Flurbereinigungsgericht Lüneburg, Urteil vom 29.03.1979 - F OVG A 33/77

Aktenzeichen F OVG A 33/77 Entscheidung Urteil Datum 29.03.1979
Gericht Flurbereinigungsgericht Lüneburg Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Der von der Teilnehmergemeinschaft zu fassende Beschluß, Beiträge zur Deckung der durch die Ausbaumaßnahmen verursachten Verbindlichkeiten zu heben, ist ein Akt der Geschäftsführung des Vorstandes für die Teilnehmergemeinschaft im Sinne des § 25 Abs. 1 FlurbG.
2. Die Anordnung der Aufsichtsbehörde, in diesem Rahmen eine bestimmte Maßnahme zu treffen und die gleichzeitige Androhung der Ersatzvornahme für den Fall der Nichtbefolgung sind nicht lediglich eine interne Weisung, sondern greifen in eigene Rechte des Vorstandes als Organ der Teilnehmergemeinschaft ein und stellen sich ihr gegenüber als anfechtbarer, der gerichtlichen Nachprüfung unterliegender Verwaltungsakt dar.
3. Der Zeitpunkt, in dem eine Entscheidung nach § 88 Nr. 8 FlurbG zu treffen ist, steht im pflichtgemäßen Ermessen der Oberen Flurbereinigungsbehörde.

Aus den Gründen

Nach den Angaben des Beklagten sind bisher mehrere Millionen DM an Ausführungskosten im wesentlichen für den Wegebau entstanden. Aufgrund eines Beschlusses des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft vom 15. September 1975 sind von den Teilnehmern 0,80 DM je WE (3 % der Eigenleistungen zu den Ausführungskosten) = 72.573,-- DM als Vorschuß auf die Flurbereinigungsbeiträge für das Jahr 1975 gehoben worden. Um die Finanzierung der weiteren Maßnahmen nicht zu gefährden, hat der Beklagte die Klägerin wiederholt, u. a. in den Vorstandssitzungen vom 22. Juni und 16. Dezember 1976, vom 15. Februar, 2. März und 27. April 1977 zur Hebung von Vorschüssen auf die Beiträge zu den Ausführungskosten für das Jahr 1976 aufgefordert. Die Klägerin entsprach dieser Aufforderung nicht, weil sie davon ausging, die Kosten der bereits durchgeführten und noch durchzuführenden Maßnahmen seien insgesamt Folgemaßnahmen der Deichverstärkung und infolgedessen in vollem Umfang vom Lande bzw. vom Deichverband zu tragen.

Durch Bescheid vom 28. April 1977 forderte der Beklagte die Klägerin auf, für das Jahr 1976 Vorschüsse auf die baren Beiträge zu den Ausführungskosten in Höhe von 1,20 DM je WE der beitragsfähigen Verfahrensfläche zu heben und drohte zugleich für den Fall, daß dieser Anordnung nicht binnen zwei Wochen nachgekommen werde, insbesondere die Hebung nicht beschlossen werde, die Anwendung der Ersatzvornahme an. Da die Klägerin der Aufforderung nicht nachkam, ordnete der Beklagte am 13. Mai 1977 die sofortige Vollziehung seiner Entscheidung vom 28. April 1977 an.

Die Klägerin hat gegen den Bescheid vom 28. April 1977 Widerspruch eingelegt und zur Begründung ausgeführt, alle anfallenden Kosten seien allein vom Deichverband und nicht von den Teilnehmern des Flurbereinigungsverfahrens zu tragen. Der Beklagte habe es bisher widerrechtlich unterlassen, vom Träger des Unternehmens die benötigten Vorschüsse anzufordern.

Der Widerspruch wurde durch Bescheid der Oberen Flurbereinigungsbehörde vom 19. August 1977 zurückgewiesen. Gegen diesen der Klägerin am 23. August 1977 zugestellten Widerspruchsbescheid richtet sich ihre Anfechtungsklage, mit der sie unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens geltend macht: Auf einer Teilnehmerversammlung sei von den Verfahrensteilnehmern am 15. Februar 1977 die Hebung von Beitragsvorschüssen mit Rücksicht auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts S. vom 11. November 1976 abgelehnt worden. Aus dieser Entscheidung ergebe sich, daß der Verursacher aller im Rahmen der Flurbereinigung durchgeführten Ausbaumaßnahmen, nämlich der Deichverband N., für die Kosten der bisherigen und zukünftigen Baumaßnahmen aufzukommen habe. Bei dieser Sachlage sei keine Rechtsgrundlage für die Hebung von Beiträgen ersichtlich. Sie könne auch nicht dem Einleitungsbeschluß vom 9. November 1971 entnommen werden, weil dieser fehlerhaft sei. Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Flurbereinigungsbeschlusses ergäben sich insbesondere daraus, daß die im Planfeststellungsverfahren vom Deichverband ausgelegten Pläne keine eindeutige Darstellung der geplanten Flurbereinigungsmaßnahmen enthalten hätten. Deswegen sei auch die im Einleitungsbeschluß dargestellte Kostenverteilung unwirksam. Im übrigen seien die aus den Plänen ersichtlichen Baumaßnahmen später nicht vollständig in den Wege- und Gewässerplan übernommen worden. Entgegen den Angaben der Beklagten habe die Landbauaußenstelle die tragbare Belastung mit 34, -- DM/ha und nicht mit 39, -- DM/ha ermittelt. Die Hebung von Vorschüssen auf die Flurbereinigungsbeiträge sei ferner auch deswegen nicht rechtmäßig, weil die Verfahrensteilnehmer von der Möglichkeit Gebrauch machen könnten, ihren aus den fehlerhaften Baumaßnahmen herrührenden Schaden mit den Flurbereinigungsbeiträgen aufzurechnen. Schließlich sei es unzutreffend, daß der Eigenleistungsanteil noch nicht erbracht worden sei. Anstelle des vorgesehenen Eigenleistungsanteils von 20 % hätten sie bereits etwa 40 % der bisher angefallenen Ausbaukosten erbracht.

Die angefochtene Weisung des Beklagten, eine Vorschußhebung unter Berücksichtigung des von der Flurbereinigungsbehörde festgesetzten vorläufigen Beitragsmaßstabes zur Bestreitung der der Teilnehmergemeinschaft obliegenden Aufgaben zu beschließen, und die Anordnung der Ersatzvornahme für den Fall der Nichtbefolgung dieser Anordnung beinhalten gegenüber der Klägerin die Regelung eines Einzelfalles mit unmittelbarer Rechtswirkung. Der von der Klägerin zu fassende Beschluß, Beiträge zur Deckung der durch die Ausbaumaßnahmen verursachten Verbindlichkeiten zu heben, ist ein Akt der Geschäftsführung des Vorstandes für die Teilnehmergemeinschaft im Sinne des § 25 Absatz 1 FlurbG. Die Anordnung der Aufsichtsbehörde, in diesem Rahmen eine bestimmte Maßnahme zu treffen, und die gleichzeitige Androhung der Ersatzvornahme für den Fall der Nichtbefolgung sind nicht lediglich eine interne Weisung, sondern greifen in eigene Rechte des Vorstandes als Organ der Teilnehmergemeinschaft ein und stellen sich ihr gegenüber als anfechtbarer, der gerichtlichen Nachprüfung unterliegender Verwaltungsakt dar.

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die auf § 137 Absatz 2 FlurbG in Verbindung mit § 10 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes vom 27. April 1953 (BGBl I Seite 157) mit späteren Änderungen - VwVG - gestützte Anordnung vom 28. April 1977, eine Vorschußhebung für das Jahr 1976 in bestimmter Höhe zu beschließen, und die gleichzeitige Androhung der Ersatzvornahme für den Fall der Nichtbefolgung ist rechtmäßig.

Grundlage der Entscheidung des Beklagten vom 28. April 1977 ist § 137 Absatz 2 FlurbG. Nach dieser Bestimmung kann die Flurbereinigungsbehörde gegen die Teilnehmergemeinschaft oder - wie hier - gegen den Vorstand als ihr zur Geschäftsführung berufenes Organ mit den Zwangsmitteln der §§ 10 ff. VwVG vorgehen, wenn die Teilnehmergemeinschaft nicht im Einklang mit den Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes handelt (§ 17 Absatz 1 FlurbG). Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen ist der Beklagte zu Recht ausgegangen. Nach § 105 FlurbG fallen die zur Ausführung der Flurbereinigung erforderlichen Aufwendungen der Teilnehmergemeinschaft als Ausführungskosten zur Last, für die sie die Teilnehmer unter den in § 19 Absatz 1 FlurbG näher bestimmten Voraussetzungen zu Beiträgen und Vorschüssen heranziehen kann. Diese für alle Flurbereinigungsverfahren maßgebende gesetzliche Regelung gilt grundsätzlich auch für die nach den § 87 ff. FlurbG durchzuführenden besonderen Verfahren, die sog. Zweckflurbereinigungen, zu denen auch das Verfahren N. zählt. Grundlage dieses Verfahrens ist der unanfechtbar gewordene Beschluß des Niedersächsischen Landeskulturamtes vom 9. November 1971. Aus ihm ergibt sich, daß es u. a. Aufgabe der Flurbereinigung ist, die benötigten Wirtschaftswege herzustellen. Die dabei entstehenden Kosten sind deshalb nach den für die Finanzierung von Flurbereinigungsverfahren bestehenden allgemeinen Vorschriften aufzubringen. Nach den Richtlinien für die Förderung der Flurbereinigung muß die Eigenleistung einer Teilnehmergemeinschaft mindestens 20 v. H. der zuschußfähigen Ausführungskosten betragen. Diesen Anteil hat die Teilnehmergemeinschaft bisher nicht erbracht.

Ihrer Verpflichtung zur Beschlußfassung kann sich die Klägerin nicht dadurch entziehen, daß sie meint, die bereits durchgeführten und noch durchzuführenden Arbeiten seien Folgemaßnahmen der Deichverstärkung und infolgedessen nicht von den Mitgliedern der Teilnehmergemeinschaft zu finanzieren. Diese Auffassung läßt sich nicht mit der von der Klägerin in bezug genommenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts O. vom 11. November 1976 - I A 544/74 S - belegen. Der Klägerin ist bekannt, daß dieses Urteil einer berufungsgerichtlichen Nachprüfung unterlegen hat und der III. Senat in seiner Entscheidung vom 30. März 1978 (III OVG A 28/77) die Aufgaben des Deichverbandes N. eindeutig herausgestellt hat. Danach fallen die seit der Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens von der Flurbereinigungsbehörde durchgeführten und von der Landeskulturverwaltung finanzierten Ausbaumaßnahmen, insbesondere der Wirtschaftswegebau, nicht in den Aufgabenbereich des Deichverbandes. Lediglich zu den für diese Maßnahmen aufzubringenden Kosten soll aber die Hebung von Geldbeiträgen für 1976 beschlossen werden.

Die Klägerin kann beim derzeitigen Stand des Verfahrens auch keine Rechte daraus herleiten, daß bisher noch keine Entscheidung nach § 88 Nummer 8 FlurbG getroffen worden ist, eine Bestimmung, die bei Zweckflurbereinigungen die allgemeine Regelung des § 105 FlurbG modifiziert. Es bedarf auch keiner abschließenden Entscheidung, ob - wie der Beklagte meint - eine Festsetzung des vom Träger des Unternehmens, des Deichverbandes N., zu erbringenden Anteiles hier deshalb entbehrlich ist, weil eine Kostenverteilung in dem die Flurbereinigung anordnenden Beschluß selbst vorgenommen worden ist; das könnte möglicherweise hinsichtlich der unter Ziffer 3 beispielhaft aufgeführten Maßnahmen zweifelhaft sein. Um die Finanzierung von derartigen in diesem Absatz genannten Maßnahmen handelt es sich aber bisher nicht, wie die von dem Beklagten überreichten Unterlagen erkennen lassen. Hinzu kommt, daß der Zeitpunkt, in dem eine Entscheidung nach § 88 Nummer 8 FlurbG zu treffen ist, im pflichtgemäßen Ermessen der Oberen Flurbereinigungsbehörde steht. Die Bestimmung des Kostenanteils des Trägers des Unternehmens kann bei der Einleitung eines Flurbereinigungsverfahrens regelmäßig noch nicht erfolgen, weil in diesem Zeitpunkt noch nicht feststeht, welche Maßnahmen mit welchem Aufwand im einzelnen durchgeführt werden müssen, um den Verfahrenszweck zu erreichen. Die tatsächlichen Kosten und infolgedessen auch der vom Unternehmer zu zahlende Anteil lassen sich meist erst in einem späteren Zeitpunkt ermitteln.