Flurbereinigungsgericht Lüneburg, Urteil vom 12.10.1978 - F OVG A 44/77

Aktenzeichen F OVG A 44/77 Entscheidung Urteil Datum 12.10.1978
Gericht Flurbereinigungsgericht Lüneburg Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Der Anspruch auf wertgleiche Abfindung erfährt eine Einschränkung in den Fällen, in denen sich der Teilnehmer mit einer bestimmten Plangestaltung einverstanden erklärt hat.
2. In diesem Einverständnis liegt der Verzicht, die Abfindung wegen ihrer Lage, Form und Größe im Zeitpunkt der Planvorlage zu rügen.
3. Das Einverständnis braucht nicht ausdrücklich der Flurbereinigungsbehörde erklärt zu werden; es genügt, wenn es in einem privatrechtlichen Vertrag erteilt wird, an dessen Realisierung die Flurbereinigungsbehörde mitgewirkt hat.

Aus den Gründen

Die Kläger wenden sich als Teilnehmer am Flurbereinigungsverfahren gegen einen am 18. Mai 1977 vorgelegten Nachtrag I zum Flurbereinigungsplan. Durch ihn wird den Klägern für die von der Landgesellschaft durch Kaufvertrag vom 29. April 1974 erworbenen Flurstücke 83/10 und 83/14 teilweise der Flur 7 das Abfindungsflurstück 52 der Flur 24 zugeteilt.

Dem § 1 des notariellen Kaufvertrages vom 29. April 1974, der den Kaufgegenstand näher bezeichnet, sind in Absatz 1 folgende Sätze 2 und 3 angefügt:

"Nach Durchführung des Flurbereinigungsverfahrens wird an die Stelle der oben genannten Grundstücke die neue Fläche Gem. Flur 24 Flurstück 52 zur Größe von 0,4797 ha treten. Die Käufer treten mit dieser Maßgabe in die Rechte und Pflichten der Verkäuferin in das laufende Flurbereinigungsverfahren ein."

In § 16 des Kaufvertrages heißt es ferner:

"Die Käufer sind darauf hingewiesen worden, daß es laut Aussage des Amtes für Agrarstruktur als zuständige Flurbereinigungsbehörde vom 21.03.1974 nicht möglich ist, die Zukauffläche im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens an das Flurstück 47 (Hofstelle der Käufer) heranzulegen."

In dem am 22. Januar 1975 vorgelegten Flurbereinigungsplan wurde der Landgesellschaft an Stelle der Flurstücke 83/10 und 83/14 Flur 7 das Flurstück 52 Flur 24 zugeteilt, nachdem es ihr im Zeitpunkt des Kaufvertrages über die vorläufige Bezirkseinweisung bereits zum vorübergehenden Besitz und zur Nutzung überlassen worden war ...

Zur Begründung ihres Widerspruchs gegen den Nachtrag I zum Flurbereinigungsplan haben die Kläger vorgetragen: Das Abfindungsflurstück 52 der Flur 24 sei nicht wertgleich mit den von ihnen erworbenen Einlageflächen. Diese hätten im Bereich eines genehmigten Bebauungsplanes (Gewerbegebiet) gelegen, während das Abfindungsflurstück lediglich an das Gewerbegebiet angrenze und auch nicht als Bau- bzw. Industrieerwartungsland angesehen werden könne. Zur Herstellung einer wertgleichen Abfindung könnten ihnen nur diejenigen Flurstücke zugewiesen werden, die sie durch Kaufvertrag vom 29. April 1974 von der NLG erworben hätten.

Die Klage hat keinen Erfolg. Die Kläger haben sich mit der Abfindungsgestaltung hinsichtlich der Ihnen durch Plannachtrag I zugeteilten Abfindungsflurstücke 52 der Flur 24 verbindlich einverstanden erklärt.

Für die Bemessung der Abfindung eines Teilnehmers sind nach gesetzlicher Vorschrift außer dem Schätzungswert die in § 44 Absatz 2 bis 4 FlurbG bezeichneten wertbildenden Faktoren und demgemäß auch die Umstände maßgeblich, die auf die Verwertung eines Grundstücks wesentlichen Einfluß haben. Das trifft besonders auch auf Grundstücke zu, die in einem kommunalen Planungsgebiet liegen. Wenn demnach Baugrundstücke oder Grundstücke mit Baulandeigenschaft zu einem Flurbereinigungsverfahren zugezogen werden, dann ist der besondere über den rein landwirtschaftlichen hinausgehenden Wert dieser Grundstücke bei der Abfindung des betreffenden Teilnehmers zu berücksichtigen. Im anderen Fall wäre die Gleichwertigkeit von Altbesitz und Abfindung nicht gegeben. Grundsätzlich war daher die Flurbereinigungsbehörde verpflichtet, nach Eintragung der Kläger im Grundbuch - oder nach erfolgter Anmeldung des Erwerbs (§ 15 FlurbG) - ihnen als neuen Verfahrensteilnehmern für ihre erworbenen Altparzellen eine wertgleiche Abfindung gemäß § 44 FlurbG zu verschaffen.

Dieser Grundsatz erfährt jedoch eine Einschränkung in den Fällen, in denen sich der Teilnehmer mit einer bestimmten Plangestaltung einverstanden erklärt hat. Gegen eine derartige Planvereinbarung in einem Flurbereinigungsverfahren bestehen keine Bedenken. Wenn auch im Flurbereinigungsgesetz derartige Vereinbarungen ausdrücklich nur beim beschleunigten Zusammenlegungsverfahren vorgesehen sind (§ 99 FlurbG), so ist es aus allgemeinen rechtlichen Erwägungen ebenso im Flurbereinigungsverfahren statthaft, die Abfindung eines Beteiligten im ganzen oder nur bestimmte Abfindungsgrundstücke nach ihrer Lage, Form und Größe zu vereinbaren. An solche Vereinbarungen sind die Flurbereinigungsbehörde und die betreffenden Beteiligten gebunden, es sei denn, die Vereinbarung widerspräche den Zielen der Flurbereinigung oder den anerkannten Interessen der Beteiligten. Das ist jedoch hier nicht der Fall. Das Einverständnis der Kläger zur Plangestaltung, wie diese ihren Ausdruck im Nachtrag I zum Flurbereinigungsplan gefunden hat, ergibt sich aus dem § 1 des Kaufvertrages vom 19. April 1974. Darin heißt es ausdrücklich, daß an die Stelle der erworbenen Parzellen das Flurstück 52 zur Größe von 0,4797 ha treten wird. Mit dieser Maßgabe sind die Käufer in das laufende Flurbereinigungsverfahren eingetreten. Sie wußten also zu diesem Zeitpunkt, daß sie im Ergebnis das Flurstück 52 und nicht die im Kaufvertrag benannten Flurstücke erwerben würden. Das ergibt sich darüber hinaus auch eindeutig aus dem dem Senat vorliegenden Schriftwechsel zwischen der Verkäuferin und dem Käufer sowie auch aus der Aussage des Zeugen W., der glaubhaft und zur Überzeugung des Senats dargelegt hat, daß sich die Verkaufsgespräche ausschließlich auf das Abfindungsflurstück 52 bezogen haben und erstmalig während der notariellen Beurkundung des Kaufvertrages bestimmte Altflurstücke benannt worden sind, an deren Stelle das Abfindungsflurstück 52 treten sollte. Da ein notarieller Kaufvertrag über das erst bei der Vorlage des Flurbereinigungsplanes am 22. Januar 1975 existent gewordene Abfindungsflurstück 52 im Zeitpunkt des Kaufvertrages nicht möglich war, ließen sich die auf dieses Flurstück beziehenden Kaufvereinbarungen auch nur auf diesem Wege realisieren. Rechtliche Bedenken stehen dieser Handhabung mit Rücksicht auf § 15 FlurbG nicht entgegen. Wenn danach die Kläger das spätere Abfindungsflurstück 52 erwerben wollten und lediglich aus flurbereinigungstechnischen Gründen andere Altflurstücke, die auch hätten in einem größeren Abstand zum späteren Abfindungsflurstück 52 liegen können, im Kaufvertrag als Kaufobjekte benannt worden sind, steht außer Frage, daß die Kläger mit der Lage des Abfindungsflurstücks und damit der Abfindungsgestaltung von vornherein einverstanden waren, anderenfalls hätten sie bei der hier gegebenen Sachlage von dem beabsichtigten Ankauf des ihnen später auch als Abfindung zugeteilten Flurstücks 52 der Flur 24 Abstand genommen. In ihrem Einverständnis zur Plangestaltung liegt der Verzicht der Kläger, die ihnen durch Plannachtrag I zugeteilte Abfindung wegen ihrer Lage, Form und Größe im Zeitpunkt der Planvorlage zu rügen. Da die Flurbereinigungsbehörde an der Realisierung des Kaufvertrages durch Benennung der im Kaufvertrag näher bezeichneten Altflächen mitgewirkt hat, hält es der Senat für unschädlich, daß sich das Einverständnis der Kläger zur Abfindungsgestaltung in einem privatrechtlichen Vertrag zwischen den Parteien des hier vorliegenden Kaufvertrages befindet und nicht ausdrücklich gegenüber der Flurbereinigungsbehörde abgegeben wurde.