Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.09.1975 - I C 38.74 = AgrarR 1975 S. 314= RdL 1975 S. 325
Aktenzeichen | I C 38.74 | Entscheidung | Urteil | Datum | 16.09.1975 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = AgrarR 1975 S. 314 = RdL 1975 S. 325 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz oder anderes Bundesrecht, wenn eine Prämie zur Förderung der langfristigen Verpachtung landwirtschaftlicher Betriebe nur unter der Voraussetzung gewährt wird, daß der Betrieb "nach objektiven Merkmalen" und erst in zweiter Linie aus subjektiven Gründen nicht landwirtschaftlich entwicklungsfähig ist. |
Aus den Gründen
Die Revision ist nicht begründet. Die Abweisung der Klage durch das Berufungsgericht verletzt nicht Bundesrecht.
Der vorliegende Rechtsstreit könnte zwar, wie der Prozeßbevollmächtigte des Klägers zu Recht ausgeführt hat, Anlaß geben zur Prüfung grundlegender Fragen des Subventionsrechts. Einer Stellungnahme des erkennenden Gerichts hierzu bedarf es indessen nicht, weil das angefochtene Urteil sich auch dann als richtig erweist, wenn man von dem für den Kläger günstigsten rechtlichen Ausgangspunkt ausgeht und die Bundesrichtlinien als gültiges Bundesrecht betrachtet.
Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Bundesrichtlinien lauten:
"Um das Angebot an langfristigem Pachtland, das für die Vergrößerung landwirtschaftlicher Betriebe benötigt wird, zu fördern, kann dem Verpächter zusätzlich zu dem von dem Pächter zu zahlenden Pachtzins eine einmalige Prämie aus Bundeshaushaltsmitteln (Kap. 1002 Tit. 882 13) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen gewährt werden:
1. Grundsatz
.....................
1.6 Dem Verpächter kann eine Prämie (Beihilfe) in Höhe von 500,-- DM (1500,-- DM bei mehrjährigen Sonderkulturen) je Hektar gewährt werden. Ein Rechtsanspruch auf Zahlung der Prämie besteht nicht.
...............................
2. Voraussetzungen
...............................
2.4 Der landwirtschaftliche (und forstwirtschaftliche) Betrieb des Verpächters darf nicht landwirtschaftlich entwicklungsfähig sein und nach der Verpachtung nur noch mit einer Veredlungsproduktion geführt werden, die den Eigenbedarf nicht übersteigt.
....................
4. Verfahren
4.1 Der Antrag auf Bewilligung einer Prämie ist bei der von der Obersten Landesbehörde für Landwirtschaft bestimmten Behörde einzureichen.
4.2 Die Oberste Landesbehörde für Landwirtschaft erläßt die erforderlichen Durchführungsbestimmungen, insbesondere darüber, welche Unterlagen dem Antrag beizufügen sind.
........."
Diese Vorschriften wurden nach § 5 Abs. 1 des Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1969 vom 18.4.1969 (BGBl II S. 793) zu Kap. 1002 Tit. 882 13 des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1969 erlassen. In diesem Haushaltstitel (und den gleichen der folgenden Bundeshaushaltspläne) wurden Mittel zur Verbesserung der Agrarstruktur bereitgestellt mit der Zweckbestimmung "Zuweisungen für besondere agrarstrukturelle Maßnahmen". Damit sollte, wie in den Erläuterungen ausgeführt ist, die langfristige Verpachtung kleinerer landwirtschaftlicher Betriebe durch Zuschüsse nach Maßgabe besonderer Richtlinien gefördert werden.
Wenn nach den Bundesrichtlinien eine Prämie nur unter der Voraussetzung gewährt werden durfte, daß der landwirtschaftliche Betrieb "nicht landwirtschaftlich entwicklungsfähig" war, so entspricht diese Regelung den im Bundeshaushaltsplan zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen des Gesetzgebers. Der Umstand, daß dieser Begriff - wie zahlreiche unbestimmte Gesetzesbegriffe - zunächst zu Auslegungsschwierigkeiten in der Verwaltung geführt hat und teilweise verschieden angewandt wurde, bedeutet nicht, daß ihm die rechtsstaatlich erforderliche Bestimmtheit fehlt. Wie andere normative Tatbestandsmerkmale ist auch dieser Begriff auslegungsbedürftig und auslegungsfähig. Hierbei sind der Bundeshaushaltsplan und dessen Erläuterungen zu berücksichtigen.
Die Auffassung des schleswig-holsteinischen Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in seinem Erlaß vom 26.6.1970 an die Kulturämter und Kreislandwirtschaftsbehörden, daß "die Prüfung zur landwirtschaftlichen Entwicklungsfähigkeit des Betriebes (Nr. 2.4 der BML-Richtlinien) ... nach objektiven Merkmalen zu erfolgen" habe und "subjektive Gegebenheiten ... erst in zweiter Linie zu berücksichtigen" seien, entspricht dem Sinn und Zweck der haushaltsrechtlichen Ermächtigung zur Prämiengewährung und folgt ohne weiteres auch daraus, daß nach den Bundesrichtlinien "der landwirtschaftliche Betrieb" nicht entwicklungsfähig sein darf. Dem Vorbringen der Revision, zwischen subjektiven und objektiven Beurteilungskriterien lasse sich nicht hinreichend unterscheiden, ist, wie der Oberbundesanwalt überzeugend ausgeführt hat, nicht zu folgen. Dem Oberbundesanwalt ist insbesondere darin zuzustimmen, daß nach der sprachlichen Auslegung und der Zweckbestimmung des Haushaltstitels Überschuldung nicht immer ein "objektiver" oder ein "subjektiver" Grund für das Fehlen der landwirtschaftlichen Entwicklungsfähigkeit eines Betriebes sein muß: War die Überschuldung eine Folge der objektiven Entwicklungsunfähigkeit des Betriebes, so beruhte der Mangel der Entwicklungsfähigkeit auf objektiven Gegebenheiten; war der landwirtschaftliche Betrieb dagegen nach seinen objektiven Merkmalen ("an sich", "bei unterstellter Schuldenfreiheit") entwicklungsfähig, so war er nicht deshalb als nicht entwicklungsfähig zu betrachten, weil der Besitzer überschuldet war. Dieser auch dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Maßstab ist sachgerecht, jedenfalls nicht in einem solchen Maße sachwidrig, daß Art. 3 Abs. 1 GG verletzt wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Mittel für die Gewährung von Prämien nicht unbeschränkt waren und daher sowohl aus haushaltsrechtlichen Gründen als auch im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz die Voraussetzungen für die Prämiengewährung möglichst in der Weise festgelegt werden mußten, daß Antragsteller, welche die Voraussetzungen erfüllten, nicht wegen Erschöpfung der bereitgestellten Haushaltsmittel abgewiesen werden mußten. Sollte auch unter Berücksichtigung der genannten Abgrenzungskriterien in einzelnen Fällen die richtige Anwendung der Bundesrichtlinien zweifelhaft gewesen sein, so wäre damit die Untauglichkeit und Rechtsstaatswidrigkeit des Begriffes "nicht landwirtschaftlich entwicklungsfähig" in dem vom Berufungsgericht und vom Beklagten verstandenen Sinne nicht dargetan.
Der Beklagte hat die Bundesrichtlinien entsprechend dem o. g. Erlaß des schleswig-holsteinischen Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 26.6.1970 angewandt. Er ist damit von einem Teil der früheren Verwaltungspraxis im Lande Schleswig-Holstein abgewichen. Nach den für das Bundesverwaltungsgericht verbindlichen Feststellungen des Berufungsgerichts wurde vor Ergehen dieses Erlasses in einzelnen Fällen eine Prämie auch für die Verpachtung von Betrieben gewährt, die überwiegend aus subjektiven Gründen nicht landwirtschaftlich entwicklungsfähig waren. Diese Praxis sollte durch den Erlaß abgestellt werden. Die damit bewirkte teilweise Änderung der Anwendung der Bundesrichtlinien ist als solche nicht zu beanstanden. Wenn festgestellt wurde, daß die Verwaltungsbehörden des Landes die Bundesrichtlinien infolge unzutreffender Auslegung des Begriffes "nicht landwirtschaftlich entwicklungsfähig" nicht immer richtig angewandt hatten, war es das Recht und die Pflicht des Ministers, darauf hinzuwirken, daß die Bundesrichtlinien entsprechend den inzwischen gewonnenen Erfahrungen und rechtlichen Erkenntnissen einheitlich angewandt wurden. Daß die Verwaltung den Erlaß in einzelnen Fällen nicht beachtet hat, ist im angefochtenen Urteil nicht festgestellt. Daher muß im vorliegenden Rechtsstreit davon ausgegangen werden, daß der vorgeschriebene Maßstab an alle nach dem 26.6.1970 bei den Kreislandwirtschaftsbehörden eingegangenen Anträge auf Prämiengewährung angelegt wurde. Unter diesen Umständen ist das Berufungsgericht ohne Verletzung von Bundesrecht zu dem Ergebnis gelangt, daß die Ablehnung des Antrags des Klägers weder Art. 3 Abs. 1 GG noch den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzt. Da der Kläger den Pachtvertrag erst am 8.10.1970 geschlossen und demgemäß die Prämie während der Geltung des Erlasses vom 26.6.1970 beantragt hat, brauchte der Beklagte ihm gegenüber nicht zur früheren, inzwischen aufgegebenen Verwaltungspraxis zurückzukehren. Sonst hätte er gerade dadurch im Vergleich zu anderen Antragstellern den Gleichheitsgrundsatz verletzt.
Die vom Kläger erwähnte neue Fassung der Vergaberichtlinien vom 29.3.1974 (Amtsbl. Schl.-H. S. 614) rechtfertigt nicht die Annahme, daß die strittigen Bescheide gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Die neuen Vorschriften erfolgten wegen Änderung der Rechtslage, wie der Oberbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat.