Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.06.1982 - III ZR 28/76 = AgrarR 1982 S. 298= RdL 1982 S. 237
Aktenzeichen | III ZR 28/76 | Entscheidung | Urteil | Datum | 03.06.1982 |
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Gericht | Bundesgerichtshof | Veröffentlichungen | = AgrarR 1982 S. 298 = RdL 1982 S. 237 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die zur Abwehr einer Gefährdung der öffentlichen Wasserversorgung ausgesprochene Versagung der wasserrechtlichen Erlaubnis (Bewilligung) zum Kiesabbau im Grundwasser greift nicht in eine durch die Eigentumsgarantie geschützte Rechtsposition des Grundeigentümers ein. Sie aktualisiert lediglich die im Wasserhaushaltsgesetz verwirklichte öffentlichrechtliche Benutzungsordnung und läßt - als Ausdruck einer zulässigen Bestimmung des Inhalts und der Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG - einen Anspruch auf Enteignungsentschädigung auch dann nicht entstehen, wenn im Einzelfall der Kiesabbau eine von der Natur der Sache her gegebene, naheliegende Möglichkeit der wirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks darstellt (Abweichung von BGHZ 60, 126). |
2. | Eine unter den vorstehenden Voraussetzungen ausgesprochene Versagung der wasserrechtlichen Erlaubnis (Bewilligung) zum Kiesabbau im Grundwasser stellt auch keinen enteignenden Eingriff in einen Gewerbebetrieb dar, der die Kiesbestandteile als Eigentümer oder als Pächter des Grundstücks entnehmen will. Das gilt auch für Gewerbebetriebe, die mit dem Kiesabbau bereits in der Zeit der Geltung des Preußischen Wassergesetzes 1913 begonnen hatten, denen aber kein tituliertes Recht auf eine Gewässerbenutzung zustand. |
Aus den Gründen
Art. 14 GG schützt den Eigentümer nur gegen Beeinträchtigungen, die ihn in einer Rechtsposition treffen. In dieser Weise rechtlich verfestigt sind nur solche Qualitätsmerkmale eines Grundstücks, die sich auf eine rechtlich zulässige (ausgeübte oder ausübbare) Nutzung des Grundstücks gründen können (vgl. Beschl. des Senats vom 13.07.1978 (NJW 1978, 2290 = DVBl. 1979, 58)). Eine derart rechtlich gesicherte Möglichkeit der Entnahme von Kies steht dem Grundeigentümer nicht zu, wenn er diese Entnahme nur im Rahmen einer nach dem Wasserhaushaltsgesetz zulassungspflichtigen Grundwasserbenutzung verwirklichen kann.
Wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 15.07.1981 (1 BvL 77/78 = BVerfGE 58, 300 = NJW 1982, 745 = DVBl. 1982, 340 = ZfBR 1982, 80) ausgesprochen hat, gehört es nicht zur verfassungsrechtlichen Rechtsstellung des Grundeigentümers, im Rahmen der Grundstücksnutzung auch auf das Grundwasser einzuwirken. Die entsprechende Regelung des Wasserhaushaltsgesetzes, die das Verhältnis von Grundwasser und Grundeigentum (öffentlich-rechtlich) bestimmt, stellt sich nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts als eine verfassungsrechtlich unbedenkliche gesetzliche Bestimmung des Inhalts und der Schranken des (Grund-)Eigentums dar. Eine auf § 6 WHG gestützte Versagung der Erlaubnis zur Grundwasserbenutzung im Rahmen einer Auskiesungsmaßnahme kann daher nicht als Administrativenteignung angesehen werden; sie aktualisiert lediglich die vom Gesetzgeber im Wasserhaushaltsgesetz dem Eigentümer bei der Ausübung seines Eigentumsrechts im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gezogenen Schranken (BVerfG, NJW 1982, 745, 749). Der erkennende Senat ist an diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gebunden (§ 31 BVerfGG).
Bei diesem verfassungsrechtlichen Verständnis des § 6 WHG und des darauf gegründeten Verwaltungsakts (Versagungsbescheids) stellte hier die Versagung der weiteren Auskiesung der Flurstücke 72 und 77 aus Gründen des Grundwasserschutzes keinen Eingriff in das durch Art. 14 GG geschützte Grundeigentum des Klägers dar. Das gilt auch, soweit er geltend macht, es sei dadurch enteignend in seinen Gewerbebetrieb eingegriffen worden. Dessen Schutz reicht nämlich nicht weiter als der Schutz, den seine wirtschaftliche Grundlage genießt (BVerfG, aaO, S. 753; Senatsurteil vom 17.02.1977 - III ZR 115/64 = NJW 1977, 945 = WM 1977, 561; BVerwG, Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 60).
Auch der Umstand, daß der Kläger seit dem Jahre 1936 ungehindert Kies abgebaut und zur Fortsetzung dieser Nutzung erhebliche Geldmittel investiert hat, führt nicht zu einer für ihn günstigeren Beurteilung.
Nach dem Preußischen Wassergesetz von 1913 stand dem Grundstückseigentümer allerdings grundsätzlich die Befugnis zu, beim Kiesabbau auf das unterirdische Wasser zuzugreifen (§§ 196 ff. PrWassG), falls nicht im Einzelfall aufgrund der polizeilichen Generalklausel wegen Gefährdung der öffentlichen Wasserversorgung eine Naßauskiesung unterbunden werden konnte (RGZ 163, 228, 230; PrOVG 85, 283). Diese Eigentümerbefugnis bildete indessen keine Rechtsposition, die für alle Zukunft uneingeschränkt erhalten bleiben mußte oder nur im Wege der Enteignung wieder entzogen werden durfte. Der Gesetzgeber kann bei der Neuordnung eines Rechtsgebietes im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auch bestehende individuelle Rechtspositionen in das neue Recht überleiten und dabei umgestalten, wenn Gründe vorliegen, die den Vorrang der neuen Rechtslage vor dem berechtigten Vertrauen auf den Fortbestand wohlerworbener Rechte verdienen (BVerfG, aaO, S. 753; BVerfGE 31, 275, 285; 36, 281, 293; 43, 242, 288). Derartige Gründe für eine zeitlich befristete Anpassung der alten wasserrechtlichen Eigentümerbenutzungen lagen vor.
Das Wasserhaushaltsgesetz hat die alten Wassernutzungen für die Zukunft allgemein der neuen öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung unterstellt und ihre Fortführung von einer Erlaubnis oder Bewilligung abhängig gemacht. Ausgenommen hiervon wurden die auf einem titulierten Recht beruhenden Gewässerbenutzungen, für die § 17 Abs. 2 WHG dem Inhaber einen Anspruch auf Bewilligung "im Umfang seines Rechts" einräumt. Dazu gehören jedoch nicht die nur aufgrund des Grundeigentums ausgeübten Gewässerbenutzungen (vgl. BVerwGE 20, 219, 221; 37, 103, 107; BVerwG, BayVBl. 1972, 244; s. auch Senatsurteil BGHZ 69, 1, 5 f.). Der eigentumsrechtliche Bestandsschutz solcher nichtprivilegierter alter Eigentümerbefugnisse gebot es nicht, dem Inhaber einen Anspruch auf Bewilligung oder einen Entschädigungsanspruch einzuräumen. Die Entscheidung des Gesetzgebers, auch die alten Eigentümerbenutzungen dem Erlaubnis- und Bewilligungsverfahren der öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung zu unterstellen, rechtfertigte sich aus dem Anliegen des Wasserhaushaltsgesetzes, für die Zukunft eine geordnete Bewirtschaftung des verfügbaren Wassers und eine Verminderung der für das Wasser bestehenden Gefahren sicherzustellen. Die hierfür gewählte Übergangsregelung hält sich in den durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen. Um bisher zulässige Grundstücksnutzungen, für die umfangreiche Investitionen erforderlich waren, nicht plötzlich und ohne Überleitung zu unterbinden, gab § 17 Abs. 1 Satz 1 WHG dem Berechtigten die Möglichkeit, die Benutzung noch fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes (01.03.1960, vgl. § 45 WHG vom 27.07.1957, BGBl. I S. 1110, in der Fassung des 1. Änderungsgesetzes vom 19.02.1959, BGBl. I S. 37) ohne Erlaubnis oder Bewilligung fortzusetzen. Diese Frist verlängerte sich, wenn vor Ablauf der fünf Jahre eine Erlaubnis oder Bewilligung beantragt wurde, bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Antrag (§ 17 Abs. 1 Satz 2 WHG). Diese Überleitungsregelung für Naßauskiesungen, die unter der Geltung des früheren Rechts begonnen wurde, trug den durch Art. 14 GG geschützten Belangen der betroffenen Grundeigentümer auch unter dem Blickwinkel des Bestandsschutzes angemessen und hinreichend Rechnung. Das gilt auch, soweit die neue Rechtslage auf bestehende Gewerbebetriebe einwirkte (BVerfG, NJW 1982, 753).
Hiernach stellte die Versagung weiteren Kiesabbaus für die Zeit ab Rechtskraft der Entscheidung über den Bewilligungsantrag keinen Eingriff in eine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition des Klägers als Pächter und Gewerbetreibender dar. Diese Versagung aktualisierte vielmehr lediglich die öffentlich-rechtliche Benutzungsordnung des Wasserhaushaltsgesetzes, die als zulässige Bestimmung des Inhalts und der Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Grundeigentümer die Nutzung des an sich nach wie vor zum Eigentum (§ 905 BGB) gehörenden Kiesvorkommens ohne Anspruch auf Entschädigung verwehrt, wenn sich diese Nutzung nur im Rahmen einer nach dem Wasserhaushaltsgesetz zulassungspflichtigen Grundwasserbenutzung verwirklichen läßt, jedoch wasserwirtschaftliche Gründe dem entgegenstehen (BVerfG, aaO, S. 749).