Flurbereinigungsgericht Münster, Urteil vom 17.04.1972 - IX G 58/71

Aktenzeichen IX G 58/71 Entscheidung Urteil Datum 17.04.1972
Gericht Flurbereinigungsgericht Münster Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Auch wenn der Hauptzweck eines Flurbereinigungsverfahrens nicht ausschließlich auf die Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung ausgerichtet ist, kann die Flurbereinigung zur Förderung der allgemeinen Landeskultur angeordnet werden.
2. Wasserwirtschaftliche und kulturbautechnische Ausbauplanungen erfüllen für sich im Falle des Bestehens eines wirtschaftlichen Bedarfs der Teilnehmer an derartigen Ausbaumaßnahmen die nach § 1 FlurbG erforderlichen Voraussetzungen für die Anordnung eines Flurbereinigungsverfahrens.
3. Für die rechtmäßige Feststellung des Flurbereinigungsgebiets ist es nicht von rechtlicher Bedeutung, ob aufgetretene Hochwässer auf unberechtigte Anstauungen zurückzuführen sind.

Aus den Gründen

Was unter den Voraussetzungen für die Flurbereinigung im Sinne des § 4 FlurbG zu verstehen ist, ist aus § 1 FlurbG zu entnehmen, jedoch wird der den Flurbereinigungsbehörden darin erteilte gesetzliche Auftrag durch verschiedene andere Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes näher umschrieben, so daß die nach diesen Vorschriften möglichen Maßnahmen als Flurbereinigungsmaßnahmen im Sinne des § 1 FlurbG aufzufassen sind (Bundesverwaltungsgericht, 28. Dezember 1959, RdL 1960 S. 166). Zu Unrecht behaupten die Kläger, daß der danach von dem § 1 FlurbG umrissene Tatbestand für das von dem Flurbereinigungsbeschluß erfaßte Teilgebiet G. und ihren darin gelegenen Grundbesitz nicht gegeben sei.

Das Flurbereinigungsverfahren verfolgt nach § 1 FlurbG den Zweck, die land- und forstwirtschaftliche Erzeugung sowie die allgemeine Landeskultur zu fördern, ohne daß indessen § 1 FlurbG in jedem Falle die Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung zur Voraussetzung für die Anordnung eines Flurbereinigungsverfahrens macht, wenngleich die durch die Maßnahmen der Zusammenlegung und wirtschaftlichen Gestaltung der Betriebsflächen im allgemeinen zu erwartende Verminderung des Arbeitsaufwandes zu einer Steigerung der Betriebsproduktivität und damit wiederum zur Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung führt. Auch wenn der Hauptzweck eines Flurbereinigungsverfahrens nicht ausschließlich auf die Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung ausgerichtet ist, kann die Flurbereinigung zur Förderung der allgemeinen Landeskultur angeordnet werden (BVerwG, 28. Dezember 1959, RdL 1960 S. 166). Die dazu von dem Gesetzgeber vorgesehenen und für zulässig gehaltenen Maßnahmen sind im wesentlichen in § 37 Abs. 1 FlurbG näher bezeichnet und durch andere Bestimmungen des FlurbG im einzelnen erweitert und ergänzt worden. Im Rahmen der sich aus diesen Bestimmungen ergebenden Aufgaben orientiert sich der Auftrag der Flurbereinigungsbehörden zur Durchführung von Flurbereinigungen.

Das Vorbringen der Kläger läßt keine Anhaltspunkte erkennen, die die Rechtmäßigkeit der nach § 1 FlurbG ausgesprochenen Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens als solche in Frage stellen. Ihre Anfechtungsklage beschränkt sich auf die in dem Flurbereinigungsbeschluß unter Einbeziehung ihres im Teilgebiet G. gelegenen Grundbesitzes angeordnete Feststellung des Flurbereinigungsgebietes mit der Behauptung, daß die Einbeziehung ihrer Grundstücke gegen die sich aus § 7 Abs. 1 Satz 2 FlurbG ergebende Ermessensrichtlinie verstoße. Diese Beanstandungen der Rechtmäßigkeit der Feststellung des Flurbereinigungsgebietes entbehren ihrer Grundlage. Ihre Prüfung setzt die Gesetzmäßigkeit der Verfahrensanordnung voraus, da nur in einem rechtmäßig erlassenen Flurbereinigungsbeschluß auch eine rechtmäßige Feststellung des Verfahrensgebietes denkbar ist.

Da sich - wie dargelegt - die Voraussetzungen zur Anordnung einer Flurbereinigung nicht in der Zusammenlegung von zersplittertem Grundbesitz und der sich daraus ergebenden Verbesserung der Arbeitsgrundlagen der Einzelbetriebe erschöpfen, bedarf es vorliegendenfalls für die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Flurbereinigungsbeschlusses keiner besonderen, ins einzelne gehenden Feststellungen darüber, ob im Verfahrensgebiet gelegener zersplitterter oder unwirtschaftlich geformter ländlicher Grundbesitz nach neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten einer Zusammenlegung oder wirtschaftlichen Gestaltung bedarf und durch andere landeskulturelle Maßnahmen verbessert werden kann. Aus der Zielrichtung der Flurbereinigungsmaßnahmen auf eine Verbesserung der gesamten Agrarstruktur des Bereinigungsgebietes (BVerwG, 3. Juni 1961, RdL 1961 S. 190), ergibt sich die Notwendigkeit zu einer im Wege von Flurbereinigungsmaßnahmen durchzuführenden Förderung der landeskulturellen und wirtschaftlichen Verhältnisse eines bestimmten Raumes aus den zur Ergänzung der Voraussetzungen des § 1 FlurbG heranzuziehenden verschiedenartigen Einzelbestimmungen des FlurbG, die nach ihrer Gewichtigkeit im Einzelfalle auch für sich allein die Voraussetzungen zur Anordnung eines Flurbereinigungsverfahrens erfüllen können. Dazu gehört als eine der allgemeinen Landeskultur im Sinne der Erhaltung der Kulturlandschaft zuzuordnende Aufgabe vordringlich die Schaffung eines geregelten ländlichen Wasserhaushaltes, die aus dem Neugestaltungsauftrag des § 37 Abs. 1 in Verbindung mit § 39 FlurbG folgt, nach dem neben anderen gemeinschaftlichen Anlagen Gräben und Gewässer zu schaffen sind, soweit das Interesse der allgemeinen Landeskultur und das wirtschaftliche Bedürfnis der Teilnehmer dieses erfordern, denen im Rahmen der wasserwirtschaftlichen Ausführungsmaßnahmen nach den dafür gegebenen Möglichkeiten gemäß § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG auch die erforderliche Vorflut einzurichten ist. Die für ein bestimmtes Gebiet zur Herbeiführung eines geregelten Wasserhaushaltes von den zuständigen Wasserbehörden im Rahmen der durch das Landeswassergesetz vom 22. Mai 1962, GVBl. NW 1962 S. 235, (LWG) übertragenen Gewässeraufsicht in Aussicht genommenen wasserwirtschaftlichen und kulturbautechnischen Ausbauplanungen erfüllen für sich im Falle des Bestehens eines wirtschaftlichen Bedarfs der Teilnehmer an derartigen Ausbaumaßnahmen, die nach § 1 FlurbG erforderlichen Voraussetzungen für die Anordnung eines Flurbereinigungsverfahrens (vgl. Urteil des erkennenden Flurbereinigungsgerichts vom 26. Januar 1972 - IX G 27/71 -).

Die Bedeutung derartiger Planungen für die Landwirtschaft findet in der in § 2 in Verbindung mit § 1 Ziff. 1 d des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" vom 3. September 1969, geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 1971, (BGBl. 1969 S. 1573 und 1971 S. 2140) erklärten Zielsetzung: "eine leistungsfähige, auf künftige Anforderungen ausgerichtete Land- und Forstwirtschaft zu gewährleisten und deren Eingliederung in den gemeinsamen Markt der europäischen Gemeinschaften zu erleichtern" volle Bestätigung.

Gegenüber dem gesetzlichen Auftrag zur Vorflutbeschaffung ist eine Feststellung der Ursachen für einen bisherigen im Wege der Flurbereinigungsmaßnahmen zu beseitigenden Mißstand unzureichender Vorflutverhältnisse entbehrlich. Es ist für die rechtmäßige Feststellung des Flurbereinigungsgebietes nicht von rechtlicher Bedeutung, ob die im Teilgebiet G. aufgetretenen Hochwässer auf unberechtigte Anstauungen aus Anlaß von Wasserzuleitungen aus dem Raum der Stadt I. einschließlich etwaiger Abwässerzuleitungen zurückzuführen sind. Derartigen Umständen ist ggf. im Rahmen des § 37 Abs. 2 FlurbG bei der Durchführung des Flurbereinigungsverfahrens nicht zuletzt unter Anwendung der Bestimmung des § 106 FlurbG Rechnung zu tragen, nach welcher Bestimmung Eigentümern von Grundstücken, die nicht zum Flurbereinigungsgebiet gehören aber von der Flurbereinigung wesentliche Vorteile haben, durch den Flurbereinigungsplan ein den Vorteilen entsprechender Beitrag zu den Ausführungskosten aufzuerlegen ist.

Nach der von dem Beklagten vorgelegten Gebietskarte wird das sich auf Teilflächen des T. W. erstreckende und von dem östlich benachbarten Flurbereinigungsgebiet I. begrenzte Verfahrensgebiet der Flurbereinigung H. von dem Hauptvorfluter I. bzw. H. Aa in SO-NW-Richtung durchflossen. Die für den Einzugsraum dieses Hauptvorfluters innerhalb der Flurbereinigungsgebiete I. und H. bestehende wasserwirtschaftliche Gesamtplanung beruht nach den Bekundungen des Vertreters der staatlichen wasserwirtschaftlichen Verwaltung auf der Feststellung, daß das Bett der Aa trotz eines verhältnismäßig guten Zustandes über eine zu flache Sohlenlage und ein unzureichendes Abflußprofil verfügt, so daß auftretende Hochwässer zu Ausuferungen führen und zu den tiefsten Geländestellen mit der Folge fließen, daß durch einen verzögerten Wasserablauf die landwirtschaftliche Nutzung beeinträchtigt wird. Die Ausbauplanung sieht vor, diese schlechten Vorflutverhältnisse u.a. durch Verlegung der Aa in das Taltiefst so zu verbessern, daß auch die Binnenentwässerung ausreichende Vorflut erhält und die Spitzenzuflüsse abgeführt werden können. Diese Zielrichtung der Planungsmaßnahmen erfüllt nicht nur das Interesse der allgemeinen Landeskultur, sie dient ebenso einem wirtschaftlichen Bedürfnis und damit auch dem wohlverstandenen, auf sachlichen Erwägungen beruhenden Interesse der Teilnehmer (vgl. Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) Bd. 8 S. 197 sowie BVerwG vom 28. Dezember 1960, RdL 1961 S. 80) an einer Flurbereinigung als dem geeigneten Instrumentarium für die zügige Durchführung derartiger wasserwirtschaftlicher Planungen und die damit im Zusammenhang stehende Gebietsneuordnung im Sinne einer Wiederherstellung und Regelung der im Zuge der Durchführung der Ausbaumaßnahme eintretenden Störungen der Besitzverhältnisse in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung.