Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 04.12.1975 - 92 XIII 73 = RdL 1976 S. 295= AgrarR 1976 S. 296

Aktenzeichen 92 XIII 73 Entscheidung Urteil Datum 04.12.1975
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen RdL 1976 S. 295 = AgrarR 1976 S. 296  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Ein besonderer Lagewert eines Einlagegrundstücks ist im Rahmen des § 44 Abs. 2 FlurbG nur zu berücksichtigen, wenn er sich aus der vorhandenen Bauleitplanung der Gemeinde ergibt oder - ausnahmsweise - aus der tatsächlichen baulichen Entwicklung beziehungsweise aus den Planungsabsichten der Gemeinde folgt.

Aus den Gründen

Ob ein Grundstück einen über den landwirtschaftlichen Nutzungswert hinausgehenden Verkehrswert hat, hängt von seiner durch die Lage bedingten Nutzungsfähigkeit ab. Einen besonderen Lagewert haben neben Baugrundstücken regelmäßig auch solche Grundstücke, mit deren Bebauung im Hinblick auf die wahrscheinliche bauliche Entwicklung des Gemeindegebiets erst in absehbarer Zeit zu rechnen ist (BVerwG, Urteil vom 15.10.1974, Agrarrecht 1975, 101 ff.).

Das Einlageflurstück 528/1 war weder ganz noch teilweise Bauland. Es lag weder im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 1 (für das Gebiet N. Nord-Ost) der Gemeinde N. noch innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile von N. Bei dieser Außenbereichslage (vgl. § 19 Abs. 2 BBauG) konnte es nicht als Baugrundstück behandelt werden.

Dem nördlich des neuen Weges 543 gelegenen Grundstücksteil kommt aber auch nicht deswegen ein besonderer Lagewert zu, weil mit seiner Bebauung in absehbarer Zeit zu rechnen wäre.

Die bauliche Entwicklung ihres Gebietes zu ordnen, ist Sache der zuständigen Gemeinde. Sie übt ihre Planungshoheit durch das Aufstellen von Bauleitplänen aus (vgl. §§ 1 und 2 BBauG). Wie sich das Gemeindegebiet künftig baulich entwickelt, ist daher grundsätzlich den vorhandenen Bauleitplänen zu entnehmen. Im vorliegenden Fall ist im Bereich des Einlageflurstücks 528/1 - sowie der Einlageflurstücke 565 und 577 - weder im Entwurf des Flächennutzungsplanes noch in den Entwürfen der Bebauungspläne II (Schule) und III (Süd) eine Bebauung vorgesehen. Es ist daher grundsätzlich davon auszugehen, daß diese Einlageflurstücke keinen besonderen Lagewert aufwiesen.

In Einzelfällen, insbesondere bei Fehlen einer gemeindlichen Bauleitplanung, kann jedoch ein besonderer Lagewert als Bauerwartungsland entstehen, wenn die tatsächliche bauliche Entwicklung im Gemeindegebiet der gemeindlichen Planung vorauseilt und diese präjudiziert oder wenn bestimmte Planungsabsichten der Gemeinde vorzeitig bekannt werden (vgl. BVerwG, a.a.O.). Ein solcher besonderer Lagewert kommt zwar dem südlichen Teil des Einlageflurstücks 528/1 zu; er endet jedoch am Weg Ersatzflurstück 543. Der besondere Wert der südlichen Teilfläche beruht dabei nicht auf einer präjudizierenden tatsächlichen baulichen Entwicklung - an einer solchen fehlt es hier -, sondern entstand durch den Gemeinderatsbeschluß vom 15.11.1971, in welchem die Grundstücke im Norden der Ortschaft als "Baureserveland" (künftiges Erweiterungsgebiet von N.) bezeichnet wurden. Die von der Beklagten vorgenommene Abgrenzung zwischen diesem "Baureserveland" und dem Land von rein landwirtschaftlichem Nutzungswert ist nicht zu beanstanden, da sie der gemeindlichen Vorstellung entspricht. Im angeführten Gemeinderatsbeschluß wurde nämlich ausdrücklich neben den Grundstücken im Norden der Ortschaft auch der Nordteil des Flurstücks 659 als "Baureserveland" bezeichnet, so daß als nördliche Abgrenzung nur eine Verlängerung der Nordgrenze des Einlageflurstücks 659 nach Osten in Betracht kam. Der Lagewert des südlichen Teils von Einlageflurstück 528/1 wurde bei der Abfindung des Klägers zutreffend dadurch berücksichtigt, daß diesem dort das 0,404 ha große Ersatzflurstück 530 zugeteilt wurde.

Entgegen der gemeindlichen Vorausplanung auch den Grundstücksteil nördlich des Weges Ersatzflurstück 543 als Land mit besonderem Lagewert zu behandeln, besteht keine Möglichkeit.

Es kann zwar nicht ausgeschlossen werden, daß in Zukunft auch nördlich des Weges 543 andere als nach § 35 BBauG privilegierte Bauvorhaben durchgeführt werden. Diese Möglichkeit ist jedoch in keiner Weise konkretisiert. Genauso wie nach Norden ist eine Ausdehnung der Ortschaft auch nach Westen oder Süden - soweit dort nicht das Wasserschutzgebiet Beschränkungen bringt - denkbar. Der Kläger hat selbst in seinem Beschwerdeschreiben vom 26.9.1972 vorgetragen, es sei anzunehmen, daß auch im Gebiet der Kr.-Straße in einem späteren Zeitraum Bauerwartungsland sich ergeben werde. Solch abstrakte Möglichkeiten haben bei der Gestaltung wertgleicher Abfindungen der Teilnehmer von Flurbereinigungsverfahren ebenso außer Betracht zu bleiben wie sonstige Spekulationsgesichtspunkte (vgl. BVerwGE 8, 343). Beachtlich ist ein besonderer Lagewert vielmehr - wie ausgeführt - nur, wenn er sich aus der vorhandenen Bauleitplanung der Gemeinde ergibt oder - ausnahmsweise - aus der tatsächlichen baulichen Entwicklung beziehungsweise aus den Planungsabsichten der Gemeinde folgt. Ist hiernach der nördlich des Weges 543 gelegene Teil des Einlageflurstücks 528/1 insgesamt zu Recht als landwirtschaftliche Nutzfläche behandelt worden, so gilt dies auch für die Teilfläche dieses Grundstücks in Bauplatztiefe entlang des neuen Weges. Selbst wenn der Bau des Weges 543 eine einreihige Bebauung entlang seiner Nordseite zur Folge haben sollte, ließe diese Werterhöhung den Abfindungsanspruch des Klägers unberührt, da die Werterhöhung durch eine Maßnahme der Flurbereinigung entstanden wäre und damit nicht zu Gunsten des Klägers berücksichtigt werden könnte (BVerwG, Urteil vom 17.4.1975, RdL 1975, 242).