Oberlandesgericht München, Urteil vom 30.03.1976 - 1 U 5432/75 = AgrarR 1976 S. 265
Aktenzeichen | 1 U 5432/75 | Entscheidung | Urteil | Datum | 30.03.1976 |
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Gericht | Oberlandesgericht München | Veröffentlichungen | = AgrarR 1976 S. 265 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die besondere Klagbarkeitsvoraussetzung in § 88 Nr. 7 Satz 2 FlurbG gilt nur hinsichtlich der Geldentschädigung für aufgebrachte Flächen nicht aber für sonstige Geldentschädigungen. |
Aus den Gründen
Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken.
1. Beim sog. Unternehmens-Flurbereinigungsverfahren (§ 87 FlurbG) ist bei einem Streit wegen der Höhe der Geldentschädigung der Rechtsweg zum ordentlichen Gericht gegeben (Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG, § 88 Nr. 7 Satz 1 FlurbG; vgl. zur Rechtswegfrage auch BVerwG RdL 70, 211 und AgrarR 73, 227).
2. Die besondere Klagbarkeitsvoraussetzung des § 88 Nr. 7 Satz 2 FlurbG, daß die Landabfindungen aller Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens rechtskräftig feststehen müssen, stand der Klageerhebung nicht entgegen.
a) Bei der Unternehmensflurbereinigung können drei Geldentschädigungsansprüche entstehen (die Änderung des § 88 FlurbG - BGBl I 1976 S. 547 - ist z. Zt. noch nicht in Kraft getreten, vgl. Art. 6 d. Ges. vom 15.3.1976 - BGBl I S. 533):
aa) für die von einem Teilnehmer aufgebrachte Fläche, die dem Träger des Unternehmens zu Eigentum zugeteilt wurde und für die er dem Teilnehmer eine Geldentschädigung zu leisten hat (§ 88 Nr. 4 Satz 4 FlurbG) und zwar ohne Zwischenschaltung der Teilnehmergemeinschaft (vgl. Seehusen / Schwede / Nebe, Flurbereinigungsgesetz § 88 Anm. 5);
bb) sonstige Entschädigungsansprüche des Teilnehmers (§ 88 Nr. 4 Satz 5 FlurbG), die ihm wegen besonderer Vermögensnachteile, z. B. wegen der Wertminderung des Restbesitzes zustehen (Seehusen / Schwede / Nebe a.a.O.) und die ebenfalls unmittelbar gegen den Träger des Unternehmens geltend gemacht werden können;
cc) für sonstige Nachteile (§ 88 Nr. 5 FlurbG), die nach den Vorschriften des allgemeinen Rechts oder des Enteignungsrechts, das für das Unternehmen gilt, zu entschädigen sind (Seehusen / Schwede / Nebe a.a.O. Anm. 6; Steuer Flurbereinigungsgesetz 2. Aufl. § 88 Anm. 18), wobei die Entschädigungen zu Händen der Teilnehmergemeinschaft zu zahlen sind (§ 88 Nr. 5 Satz 2 FlurbG).
Der Entschädigungstatbestand aa ) wird heute als Entschädigung für den Rechtsverlust bezeichnet (vgl. z. B. § 95 BBauG sowie Art. 10 BayEG; vgl. auch Art. V Nr. 1 ZAG); die Entschädigungstatbestände bb) und cc) werden unter der Bezeichnung Entschädigung für andere Vermögensnachteile zusammengefaßt (vgl. z. B. § 96 BBauG sowie Art. 11 BayEG; vgl. auch Art. V Nr. 2 ZAG).
Die Geldentschädigung, die dem Teilnehmer für die Bereitstellung von Land gewährt wird, ist eine Geldabfindung im Sinne des § 74 FlurbG (Seehusen / Schwede / Nebe a.a.O. Anm. 5).
b) Die besondere Klagbarkeitsvoraussetzung sollte nach dem Entwurf eines Gesetzes über die Flurbereinigung vom 22.12.1951 alle drei Entschädigungstatbestände umfassen. Der Entwurfs-§ 88 Nr. 8 sah folgende Fassung vor (BR-Drucksache Nr. 811/51):
Die Entscheidung über die Höhe der Geldabfindung und des Schadensersatzbetrages sowie der Geldentschädigung kann im ordentlichen Rechtsweg angefochten werden, wenn die Landabfindung rechtskräftig feststeht.
Die geltende Gesetzesfassung lautet in § 88 Nr. 7 Satz 1 FlurbG:
Der Anspruch auf die Geldentschädigung für die von einem Teilnehmer aufgebrachte Fläche kann gerichtlich erst geltend gemacht werden, wenn die Landabfindungen aller Teilnehmer rechtskräftig (ab 1.4.1976: unanfechtbar) feststehen.
Aus der Entstehungsgeschichte und dem klaren Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung ergibt sich, daß die besondere Klagbarkeitsvoraussetzung nur hinsichtlich der Geldentschädigung für die aufgebrachten Flächen (obiger Entschädigungsfall aa)), nicht aber für sonstige Geldentschädigungen nach § 88 Nr. 4 oder 5 FlurbG gilt (vgl. von Spreckelsen in Das Deutsche Bundesrecht IV B 10 Flurbereinigungsgesetz Anm. zu § 88 Nr. 7 - S. 60 -; Steuer a.a.O. § 88 Anm. 22).
§ 88 Nr. 7 Satz 2 FlurbG ist eine verfahrensrechtliche Ausnahmevorschrift, die nicht erweiternd dahingehend ausgelegt werden kann, daß für sämtliche Entschädigungsfälle des § 88 FlurbG die besondere Klagbarkeitsvoraussetzung gegeben sein müßte. Überdies war dem Gesetzgeber das Problem bekannt; er hat eine zeitliche Klagsperre nicht allgemein, sondern nur für den Fall der Geldentschädigung für die von einem Teilnehmer aufgebrachte Fläche gewollt. Ob die in Kraft getretene gesetzliche Regelung zweckmäßig ist, weil die Änderung der Landabfindungen im Laufe des Rechtsmittelverfahrens sich auch auf den Wertausgleich für die Neben- bzw. Folgeschäden auswirken könnte, war nicht zu prüfen.