Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 21.03.1973 - 75 XIII 71 = AgrarR 1973 S. 400

Aktenzeichen 75 XIII 71 Entscheidung Urteil Datum 21.03.1973
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen AgrarR 1973 S. 400  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Zur Angemessenheit der Geldabfindung für Obstbäume.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet, da der dem Kläger für eingelegte Obstbäume zuerkannte Abfindungsbetrag angemessen ist: Der gesetzliche Abfindungsanspruch des § 50 Abs. 2 FlurbG gewährt dem bisherigen Eigentümer für abgegebene, unverpflanzbare und nicht abgängige Obstbäume eine Geldabfindung, die unter Zugrundelegung des nach § 28 Abs. 2 FlurbG besonders geschätzten Wertes angemessen sein muß (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 FlurbG). Welche Umstände den Begriff der Angemessenheit bestimmen, kann nur mittelbar dem Gesetz entnommen werden. Die Verweisung auf eine besondere Schätzung, deren Wert der Geldabfindung zugrundzulegen ist, sagt nichts darüber aus, welche Bewertungsmerkmale für diese Schätzung maßgebend sind. Daß anerkannte Schätzmethoden wie z.B. die von Christ-Junge oder Kemmer-Reinhold auch bei der Schätzung nach § 28 Abs. 2 FlurbG Verwendung finden können, steht außer Frage. Es ist jedoch nicht zu übersehen, daß diese Methoden für Wertfeststellungen entwickelt worden sind, deren Brauchbarkeit sich bei Enteignungsentschädigungen und Schadenersatzfällen erweisen müssen, und damit schon nach Grundlage, Art und Umfang anders geartet und weitergehend sind. Der Begriff der angemessenen Entschädigung nach § 54 Abs. 1 Satz 1 FlurbG schöpft aus anderen Sachzusammenhängen. Sowohl die Enteignungsentschädigung, deren Wertmaßstab auf der Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten gründet (§ 14 Abs. 3 Satz 3 Grundgesetz), aber auch der zivilrechtliche Schadenersatzbegriff des § 249 BGB, der grundsätzlich auf Naturalherstellung und auf den vollen Schadensausgleich gerichtet ist, haben trotz ihrer differenzierten Ausgangslage und auch ihres unterschiedlichen Ausmaßes der Entschädigung (vgl. BVerfG 24, 420 f.) gemeinsam, daß der Eingriff eines Fremdinteresses zu Lasten des Eigentümers geschieht.

Diese Wertfeststellungsmethoden lassen die weitgehend anders gearteten Gegebenheiten der Flurbereinigung und ihrer rechtlichen Grundlagen außer acht: So ist ein nicht zu übersehendes Unterscheidungsmerkmal das Eigeninteresse des Teilnehmers an den Neugestaltungsmaßnahmen und seine Mitwirkungspflicht im Verband der Gesamtheit der Teilnehmer zum eigenen Nutzen (vgl. § 2 Abs. 2, § 4 FlurbG), aber auch das Prinzip der wertgleichen Landabfindung oder die Beitragspflicht der Teilnehmer für Zahlungsverpflichtungen der Teilnehmergemeinschaft, die für die Geldausgleiche aufzukommen hat, zeigen andere Sachbezüge. Auch der häufig für den Erfolg der Flurbereinigung bestimmende Gesichtspunkt der wohlabgewogenen Gesamtwirtschaftlichkeit von Boden und seinen Früchten kann Bewertungsmaßstäbe rechtfertigen, die sich vom Ergebnis her deutlich von den anerkannten Schätzmethoden abheben, die nur auf den Baum und weniger auf seine Bedeutung im Rahmen der betriebswirtschaftlich sinnvollen Bodennutzung abstellen.

Die unveränderte Übernahme von Schätzungsmethoden, die für andere Wertfeststellungen entwickelt sind, kann daher auch zu unangemessenen, weil zu hohen Ergebnissen führen. So sind all die Schätzmethoden, die den Ertragswert eines Obstbaumes aus der vollen Zeit des noch zu erwartenden Hauptertrages berechnen (so Kemmer-Reinhold, Die Wertabschätzung im Obstbau, 3. Aufl. S. 99), dann ungeeignet, wenn der Eigentümer im Zuge seiner ihm obliegenden Umstellungsmaßnahmen auf seinen neuen Grundstücken in wesentlich kürzerer Zeit neue Anlagen mit höheren Erträgen erreichen kann.

Es ist deshalb grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn im Flurbereinigungsverfahren T. II die ersichtlich nach anerkannten Schätzmethoden festgestellte Punktbewertung - die der Kläger als Grundlage fordert - eine auf das Flurbereinigungsverfahren abgestimmte Korrektur erfahren hat, deren Korrektiv sowohl in der Abstimmung des Nutzwertes je ha von Weinberganlagen zu Obstanlagen als auch in der Überlegung begründet ist, dem Teilnehmer durch eine Reinertragsentschädigung den Ausfall bis zur Inbetriebnahme einer den gleichen Ertrag erbringenden Anlage zu erstatten. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob diese Methode über Obstanlagen hinaus (z.B. bei Streuobstanlagen) sinnvoll und geeignet ist, oder sich allgemein empfiehlt; auf die Anlage des Klägers bezogen erbringt sie jedenfalls vollauf genügende Ergebnisse.

Nach Auffassung des Senats ist die von der Beklagten angewandte Berechnungsmethode geeignet, sogar einen vollen Wertausgleich herbeizuführen, wenn die Sachaufwendungen (Anpflanzkosten) für eine den Ertragswert der alten Obstbäume entsprechenden Ersatzpflanzung und der Reinertragsausfall (Rohertrag der abgegebenen Anlage abzüglich der für diese Anlage erforderlichen Aufwendungen) erstattet wird, und zwar solange, bis die neue Anlage den Vollertrag erreicht. Wegen der nach dem Gesetz dem Teilnehmer auferlegten, grundsätzlich nicht zu entschädigenden Umstellungsarbeiten (vgl. § 51 FlurbG) und Mitwirkungspflicht, kann der Arbeitsaufwand für die Neuerstellung der Anlage grundsätzlich unberücksichtigt bleiben und der frühestmögliche Zeitpunkt für die Erstellung einer wirtschaftlich sinnvollen Anlage mit schnellwüchsigen Bäumen zugrundegelegt werden. Bei der Feststellung des Reinertragsausfalles ist auch nicht auf die persönlichen Verhältnisse des Teilnehmers abzustellen; dies führte zu völlig ungerechtfertigten Wertverzerrungen. Es ist durch nichts begründet, den Hobbypflanzer bei der Abgabe seiner Anlage besser zu stellen als den Erwerbsobstbauern. Nach den Vorschriften des Flurbereinigungsrechts sind nur objektive Maßstäbe maßgebend; ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse bleiben unberücksichtigt (vgl. § 28 Abs. 1, § 29 Abs. 2 FlurbG). Eine nach diesen Grundsätzen vorgenommene Abfindung genügt den gesetzlichen Erfordernissen eines angemessenen Geldausgleiches auch dann noch, wenn ein entsprechender Wertabschlag für den Wertvorteil einer neuen Anlage gegenüber einer alten vorgenommen wird.