigen Behörde die Flurbereinigungsbehörde eine vorläufige Anordnung gemäß § 36 FlurbG erlassen. Die Anordnung kann mit Auflagen verbunden oder von Bedingungen, insbesondere von der Leistung einer Sicherheit, abhängig gemacht werden. Der Träger des Unternehmens hat für die den Beteiligten infolge der vorläufigen Anordnung entstandenen Nachteile Entschädigung in Geld zu leisten; dies gilt nicht, soweit die entstandenen Nachteile durch die vorläufige Bereitstellung von Ersatzflächen ausgeglichen werden. Die Entschädigung richtet sich nach dem für das Unternehmen geltenden Gesetz; sie ist in der von der Flurbereinigungsbehörde festgesetzten Höhe zu Händen der Teilnehmergemeinschaft zu zahlen.
§ 88 Nr. 3 FlurbG aF enthielt dagegen keine ausdrückliche Entschädigungsregelung für durch eine vorläufige Anordnung ausgelöste Nachteile. Die Bezugnahme auf § 36 FlurbG rechtfertigte jedoch nach allgemeiner Ansicht die Festsetzung eines angemessenen Härteausgleichs gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 durch die Flurbereinigungsbehörde. Dieser Härteausgleich - mochte er auch im Rahmen einer Unternehmensflurbereinigung festgesetzt worden sein - wurde nicht als Enteignungsentschädigung gewertet, über ihn hatten daher allein die Flurbereinigungsgerichte zu befinden (BVerwG RdL 1977, 66 ff.).
Hiervon abweichend ist durch die Neufassung des § 88 Nr. 3 und Nr. 6 FlurbG die Geldentschädigung, die für durch eine vorläufige Anordnung ausgelöste Nachteile gewährt wird, rechtlich als Enteignungsentschädigung ausgestaltet worden. Sie richtet sich nach dem für das Unternehmen geltenden Gesetz. Das ist stets ein Enteignungsgesetz (§ 87 FlurbG); hier ist es gemäß § 19 Abs. 5 FStrG das Hessische Enteignungsgesetz (HEG) vom 04. April 1973 (GVBl. 1973 I S. 107). Diese Entschädigung wird nicht - wie der Härteausgleich - von der Teilnehmergemeinschaft, sondern vom Träger des Unternehmens, dem von der Maßnahme Begünstigten, geschuldet (Quadflieg, Recht der Flurbereinigung, § 88 Nr. 36; Seehusen/Schwede FlurbG 3. Aufl. § 88 Rn. 4; offengelassen in BVerwG RdL 1977, 66).
Wegen der Höhe der Geldentschädigungen steht daher nach § 88 Nr. 7 Satz 1 FlurbG nur der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten nach dem für das Unternehmen geltenden Gesetz offen. Der Anspruch auf die Entschädigung für die von einem Teilnehmer aufgebrachte Fläche kann gerichtlich erst geltend gemacht werden, wenn die Landabfindungen aller Teilnehmer unanfechtbar feststehen (a.a.O. Satz 2). Das gilt jedoch nicht für den Entschädigungsanspruch nach § 88 Nr. 3 FlurbG, da es sich bei der Entschädigung für eine vorläufige Anordnung nicht um eine "Entschädigung für eine aufgebrachte Fläche" handelt (Quadflieg a.a.O. § 88 Rn. 130; OLG München AgrarR 1976, 265).
Bevor das ordentliche Gericht wegen der Höhe der Entschädigung für eine vorläufige Anordnung nach § 88 Nr. 3 FlurbG angerufen werden kann, muß die Flurbereinigungsbehörde die Entschädigung festgesetzt oder ihre Festsetzung abgelehnt haben.
Nach § 88 Nr. 3 Satz 4 und Nr. 6 Satz 2 FlurbG wird die Geldentschädigung nach Anhörung des Trägers des Unternehmens von der Flurbereinigungsbehörde festgesetzt. Die vorgängige Entscheidung der Flurbereinigungsbehörde stellt eine notwendige Sachurteilsvoraussetzung dar. Das Flurbereinigungsgesetz regelt die Aufgabenverteilung zwischen der Flurbereinigungsbehörde und den ordentlichen Gerichten für die Entscheidung über die Entschädigung abschließend und zwingend. Die Zuständigkeitsabgrenzung ist damit der Disposition der Beteiligten entzogen. Sie haben es nicht in der Hand, auf die Anrufung der Flurbereinigungsbehörde zu verzichten und unmittelbar das ordentliche Gericht anzurufen.
Das ist dem Sinn und Zweck der Entschädigungsregelung zu entnehmen. Danach ist Entschädigung in Geld nur zu leisten, soweit nicht die entstandenen Nachteile durch die vorläufige Bereitstellung von Ersatzflächen ausgeglichen werden. Die Beurteilung dieser Fragen muß aber zunächst der Flurbereinigungsbehörde vorbehalten bleiben. Sie kann das gesamte Verfahren überblicken. Durch sie soll eine über den Einzelfall hinausgehende, möglichst gleichmäßige Behandlung aller Beteiligten - wie sie der Regelung des § 87 FlurbG zugrunde liegt - gewährleistet werden (vgl. z. BBauG: Senatsurteil v. 18. Dezember 1975 - III ZR 128/73 = NJW 1976, 1264).
Im Streitfall fehlt es an der Festsetzung der Geldentschädigung durch die Flurbereinigungsbehörde.
In der vorläufigen Anordnung vom 15. August 1978 heißt es zwar: "Als Aufwuchsentschädigung für die auf den Grundstücken stehenden Pappeln und Obstbäume gelten die vom Landwirtschaftsamt R. und der Forsteinrichtungsanstalt G. ermittelten Wertberechnungen. Die Auszahlung der Aufwuchsentschädigung erfolgt durch das Hessische Straßenbauamt D. ..." Damit waren ersichtlich die den Parteien bekannten Berechnungen dieser Ämter vom 06. April 1978 und 09. Juni 1976 über insgesamt 1.785 DM gemeint. In dieser Bezugnahme kann aber nicht die Festsetzung einer Geldentschädigung gesehen werden. Ihr kann insbesondere nicht entnommen werden, daß und in welchem Umfang eine Geldentschädigung noch neben der vorläufigen Zuweisung der Ausgleichsflächen Flur 15 Nr. 92 und 93 gewährt werden sollte. Es liegt näher, in der Bezugnahme auf die Wertberechnungen lediglich Ermittlungen über den Zustand des in Anspruch genommenen Grundstücks zu erblicken (s. § 36 Abs. 2 FlurbG).
Demnach kann dem Kläger zu 2) wegen Fehlens einer vorgängigen Entscheidung der Flurbereinigungsbehörde eine Entschädigung nach § 88 Nr. 3 und 6 FlurbG nicht zugesprochen werden.
Abgesehen davon erweist sich das Entschädigungsbegehren auch noch aus einem weiteren Grund als nicht berechtigt. Der Kläger verlangt als Entschädigung den Wert der gefällten Bäume; er macht also, da die Bäume wesentlicher Bestandteil des von der Flurbereinigung betroffenen Grundstücks sind (BGH, Urt. v. 13. Mai 1975 - VI ZR 85/74 = NJW 1975, 2061), eine Substanzeinbuße seines Grundbesitzes geltend. Das aber ist im Rahmen einer Entschädigung nach § 88 Nr. 3 und 6 FlurbG nicht möglich. Sie ist auf den konkreten Nutzungsentgang beschränkt (Quadflieg a.a.O. § 88 Rn. 37; s. auch Marschall/Schröter/Kastner FStrG 4. Aufl. § 18 f. Rn. 5.1). Ein Substanzverlust ist anläßlich der endgültigen Zuweisung auszugleichen.