Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15.12.1977 - 5 C 46.76 = BVerwGE 55, 143
Aktenzeichen | 5 C 46.76 | Entscheidung | Urteil | Datum | 15.12.1977 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = BVerwGE 55, 143 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Abfindungsgrundstücken anhaftende dauernde Beeinträchtigungen, die eine beständige Minderung der Landnutzung bewirken oder einem sich dauernd auswirkenden Flächenentzug gleichzusetzen sind (z. B. Hochspannungsmast), sind in der Flurbereinigung grundsätzlich durch entsprechende Landabfindung zweckgerichtet auszugleichen, wenn der Einlage vergleichbare Beeinträchtigungen nicht anhaften. |
Aus den Gründen
Die Beanstandungen des Klägers gegen den Flurbereinigungsplan und die seine Abfindung regelnden Nachträge wurden bis auf den den Gegenstand dieses Verfahrens bildenden Streit um die Zuteilung des durch einen Hochspannungsmast beeinträchtigten Flurstücks 19 der Flur 15 ausgeräumt. Für den Hochspannungsmast auf dem vorgenannten Grundstück wurde im Plannachtrag IV eine Entschädigung von 2.247,18 DM festgesetzt.
Die Revision ist begründet, weil die Abfindung des Klägers wegen des auf dem Abfindungsflurstück 19 der Flur 15 befindlichen Hochspannungsmastes dauernd beeinträchtigt und damit nicht wertgleich ist. Zur Behebung dieses festgestellten Abfindungsmangels ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Flurbereinigungsgericht zurückzuverweisen.
Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts befindet sich auf dem Abfindungsflurstück 19 der Flur 15 der Hochspannungsgittermast Nummer 81 T, durch den eine Fläche von 200 qm einer rentablen landwirtschaftlichen Nutzung entzogen wird. Daraus ergibt sich nach den Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts eine Minderabfindung in Land gleichem Umfangs. Für diese dauernde Beeinträchtigung der Nutzung und Bewirtschaftung hat der Kläger einen entsprechenden Wertausgleich in Land jedoch nicht erhalten. Vom Kläger wird deshalb zu Recht gerügt, daß dadurch den Abfindungsgrundsätzen nach § 44 Absatz 1 FlurbG nicht voll Rechnung getragen wird.
Nach dem im Sachverhalt angeführten unbestrittenen Einlage-Abfindungsvergleich hat der Kläger rechnerisch eine seinem Abfindungsanspruch nach wertgleiche Zuweisung nach Hektarzahl und Werteinheiten erhalten, wobei die nicht angegriffene Ödlandvergrößerung vernachlässigt werden kann. Bei dieser Gegenüberstellung der Wertverhältnisse hat aber die aufgezeigte Minderung der Ackerfläche durch die dauernde Nutzungsbeeinträchtigung auf dem Flurstück 19 der Flur 15 bei der Landabfindung keine entsprechende Berücksichtigung gefunden.
Das ergibt sich schon daraus, daß für diese durch den Mast beeinträchtigte Fläche, und zwar erst auf Beschwerde des Klägers hin im Plannachtrag IV, eine Mast- und Überspannungsentschädigung von 2.247,18 DM festgesetzt wurde, deren Höhe nach den zwischen dem Landesverband des Niedersächsischen Landvolkes und den in Niedersachsen tätigen Elektrizitätsunternehmen getroffenen Vereinbarungen errechnet wurde.
Bestätigt wird dies durch die im Spruchstellenbescheid vom 1. Juli 1975 hierfür gegebene Begründung, in der zunächst darauf verwiesen wird, daß der Kläger eine sehr günstig gestaltete Abfindung erhalten habe. Wenngleich für die Mastaustrittsfläche, für den Ertragsausfall und die Bewirtschaftungserschwernis für eine begrenzte Fläche um den Mast herum und ferner für die Unkrautbekämpfung auf der Mastaustrittsfläche und der bewirtschaftungserschwerten Fläche im Flurbereinigungsverfahren grundsätzlich eine Abfindung in Land zu geben sei (Hinweis auf OVG Münster, Urteil vom 9. November 1971 in RzF - 34 - zu § 44 Abs. 2 FlurbG), sei im vorliegenden Fall anders verfahren und entsprechend der Handhabung der Elektrizitätsunternehmen eine Geldentschädigung gezahlt worden. Die Geldentschädigung sei hier deswegen angebracht, weil durch die Rekultivierung eines alten Feldweges und einer Sandentnahmestelle auf dem Flurstück 19, die beide in der Ödlandklasse eingestuft gewesen seien, Ackerboden entstanden sei, der zumindest den Wert der angrenzenden Bodenklasse A 20 habe, was dem Kläger zugute komme, einem Wert von 3,79 WE gleichzusetzen sei und, in Fläche ausgedrückt, 0,1895 ha der Ackerklasse 20 entspreche.
Dieser nachträglich gefundene Wertausgleich beruht jedoch auf einer lediglich hypothetischen Kompensation. Denn dabei wird übersehen, daß das Flurstück 19 nicht vom Kläger, der dadurch zwar eine vermehrte Ödlandabfindung erhalten hat, eingelegt wurde. Die nachträglich errechnete Wertverbesserung durch die vorgenommenen Rekultivierungsmaßnahmen auf diesem Abfindungsflurstück kann hier deswegen nicht in Ansatz gebracht werden, weil mangels der Voraussetzungen nach § 46 Satz 1 FlurbG hier nicht ein erhöhter Wert zugrunde gelegt werden darf. Zudem ist insoweit auch keine erneute Schätzung vorgenommen worden, deren Werte für die Abfindung des Klägers herangezogen werden dürften. Bei der Bemessung der grundsätzlich für erforderlich gehaltenen Landabfindung kann deshalb hinsichtlich des Flurstücks 19 nur von den Schätzwerten nach § 44 Absatz 1 Satz 2 FlurbG ausgegangen werden. Der danach tatsächlich verbliebene Mangel bei einer Abfindung in Land ist durch die Entscheidung des Flurbereinigungsgerichts rechtlich nicht vertretbar ausgeglichen. Zutreffend geht das Flurbereinigungsgericht zunächst davon aus, daß der Kläger keinen Anspruch darauf hat, bestimmte, von ihm begehrte Grundstücke zu erhalten (BVerwG in RdL 1959, 27). Daraus folgt, daß der Kläger auch nicht verlangen kann, mit bestimmten Grundstücken nicht abgefunden zu werden. Demzufolge ist dem Begehren des Klägers auf Ausweisung einer anderweitigen Abfindung unter Ausschluß des Flurstücks 19 vom Flurbereinigungsgericht zu Recht nicht entsprochen worden. Des weiteren wird vom Flurbereinigungsgericht zu Recht darauf abgestellt, daß nach dem Gebot der wertgleichen Abfindung für Landeinlagen grundsätzlich Landzuteilungen gegeben werden müssen (BVerwGE 8, 95). Nach Ansicht des Flurbereinigungsgerichts gilt dies auch für den vorliegenden Fall, weil dem Kläger durch den Hochspannungsmast auf dem Flurstück 19 ein dauernder Nachteil verbleibe, der eine Entschädigung in Land erfordere. Aber obgleich das Flurbereinigungsgericht nach der vorgenommenen Augenscheinseinnahme von einer dauernd verbleibenden Nutzungsbeeinträchtigung der gewährten Landabfindung ausgeht und hierfür eine entsprechende Entschädigung in Land nach den Abfindungsgrundsätzen für erforderlich hält (und in dem der Entscheidung beigegebenen Leitsatz auch besonders herausstellt), gelangt es durch eine ebenfalls an dem beanstandeten Abfindungsflurstück aufgezeigte Wertberechnung zu einer Werterhöhung von 3,79 Werteinheiten, die rechnerisch einer Größe von 0,1895 ha Land der Ackerklasse 20 entspreche. Diese Wertberechnung, die sich inhaltlich mit der rechtlich nicht vertretbaren nachträglichen Kompensationsvorstellung der Spruchstelle im Beschwerdebescheid deckt, kann der vom Flurbereinigungsgericht wegen der dauernden Beeinträchtigung für erforderlich erachteten Ausgleichsfunktion in Land nicht genügen. Dabei wird vom Flurbereinigungsgericht selbst darauf verwiesen, daß diese errechnete Werterhöhung in der Abfindungsberechnung keinen Niederschlag gefunden habe und deshalb als ein dem Kläger über den Abfindungsanspruch hinaus gewährter "Vorteil" zum Ausgleich der festgestellten Beeinträchtigung herangezogen werden dürfe.
Dieser rückblickend gebildete, aber ebenfalls nur fiktive Wertausgleich, als Landkompensation für die festgestellte dauernde Abfindungsbeeinträchtigung gedacht, steht rechtlich nicht in Übereinstimmung mit dem Abfindungsgebot nach § 44 Absatz 1 FlurbG. Danach ist jeder Teilnehmer für seine Einlagegrundstücke unter Berücksichtigung der nach § 47 FlurbG vorgenommenen Abzüge mit Land von gleichem Wert abzufinden, wobei für die Bemessung der Landabfindung die nach den § 27 bis § 33 FlurbG ermittelten Werte zugrunde zu legen sind, soweit nicht - was im vorliegenden Fall auszuschließen ist - eine Werterhöhung bei der Bemessung der Abfindung nach § 46 Satz 1 und 2 FlurbG vorgenommen werden kann.
Auf Abfindungsgrundstücken verbleibende dauernde Beeinträchtigungen (Beispiel: Hochspannungsmast), die eine beständige Minderung der Landnutzung bewirken oder einem sich dauernd auswirkenden Flächenentzug gleichzusetzen sind, sind in der Flurbereinigung grundsätzlich durch entsprechende Landabfindung zweckgerichtet auszugleichen, wenn der Einlage vergleichbare Beeinträchtigungen nicht anhaften.
Die zum Zwecke des Ausgleichs einer solchen dauernden Beeinträchtigung gewährte Landabfindung muß als solche entweder in den Flurbereinigungsplan oder Nachtrag aufgenommen oder aber durch eine entsprechende Vereinbarung oder auf sonstige Weise erkennbar gemacht werden. Derartige bleibende Substanzbeeinträchtigungen können deshalb nicht durch in rückschauender Betrachtungsweise errechnete oder nachträglich erkannte Gestaltungsvorteile kompensiert werden. Eine solche postkompensatorische Betrachtungsweise würde dem Grundsatz der Wertgleichheit von Gesamtabfindung und Einlage nicht gerecht werden können, weil die dauernde Beeinträchtigung eines Flurstückes, die in der Abfindung keinen zweckentsprechenden Ausgleich gefunden hat, sich auf die Gesamtabfindung auswirkt und bestehen bleibt, solange dem Ausgleichsanspruch nicht Genüge getan ist.
Um diesem Abfindungsmangel abzuhelfen, ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Flurbereinigungsgericht zurückzuverweisen. Dabei wird zu prüfen sein, inwieweit dem Anspruch des Klägers durch eine etwa vorhandene Planreserve an Land entsprochen werden kann oder ob hier nicht überhaupt doch unter den Voraussetzungen des § 44 Absatz 3 Satz 2 FlurbG eine Geldentschädigung im Rahmen der im Plannachtrag IV vorgesehenen Entschädigung unvermeidbar, angemessen und zumutbar ist.