Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.06.1972 - V C 1.72 = BVerwGE 40, 143= Buchholz BVerwG 424.01 § 49 FlurbG Nr. 2= AgrarR 1972 S. 469= RdL 1972 S. 296

Aktenzeichen V C 1.72 Entscheidung Urteil Datum 14.06.1972
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen BVerwGE 40, 143 = Buchholz BVerwG 424.01 § 49 FlurbG Nr. 2 = AgrarR 1972 S. 469 = RdL 1972 S. 296  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Über die Frage, welche jagdrechtlichen Folgen sich aus dem Umstand ergehen, daß ein Teilnehmer im Flurbereinigungsverfahren eine zusammenhängende Grundfläche erhält, die für sich allein oder zusammen mit seinem übrigen Grundbesitz die in § 7 Abs. 1 BJagdG vorgeschriebene Mindestgröße für die Entstehung eines Eigenjagdbezirks erreicht, hat in der Regel die Jagdbehörde zu befinden. Ein Eingriffsrecht der Flurbereinigungsbehörde nach § 37 Abs. 2, § 49 Abs. 1 FlurbG kommt nur in Betracht, wenn es der Zweck der Flurbereinigung erfordert.

Aus den Gründen

Das Flurbereinigungsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Mit seinem Antrag, die ihm in den Flurbereinigungsverfahren M. und R. zugewiesenen Abfindungsgrundstücke aus den gemeinschaftlichen Jagdbezirken M. und R., zu denen sie bisher gehören, zu lösen und ihm die Ausübung der Jagd bereits vor Beendigung der zur Zeit laufenden Jagdpachtverträge zu ermöglichen, kann der Kläger in dem vorliegenden Verfahren nicht durchdringen. Dabei bedarf es allerdings keiner Erörterung der von dem Flurbereinigungsgericht entschiedenen Frage, welche jagdrechtlichen Folgerungen sich daraus ergeben, daß die dem Kläger zugeteilten Abfindungsgrundstücke zusammen mit seinem auf dem Gebiet des Landes R.-P. gelegenen sonstigen Grundbesitz die in § 7 Abs. 1 des Bundesjagdgesetzes - BJagdG - vorgeschriebene Mindestgröße für die Entstehung eines Eigenjagdbezirks erreichen. Der Antrag des Klägers muß schon deswegen ohne Erfolg bleiben, weil es nicht zu den Aufgaben der Flurbereinigung gehört, die jagdrechtlichen Verhältnisse zwischen dem Kläger und den beigeladenen Jagdgenossenschaften sowie den Jagdpächtern neu zu ordnen.

Ziel und Aufgabe der Flurbereinigung ergeben sich aus § 1 FlurbG, der den Begriff der Flurbereinigung festlegt und damit den Umfang und die Grenzen der behördlichen Tätigkeit umschreibt. Ziel der Flurbereinigung ist danach die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung und der allgemeinen Landeskultur. Als geeignete Mittel zur Erfüllung dieses Auftrages bezeichnet das Gesetz die wirtschaftliche Verbesserung der im Flurbereinigungsgebiet liegenden Grundstücke, die Zusammenlegung und Neugestaltung ländlichen Grundbesitzes sowie die Durchführung landeskultureller Maßnahmen. Daraus folgt, daß die Gestaltung von Jagdbezirken durch Änderung bestehender Grenzen oder die Neuordnung jagdrechtlicher Pachtverhältnisse nicht zum Aufgabenbereich der Flurbereinigung gehört. Es handelt sich hierbei nicht um Maßnahmen, die der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung dienen. Unter Land- und Forstwirtschaft in dem hier maßgebenden Sinn sind nur solche Wirtschaftsarten zu verstehen, die in einer unmittelbaren Nutzung des Bodenertrags oder in der Viehzucht ihre Grundlage haben. Hierunter fällt die Ausübung des Jagdrechts nicht.

Das bedeutet allerdings nicht, daß es den Flurbereinigungsbehörden schlechthin verwehrt ist, in bestehende Jagdrechte einzugreifen. Welche Maßnahmen zur Erreichung des Gesetzeszwecks zulässig sind, wird in § 37 Abs. 1 FlurbG richtlinienmäßig näher bezeichnet. Im Rahmen dieser Bestimmung ist die Flurbereinigungsbehörde nach § 37 Abs. 2, 1. Halbsatz FlurbG zwar auch ermächtigt, die rechtlichen Verhältnisse zu ordnen. Hierin liegt aber, wie das Bundesverwaltungsgericht wiederholt entschieden hat, keine selbständige Grundlage für die rechtliche Gestaltung der gegebenen Verhältnisse. Die Flurbereinigungsbehörde muß sich vielmehr in jedem Fall auf eine konkrete Vorschrift des Flurbereinigungsgesetzes stützen können, die die einzelne Maßnahme zuläßt (BVerwG, Urteil vom 13. November 1958 - BVerwG I C 132.57 - (NJW 1959, 643); Urteil vom 10. Februar 1967 (BVerwGE 26, 173)). Als eine solche Bestimmung kommt, wovon auch das Flurbereinigungsgericht zutreffend ausgegangen ist, im vorliegenden Fall allenfalls § 49 Abs. 1 FlurbG in Betracht, wonach u.a. persönliche Rechte, die zum Besitz oder zur Nutzung eines Grundstücks berechtigen, aufgehoben werden können. Ob auch die Jagdpacht hierunter fällt (so Steuer, Komm. zum FlurbG, 2. Aufl., Anm. 7 zu § 49) oder ob es sich hierbei lediglich um die Pacht eines Rechts handelt, das dem Pächter das Betreten der gepachteten Flächen gestattet, ihn aber nicht zum Besitz und zur Nutzung berechtigt (Mitzschke-Schäfer, Komm. zum BJagdG, 3. Aufl., Anm. 7 zu § 14) braucht im Rahmen dieses Verfahrens nicht entschieden zu werden. Ein Eingriff in bestehende Jagdrechte und damit eine Regelung nach § 49 Abs. 1 FlurbG kommt nur in Betracht, wenn der Zweck der Flurbereinigung dies erfordert. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall.

Eine Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger bereits vor Ablauf der bestehenden Jagdpachtverträge die Ausübung der Jagd auf den zugeteilten Abfindungsgrundstücken zu ermöglichen, wäre dann denkbar, wenn anders dem Anspruch des Klägers auf wertgleiche Abfindung (§ 44 FlurbG) nicht genügt würde. Zu den in diesem Zusammenhang zu berücksichtigenden Umständen gehört nämlich auch die Möglichkeit der Ausübung der Jagd in einem Eigenjagdbezirk. Nach der allgemeinen Verkehrsanschauung kommt einer solchen Möglichkeit werterhöhende Bedeutung zu, die gemäß § 44 Abs. 2 FlurbG die Flurbereinigungsbehörde u.U. in besonders gelagerten Fällen zu einem Eingriff in jagdrechtlicher Hinsicht berechtigen mag. Für einen solchen Eingriff besteht im Fall des Klägers kein Anlaß. Der Kläger ist unabhängig von der bestehenden jagdrechtlichen Ordnung wertgleich abgefunden. Für den Beklagten zu 1) bestand deshalb keine rechtliche Möglichkeit, in die die Abfindungsgrundstücke betreffenden jagdrechtlichen Verhältnisse einzugreifen.

Damit entfällt gleichzeitig eine Zuständigkeit der Flurbereinigungsbehörde für die von dem Kläger begehrte Regelung. Über die Frage, welche jagdrechtlichen Folgen sich aus dem Umstand ergeben, daß der Kläger nunmehr Eigentümer einer zusammenhängenden Grundfläche ist, die die durch § 7 Abs. 1 BJagdG vorgeschriebene Mindestgröße für die Entstehung eines Eigenjagdbezirks übersteigt, hat allein die Jagdbehörde zu befinden. Daran ändert nichts, daß diese jagdrechtlichen Veränderungen als Folge eines Flurbereinigungsverfahrens eingetreten sind. Eine allgemeine Zuständigkeit der Flurbereinigungsbehörden, aus Anlaß eines anhängigen Flurbereinigungsverfahrens auch solche Regelungen zu treffen, die außerhalb ihres im Flurbereinigungsgesetz festgelegten Auftrags liegen und in die Kompetenz anderer Behörden fallen, besteht nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat wiederholt entschieden, daß nicht jegliche Maßnahme, für deren Durchführung die Flurbereinigung eine "einmalige Gelegenheit bietet", zum Zwecke der Flurbereinigung gehört. Die Flurbereinigungsbehörde muß sich vielmehr jeweils auf eine Norm des Flurbereinigungsgesetzes stützen können (BVerwGE 15, 72). Der Kläger kann deshalb von den Beklagten keine Regelung verlangen, für die nach dem Bundesjagdgesetz und den landesrechtlichen Bestimmungen die Jagdbehörden zuständig sind.