Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 20.01.1972 - 21 XII 71
Aktenzeichen | 21 XII 71 | Entscheidung | Urteil | Datum | 20.01.1972 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht München | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zuständigkeit des Flurbereinigungsgerichts bei Klagen gegen die Abberufung eines Vorstandsmitglieds einer Teilnehmergemeinschaft. |
2. | Zur Wahl und Abberufung von Vorstandsmitgliedern. |
3. | Die Bestimmung und Abberufung des beamteten Vorstandsvorsitzenden in Bayern. |
Aus den Gründen
1. Die Klage ist in rechter Form und Frist bei dem zuständigen Flurbereinigungsgericht erhoben (§ 138 Abs. 1, § 140 ff. FlurbG, § 81 VwGO). Der Kläger hat nach Ergehen eines Vorsitzendenbescheids ausdrücklich darauf bestanden, die Klage nicht auf seine Rechtsstellung als Beamter, sondern allein auf seine Stellung als Vorstandsmitglied nach Flurbereinigungsrecht, insbesondere auf § 23 Abs. 3 FlurbG, stützen zu wollen. Dem muß das Gericht Rechnung tragen. Die Klagepartei bestimmt den Umfang des Klagebegehrens (§ 88 VwGO). Es ist anerkannt, daß den nach § 23 Abs. 3 FlurbG abberufenen Vorstandsmitgliedern der Rechtsweg zum Flurbereinigungsgericht offensteht (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.5.1957 I CB 37.57). Der Kläger ist durch die angefochtene Verfügung als Vorstandsvorsitzender und damit als Vorstandsmitglied einer Reihe von Teilnehmergemeinschaften abberufen worden. Er beruft sich für die Zuständigkeit des angegangenen Gerichts und die behauptete Rechtsverletzung auf § 23 Abs. 3 FlurbG. Der Beklagte verweist dagegen auf Art. 7 Abs. 1 Satz 1 AGFlurbG. Der Streit hat seine rechtliche Grundlage im Flurbereinigungsrecht, so daß § 140 FlurbG Platz greift. Ob dem Kläger tatsächlich Rechte aus § 23 Abs. 3 FlurbG zustehen, betrifft die Begründetheit seiner Klage.
2. Nach dem Flurbereinigungsgesetz (§ 21) wählt die Teilnehmergemeinschaft als eine Art Genossenschaft der am Flurbereinigungsverfahren beteiligten Grundeigentümer (§ 10 Nr. 1) ihren Vorstand mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen, also nach demokratischen Wahlregeln. Auf die gleiche Weise - durch die Wahl neuer Vorstandsmitglieder mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen - erfolgt die Abwahl (§ 23 Abs. 1). Nur wenn so eine Wahl nicht zustande kommt oder ein Vorstandsmitglied trotz Ungeeignetheit oder Pflichtverletzung von der Teilnehmergemeinschaft nicht abgewählt wird, kann die Behörde eingreifen. Sie hat aber die landwirtschaftliche Berufsvertretung zu hören (§§ 21 Abs. 3, 23 Abs. 3), so daß über die Berufsorganisation der Teilnehmer mindestens ersatzweise ein Anhörrecht besteht. Der Vorstand selbst ist ein kollegiales Organ. Er wählt aus seinem Kreis einen Vorsitzenden. Er kann nach demokratischen Regeln durch Wahl eines anderen Vorstandsmitglieds zu seinem Vorsitzenden den bisherigen Vorsitzenden abwählen (§ 26 Abs. 1).
Die Länder sind jedoch ermächtigt, die Bildung und Zusammensetzung des Vorstands (§ 21 Abs. 6) und die Berufung des Vorstandsvorsitzenden (Hinweis auf § 21 Abs. 6 in § 26 Abs. 1) abweichend zu regeln. Davon hat Bayern in Art. 7 Abs. 1 Satz 1 AGFlurbG Gebrauch gemacht. In Bayern wählen nicht die Vorstandsmitglieder aus ihrem Kreis ihren Vorsitzenden, sondern Vorsitzender ist kraft Gesetzes ein technisch vorgebildeter Beamter des höheren Flurbereinigungsdienstes, den die Behörde bestimmt. Die Teilnehmergemeinschaft kann lediglich beanspruchen, daß der von der Behörde bestimmte Beamte die vorgeschriebene Qualifikation besitzt. Im übrigen steht es der Behörde frei, welchem ihrer Beamten sie die Aufgaben des Vorstandsvorsitzenden in einer Teilnehmergemeinschaft überträgt. Sie kann im Rahmen ihres Organisationsrechts und ihrer Befugnis, die Geschäftsverteilung zu regeln, die Beamten auswechseln und anderweitig einsetzen. Die Bestimmung des Vorstandsvorsitzenden ist gegenüber der Teilnehmergemeinschaft ein Organisationsakt, für den betroffenen Beamten ein Dienstbefehl. Rechtlich besteht dabei kein Unterschied, ob es sich um die Zuweisung oder Abberufung handelt (vgl. Lurz: Flurbereinigungsrecht, Anm. 1 und 2 zu Art. 8 AGFlurbG). Der Dienstbefehl kann über den rein dienstlichen Bereich hinaus in die rechtlich geschützte Individualsphäre des Beamten eingreifen. Das hat der Kläger aber ausdrücklich nicht geltend gemacht. Er stellt allein auf seine Stellung als Vorstandsmitglied ab. Hierzu ist lediglich zu sagen, daß die Mitgliedschaft im Vorstand bei dem zum Vorstandsvorsitzenden bestimmten Beamten ohne weiteres mit der Abberufung als Vorsitzender durch die Behörde erlischt, so wie sie durch die Bestimmung zum Vorsitzenden durch die Behörde kraft Gesetzes eintrat. Dem von der Behörde als Vorsitzender abberufenen Beamten fehlt für ein weiteres Verbleiben im Vorstand der bisher von ihm betreuten Teilnehmergemeinschaft jegliche Legitimation. Er ist kein von den Teilnehmern gewähltes Vorstandsmitglied, auch kein nach § 21 Abs. 3 FlurbG bestelltes Vorstandsmitglied. Der Kläger hat im Verlauf der mündlichen Verhandlung selbst zugegeben, daß ein zum Vorsitzenden bestimmter Beamter nicht als Vorstandsmitglied von der Teilnehmerversammlung nach § 23 Abs. 1 FlurbG abgewählt werden kann. Seine Meinung, daß dessenungeachtet Absatz 3 dieser Bestimmung für Vorstandsmitglieder gelten müsse, die auf eine der bundesrechtlichen Regelung fremde Weise als zum Vorsitzenden bestimmte Beamte Vorstandsmitglieder wurden, widerspricht den Gesetzen der Logik.
3. Auch die erst in der mündlichen Verhandlung vom Kläger konkretisierte Behauptung, seine Abberufung als Vorstandsvorsitzender und Vorstandsmitglied sei im Hinblick auf diese Stellung innerhalb der Teilnehmergemeinschaft ermessensmißbräuchlich erfolgt, geht fehl. Die Zuweisung eines anderen Aufgabenkreises an den beamteten Vorstandsvorsitzenden wechselt lediglich die Person aus, ohne in die dem Vorsitzenden und den Vorstandsmitgliedern übertragenen Funktionen einzugreifen. Doch braucht dieser Gesichtspunkt nicht weiter vertieft zu werden. Jedenfalls findet sich im klägerischen Sachvortrag kein Anhaltspunkt für einen Ermessensfehlgebrauch der Behörde gleich welcher Art. Den beamteten Vorstandsvorsitzenden wird nicht etwa durch Abberufung die gerichtliche Durchsetzung des behaupteten Anspruchs auf Aufwandsentschädigung vereitelt, wie es der Kläger sieht. Sie müssen diesen besoldungsrechtliche Fragen betreffenden Streit lediglich selbst in ihrer Eigenschaft als Beamte vor den zuständigen Gerichten austragen. Es geht um einen Anspruch der Beamten aus ihrem Beamtenverhältnis oder aus einer Nebenbeschäftigung, nicht um einen vom Vorstandsvorsitzenden gerichtlich zu vertretenden Anspruch der Teilnehmergemeinschaft.