Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 25.08.1971 - IV C 85.69 = RdL 1972 S. 111
Aktenzeichen | IV C 85.69 | Entscheidung | Urteil | Datum | 25.08.1971 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = RdL 1972 S. 111 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Ermittlungen, die der Berichterstatter nach Schluß der letzten mündlichen Verhandlung ohne Beweisbeschluß selbständig über bestrittene Behauptungen einer Partei anstellt, können zur Verletzung des rechtlichen Gehörs führen auch dann, wenn sie die bisherige Auffassung des Gerichts bestätigen, die Parteien aber nur formell von den Ermittlungen in Kenntnis gesetzt werden mit dem gleichzeitigen Hinweis, daß das Urteil bereits abgesetzt sei und in nächster Zeit zugestellt werde. |
Aus den Gründen
Die Revision muß zur Zurückverweisung der Sache an das Flurbereinigungsgericht führen (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO).
Dies ergibt sich aus der Verfahrensweise des Flurbereinigungsgerichts, indem es nach Schluß der letzten mündlichen Verhandlung über eine von der Klägerin - vorsorglich - mit Nichtwissen bestrittene Behauptung des Beklagten und der Beigeladenen zu 3) ohne Vorliegen eines Beweisbeschlusses zum Teil telephonische Ermittlungen angestellt und von der Tatsache der erfolgten Ermittlungen und deren Ergebnis den Beteiligten durch gerichtliche Verfügung vom 28.6.1968 Kenntnis gegeben und sodann das Urteil zugestellt hat. In diesem Urteil sind u.a. die Ergebnisse dieser "Ermittlungen" verwendet worden. Diese Verfahrensweise ist, was die Klägerin zutreffend rügt, mit dem Grundsatz des § 108 Abs. 2 VwGO nicht zu vereinbaren, wonach das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen Stellung zu nehmen den Beteiligten Gelegenheit gegeben war. Zwar hatten die Beteiligten theoretisch noch die Möglichkeit, sich bis zu der Zustellung des Urteils zu äußern, praktisch war ihnen aber diese Möglichkeit durch die gerichtliche Mitteilung genommen, daß das Urteil bereits abgesetzt sei und "in der nächsten Zeit" zugestellt werde. Selbst wenn man davon ausgeht, daß das Gericht in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit der Behauptung des Beklagten und der Beigeladenen zu 3) hinsichtlich der Größe des Hausbesitzes der Beigeladenen zu 3) zunächst voll überzeugt war, wie sich aus der Sitzungsniederschrift vom 27.5.1968 und aus der Fassung der Urteilsgründe ("... wurde im übrigen auf telephonische Rückfrage des Gerichts ... nochmals bestätigt ...") ergibt, so zeigt die Tatsache aber, daß der Vorsitzende zugleich als Berichterstatter gelegentlich eines anderweitigen dienstlichen Aufenthalts bei dem Kulturamt A. mit Rücksicht auf das - unsubstantiierte - Bestreiten dieser Behauptung durch die Klägerin meinte, sich letzte Klarheit über die tatsächliche Größe des Hausgrundstücks verschaffen zu müssen, daß zumindest bei diesem Richter Zweifel entstanden waren, die allerdings durch seine "Ermittlungen", die er in dem Vermerk vom 7.6.1968 (Bl. 67 d.A.) niederlegte, alsbald wieder zerstreut wurden. Damit aber wurde der Anspruch der Klägerin auf Gewährung des rechtlichen Gehörs zu diesen Tatsachen und Beweisergebnissen verletzt, was zur Rückverweisung der Sache führen muß, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob das Urteil gerade auf diesem Verfahrensmangel beruht oder nicht (§ 138 Nr. 3 VwGO). Über den Beweiswert dieser "Ermittlungen" und der telephonischen Bestätigung hätte das Gericht sich erst dann ein abschließendes Urteil bilden können, wenn die Beteiligten sich aus ihrer Sicht dazu äußern konnten.