Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 19.01.1977 - 3 C 33/76

Aktenzeichen 3 C 33/76 Entscheidung Urteil Datum 19.01.1977
Gericht Flurbereinigungsgericht Koblenz Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Zur Ermessensausübung der Flurbereinigungsbehörde bei Erlaß der vorzeitigen Ausführungsanordnung.
2. Ist die vorzeitige Ausführungsanordnung unzulänglich begründet, so können den Widerspruchsführern die Kosten des im Ergebnis erfolglosen Widerspruchsverfahrens nicht auferlegt werden.

Aus den Gründen

Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 63 Abs. 1 FlurbG - Abgabe der Widerspruchssachen an die Spruchstelle für Flurbereinigung; voraussichtlich erhebliche Nachteile bei längerem Aufschub der Planausführung - hat der Beklagte die Entscheidung auch im Rahmen des ihm eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens getroffen. Aus den Gründen der vorzeitigen Ausführungsanordnung vom 20.4.1976 ist zwar in keiner Weise ersichtlich, ob die Flurbereinigungsbehörde das ihr eingeräumte Ermessen überhaupt ausgeübt hat. In den knappen Gründen der Anordnung wird nämlich lediglich festgestellt, daß die "Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 FlurbG" gegeben seien. Eine solche Verfahrensweise entspricht nicht den Anforderungen, die an eine rechtlich einwandfreie Ermessensentscheidung zu stellen sind, wie noch auszuführen ist. Von der Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheides abgesehen wirkt sich dieser rechtliche Mangel für den Bestand der vorzeitigen Ausführungsanordnung jedoch im Ergebnis nicht aus. Ersichtlich hat nämlich die Bezirksregierung als Widerspruchsbehörde eine Abwägung der einzelnen Umstände vorgenommen und damit selbst eine Ermessensentscheidung im Sinne des § 63 Abs. 1 FlurbG getroffen. Hierzu ist sie berechtigt, da die Widerspruchsbehörde angefochtene Entscheidungen der Erstbehörde nicht nur auf ihre Rechtmäßigkeit, sondern auch auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen hat und damit das pflichtgemäße Ermessen selbständig und unabhängig von der Erstbehörde ausüben kann (Redeker-von Oertzen, VwGO, 5. Überarb. Aufl., Anm. 11 zu § 73 mit weiteren Nachweisen). Die Bezirksregierung hat zwar in ihre Entscheidung unter anderem die Erwägung mit einbezogen, daß der Umstand der fehlenden Verfügungsmöglichkeit über die Abfindungsgrundstücke zu "nachhaltigen Störungen in der Betriebswirtschaft und Arbeitswirtschaft" führen könnte. Diese Ausführungen hält der Senat nicht für haltbar, da bereits durch die zuvor erlassene vorläufige Besitzeinweisung die Nutzung der neuen Wirtschaftsstücke gewährleistet wird. Abgesehen von diesen fehlerhaften Ermessenserwägungen hat die Widerspruchsbehörde aber ihrer Entscheidung durchaus sachgerechte Gesichtspunkte zugrundegelegt. Der Senat hält es im übrigen für unschädlich, daß die Bezirksregierung in den Gründen ihres Bescheides auf Ermessenserwägungen der Flurbereinigungsbehörde verweist, die diese nach den Gründen in der vorzeitigen Ausführungsanordnung offensichtlich gar nicht angestellt hat. Bei verständiger Würdigung der Entscheidungsgründe kann aber davon ausgegangen werden, daß die Widerspruchsbehörde diese Ermessenserwägungen als maßgeblich angesehen und sie sich somit zu eigen gemacht hat. Eine Würdigung der Frage, ob die Kläger durch die vorzeitige Ausführungsanordnung in der Durchsetzung ihres vermeintlichen Abfindungsanspruches beeinträchtigt werden könnten, war im vorliegenden Fall bis ins einzelne nicht erforderlich, da sich für solche möglichen Nachteile keine Anhaltspunkte ergeben und die Kläger dazu auch nichts vorgetragen haben. Selbst wenn unterstellt wird, daß der bei der Spruchstelle für Flurbereinigung geltend gemachte Abfindungsanspruch begründet wäre, könnte damit nicht auch schon die Vereitelung dieses Anspruchs oder seine erschwerte Durchsetzung wegen der vorzeitigen Ausführungsanordnung bejaht werden. In § 63 Abs. 2 FlurbG wird ausdrücklich bestimmt, daß die im Rechtsmittelverfahren vorgenommenen Planänderungen in rechtlicher Hinsicht auf den in der vorläufigen Ausführungsanordnung festgesetzten Tag zurückwirken. Hinzu kommt, daß das gesetzliche Verbot nach § 34 FlurbG, Grundstücksveränderung in tatsächlicher Hinsicht vorzunehmen, bis zu dem Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des Zusammenlegungsplans Geltung hat. Damit wird es der Flurbereinigungsbehörde bis zum Abschluß des letzten Rechtsmittelverfahrens ermöglicht, solche Veränderungen im Verfahrensgebiet zu unterbinden, die den Abfindungsanspruch eines Prozeßbeteiligten vereiteln oder die Durchsetzung dieses Anspruchs wesentlich erschweren könnten.

Erfolg hat die Klage jedoch insoweit, als den Klägern die Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe von insgesamt 110,-- DM auferlegt worden sind. Wie bereits ausgeführt, hat die Flurbereinigungsbehörde in der Begründung der vorzeitigen Ausführungsanordnung lediglich festgestellt, daß die gesetzlichen Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 FlurbG vorlägen. Nicht dagegen hat sie zu erkennen gegeben, ob sie von dem ihr eingeräumten Ermessen überhaupt Gebrauch gemacht hat. Die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes, der im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens ergehen kann, setzt aber voraus, daß die Behörde - bei gegebenen gesetzlichen Voraussetzungen - das ihr eingeräumte Ermessen überhaupt ausübt (Redeker-von Oertzen, a.a.O., Anm. 9 zu § 114 mit weiteren Nachweisen). Ist eine Ermessensentscheidung erkennbar getroffen worden, so muß sie schriftlich oder zumindest mündlich begründet werden; denn aus der Entscheidung soll für den Betroffenen ersichtlich sein, warum die Behörde zu ihr gelangt ist, d. h. welche Tatsachen sie ihrer Ermessensentscheidung zugrundegelegt und welche Konsequenzen sie bei der Abwägung der einzelnen Umstände daraus gezogen hat (BVerwGE 11, 879; Redeker-von Oertzen, a.a.O., Anm. 18 zu § 114). Im vorliegenden Falle war es den Klägern nicht möglich, die der vorzeitigen Ausführungsanordnung zugrunde liegenden Ermessenserwägungen der Behörde zu erkennen, falls das Kulturamt sein Ermessen überhaupt ausgeübt hat. Daher hatten die Kläger begründete Veranlassung, gegen den erlassenen Verwaltungsakt im Rechtsmittelverfahren vorzugehen. Da der Mangel der unzulänglichen Begründung der vorzeitigen Ausführungsanordnung erst durch den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung geheilt wurde, können den Klägern in entsprechender Anwendung des § 155 Abs. 5 VwGO die Kosten des Vorverfahrens nicht angelastet werden.