Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.11.1972 - V C 3.72 = BVerwGE 41, 170= AgrarR 1973 S. 87= DVBl 1973 S. 454
Aktenzeichen | V C 3.72 | Entscheidung | Urteil | Datum | 16.11.1972 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = BVerwGE 41, 170 = AgrarR 1973 S. 87 = DVBl 1973 S. 454 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Zuständigkeit der Flurbereinigungsbehörde, die durch den Bau einer Bundesfernstraße entstandenen Entschädigungsansprüche im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens zu regeln. |
Aus den Gründen
Das Flurbereinigungsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen. Es kann dahinstehen, ob die von den Klägern erhobenen Verfahrensrügen, mit denen sie eine Verletzung der Aufklärungspflicht und ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend machen, begründet sind. Auch bei Zugrundelegung der von ihnen nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen stellt sich das angefochtene Urteil, allerdings aus anderen als von dem Flurbereinigungsgericht angenommenen Gründen, als richtig dar.
Gegenstand der Klage ist allein die von der beklagten Spruchstelle getroffene Entscheidung darüber, ob die Kläger mit ihren Anträgen auf Gewährung einer Entschädigung wegen des Bestehenbleibens zusätzlicher Sicherheitsböschungen entlang der EB 8 noch im Rahmen einer gegen die Schlußfeststellung gerichteten Beschwerde gehört werden können. Nur insoweit verdient das Vorbringen der Beteiligten Beachtung. Soweit sich dagegen die Kläger, was ihrem Vortrag in der Revisionsverhandlung nicht eindeutig zu entnehmen ist, auch dagegen wenden wollen, daß sie wegen der gemäß § 909 BGB zu den Nachbargrundstücken einzuhaltenden Abstände keine Abfindung in Land oder Geld erhalten haben, muß ihre Klage schon deswegen abgewiesen werden, weil sie insoweit keinen Antrag bei der Flurbereinigungsbehörde gestellt haben. Nach ihrem wiederholten Vorbringen, zuletzt noch in ihrer Revisionsbegründungsschrift, war das Ziel ihres Antrages von Anfang an darauf gerichtet, einen Ausgleich dafür zu erhalten, daß sie bei der Auskiesung der Grundstücke zur Trasse der EB 8 hin einen größeren Abstand einhalten müßten, als dies bei einer Umlegung ohne Ausweisung einer Trasse der Fall gewesen wäre. Nur dieser Antrag war Gegenstand der gegen die Schlußfeststellung gerichteten Beschwerde der Kläger und nur insoweit haben sie um Nachsichtgewährung gebeten. Soweit sie nunmehr darüber hinaus auch eine Entschädigung dafür geltend machen wollen, daß sie überhaupt bei der Auskiesung Abstände zu den Nachbargrundstücken einhalten müssen, ist ihre Klage deshalb unzulässig.
Für die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen wegen des Stehenlassens zusätzlicher Sicherheitsböschungen entlang der Trasse der EB 8 kann den Klägern, wie die beklagte Spruchstelle im Ergebnis richtig entschieden hat, keine Nachsicht gewährt werden. Dabei kann offenbleiben, ob die Kläger mit ihren Einwendungen überhaupt noch im Rahmen einer gegen die Schlußfeststellung nach § 149 Abs. 1 FlurbG gerichteten Beschwerde gehört werden können, oder ob nicht die inzwischen erfolgte Ausführung des Umlegungsplanes es ausschließt, daß neue Anträge oder Nachforderungen gestellt werden. Nachsicht kann jedenfalls nur zur Geltendmachung solcher Ansprüche begehrt werden, die einer Regelung im Flurbereinigungsverfahren zugänglich sind.
Für die Gewährung von Nachsicht ist deshalb von vornherein kein Raum, wenn Ansprüche erhoben werden, die nicht in die Regelungskompetenz der Flurbereinigungsbehörden fallen. Das ist hier der Fall. Bei den von den Klägern geltend gemachten Entschädigungsansprüchen handelt es sich nicht um solche, die ihre Rechtsgrundlage in den Vorschriften der Reichsumlegungsordnung oder des Flurbereinigungsgesetzes haben könnten. Die Kläger tragen selbst nicht vor, sie seien für die in das Umlegungsverfahren E. eingebrachten Grundstücke nicht wertgleich abgefunden worden. Nach dem insoweit unstreitigen Sachverhalt haben sie vielmehr für ihre Einlage eine Abfindung in Land von gleicher Flächengröße oder doch gleichem Wert erhalten. Damit ist ihrem Abfindungsanspruch aus § 48 Abs. 1 RUO genügt. Mit ihrer gegen die Schlußfeststellung gerichteten Beschwerde begehren sie dagegen eine Entschädigung dafür, daß sie als Folge der zwischenzeitlichen Herstellung des Autobahnzubringers zusätzliche Sicherheitsstreifen entlang der Trasse einhalten müssen, wofür ihnen eine Entschädigung nicht gewährt worden sei.
Die Regelung solcher Ansprüche, die sich, wie auch die Kläger erkennen, nicht gegen die beigeladene Teilnehmergemeinschaft, sondern gegen den Träger der Straßenbaulast richten, ist nicht Aufgabe des Flurbereinigungsverfahrens. Das Bundesverwaltungsgericht hat wiederholt entschieden, daß die Flurbereinigungsbehörden nicht für die Regelung jedweder Ansprüche zuständig sind, für die ein anhängiges Flurbereinigungsverfahren eine "einmalige Gelegenheit" bietet. Sie sind vielmehr auf die Wahrnehmung der ihnen durch das Flurbereinigungsgesetz ausdrücklich zugewiesenen Aufgaben beschränkt (BVerwGE 15, 72; Urteil vom 14.6.1972 - BVerwG V C 1.72 -). Hierunter fällt nicht die Regelung der Entschädigung für die infolge des Baues einer Bundesfernstraße in ihrer bisherigen Nutzungsmöglichkeit beeinträchtigten Anliegergrundstücke. Die öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger der Straßenbaulast und den durch den Plan einer Bundesfernstraße Betroffenen wird, wie § 17 Abs. 1 Bundesfernstraßengesetz - FStrG - in der Fassung vom 6.8.1961 (BGBl. I S. 1742) klarstellt, durch die Planfeststellung nach diesem Gesetz rechtsgestaltend geregelt. Im vorliegenden Fall ist der Verlauf der EB 8 in dem hier in Frage stehenden Teilstück durch den Planfeststellungsbeschluß des Ministers für Landesplanung, Wohnungsbau und öffentliche Arbeiten des Landes Nordrhein-Westfalen vom 31.8.1962 festgelegt worden. Dieser Plan ist gemäß § 19 Abs. 2 FStrG einem etwaigen Enteignungsverfahren zugrunde zu legen, für das die landesrechtlichen Enteignungsgesetze gelten.
Daraus folgt, daß die Kläger Entschädigungsansprüche wegen Bestehenbleibens der Schutzstreifen und Böschungen entlang der EB 8 bei der nach Landesrecht zuständigen Enteignungsbehörde geltend machen müssen. Hierauf weist übrigens auch der Planfeststellungsbeschluß unter V 8 F zutreffend hin. Eine Zuständigkeit der Flurbereinigungsbehörden zur Regelung dieser Ansprüche ist abweichend davon nicht etwa deswegen gegeben, weil bereits in dem Umlegungsplan E. ein Geländestreifen zugunsten der Stadt K. ausgewiesen ist, wodurch der spätere Erwerb des Straßengeländes durch den Träger der Straßenbaulast vorbereitet werden sollte. Vieles spricht allerdings dafür, daß das Umlegungsverfahren ausschließlich der Bereitstellung des Landbedarfs für den späteren Bau eines Autobahnzubringers dienen sollte und Gründe der in § 1 Abs. 1 RUO angeführten Art für die Einleitung des Verfahrens nicht maßgebend waren. Gleichwohl handelt es sich hier nicht um ein Unternehmensverfahren nach § 1 Abs. 2 RUO, in dessen Rahmen die Umlegungsbehörde berechtigt gewesen wäre, die Feststellung der Entschädigung und die Vollziehung der Enteignung selbst vorzunehmen. Die Einleitung eines solchen Verfahrens setzte voraus, daß das für das Unternehmen benötigte Land von den übrigen Teilnehmern aufgebracht wurde (BVerwG, Urteil vom 12.5.1959 - BVerwG I C 227.56 -), was hier nicht der Fall war. Zudem mußte zuvor die Enteignung für zulässig erklärt und der Plan für den Bau der Straße festgestellt werden. Das ist nicht geschehen. Vielmehr wurde nach dem festgestellten Sachverhalt die Straßenführung der EB 8 erst durch den Planfeststellungsbeschluß vom 31.8.1962 festgelegt. Damit kommt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine Zuständigkeit der Beklagten zur Entscheidung über die von den Klägern angemeldeten Entschädigungsansprüche in Betracht, wobei es offenbleiben kann, ob überhaupt die in § 1 Abs. 1 RUO angeführten Voraussetzungen für die Einleitung eines Umlegungsverfahrens gegeben waren.
Eine Verweisung des Rechtsstreites an das Landgericht kann nicht erfolgen. Nach den vorstehenden Ausführungen besteht kein Anspruch der Kläger gegen die Flurbereinigungsbehörde auf Gewährung einer Entschädigung für das Stehenlassen zusätzlicher Sicherheitsstreifen entlang der Trasse der EB 8. Der angefochtene Bescheid, durch den die Gewährung von Nachsicht zur Geltendmachung dieses Anspruchs abgelehnt wurde, ist deshalb rechtmäßig und also einer Bestätigung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zugänglich. Ob den Klägern aus dem Rechtsgrund der Enteignung gegen den beigeladenen Landschaftsverband oder gegen einen anderen Rechtsträger ein Entschädigungsanspruch wegen der behaupteten Nachteile zusteht, haben die ordentlichen Gerichte zu entscheiden, wobei es keinen Unterschied macht, ob allein wegen der Höhe gestritten, oder ob eine Entschädigung überhaupt verweigert wird (BVerwGE 1, 42 (44); Urteil vom 24.4.1970 - BVerwG IV C 47.66 - (RdL 1970, 211)). Es bestand aber keine Veranlassung, den Klägern nahezulegen, vorsorglich einen Antrag auf Verweisung des Rechtsstreits zu stellen. Das Bundesverwaltungsgericht hat wiederholt entschieden, daß für eine Verweisung an ein Gericht eines anderen Gerichtszweigs dann kein Raum ist, wenn bei mehrfacher rechtlicher und tatsächlicher Begründung des einen Klageanspruchs der Rechtsweg zu dem zunächst angerufenen Gericht für einen der Klagegründe zulässig ist (Urteil vom 25.5.1960 - BVerwG V C 218.58 - (MDR 1960, 783)).