Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 02.02.1970 - III F 32/68
Aktenzeichen | III F 32/68 | Entscheidung | Urteil | Datum | 02.02.1970 |
---|---|---|---|---|---|
Gericht | Flurbereinigungsgericht Kassel | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Frage, in welchem Umfang ein Hofgrundstück durch Bestellung einer Grunddienstbarkeit an einem benachbarten Hofgrundstück anderer Teilnehmer zugänglich zu machen ist. |
2. | Unter Veränderung einer Hof- und Gebäudefläche ist nicht nur ihre tatsächliche Umgestaltung, sondern auch die Veränderung rechtlicher Art durch Belastung mit einer Dienstbarkeit zu verstehen. |
Aus den Gründen
Zunächst kann die Klägerin nicht verlangen, daß das auf ihrem Abfindungsgrundstück lastende Geh- und Fahrrecht gänzlich beseitigt werde. Auszugehen ist von § 44 Abs. 3 FlurbG, wonach alle Grundstücke durch Wege zugänglich gemacht werden müssen. Das kann entweder durch Ausweisung einer besonderen Wegefläche oder aber dadurch geschehen, daß eine Nachbarparzelle mit einem den Bedürfnissen der fraglichen Parzelle entsprechenden Wegerecht belastet wird (vgl. zu letzterer Möglichkeit, BVerwG, Urteil vom 10.2.1967 - IV C 43/65).
In vorliegendem Fall kann dahingestellt bleiben, in welchem Umfang und seit wann bereits ein Geh- und Fahrrecht zugunsten des jeweiligen Eigentümers der Parzelle Flur 2 Nr. 56 an der Parzelle Flur 2 Nr. 55 bestanden hat. Die Bestellung einer Grunddienstbarkeit war jedenfalls erforderlich. Der Senat hat sich nämlich die Überzeugung verschafft, daß trotz des nunmehr bestehenden Anschlusses des Grundstücks Nr. 56 der Beigeladenen an den Weg Flur 2 Nr. 65 (Gemeindestraße "Zum Eiskeller") von dort nicht jeder Teil der Hofreite der Klägerin erreicht werden kann. Dabei dürfen die derzeit bestehende Einzäunung an der gesamten Nord- und Westseite des Grundstücks sowie die dort angelegten Gartenflächen nebst Betonmauern nicht als Hindernis betrachtet werden. Diese Einrichtungen sind von den Beigeladenen geschaffen worden, obwohl die fraglichen Flächen den Beigeladenen gerade zu dem Zweck des Anschlusses an die Straße am "Eiskeller" zugewiesen worden waren. Eine Zuweisung dieser Flächen an die Beigeladenen wäre sonst schwerlich zu rechtfertigen gewesen, da die Beigeladenen von ihrem Vorbesitz her keinen Anspruch auf Zuteilung einer wesentlich größeren Hoffläche gehabt hätten, als sie vor der Flurbereinigung besaßen. Indes ist die Zuwegung von der Straße "Zum Eiskeller" her auch unter Berücksichtigung dieser Situation nicht für die Aufnahme jeglichen Verkehrs geeignet. Es ist den Beigeladenen infolge der geringen Breite der Fahrt zwischen ihrem Wohnhaus und dem südlich davon stehenden Stallgebäude nicht möglich, mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen, Maschinen und Geräten in den Wirtschaftshof östlich ihres Stallgebäudes und in die ihn im Süden abschließende Scheune zu gelangen. Das gilt insbesondere für Fahrten mit Schleppern und angehängten Transportwagen oder Maschinen jeglicher Art und von der Breite, wie sie heute in einem modernen landwirtschaftlichen Betrieb überall eingesetzt werden. Da dies nicht möglich war, mußte den Beigeladenen eine einwandfreie Zufahrt von anderer Seite in den Innenhof geschaffen werden. Diese Zufahrt war aber nicht anders herzustellen, als durch Inanspruchnahme der Flächen auf dem Grundstück Flur 2 Nr. 55, soweit sie sich zwischen dem Haus Nr. 35 und dem südlich davon stehenden Wirtschaftsgebäude der Klägerin befinden. Hier stellte sich nur die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Es bestand kein Anlaß, auf dieser Fläche einen öffentlichen Weg auszuweisen. Es genügte zur Sicherung des Zuganges vielmehr, die Parzelle Flur 2 Nr. 55 in der von der Rechtsprechung gebilligten Art und Weise mit einer Grunddienstbarkeit zugunsten der Parzelle Nr. 56 zu belasten.
Der Klägerin ist allerdings zuzugeben, daß der Umfang, in welchem dies durch das Kulturamt geschah und durch die Spruchstelle bestätigt wurde, vom Gesetz nicht gedeckt wird. Die Pflicht und zugleich die Möglichkeit der Schaffung von Dienstbarkeiten mit dem Ziel, Grundstücke im Sinne des § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG zugänglich zu machen, findet für die Flurbereinigungsbehörden dort ihre Grenze, wo dies sonstigen Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes widersprechen würde. Die Ausweisung eines unbeschränkten Geh- und Fahrrechts, wie dies im Flurbereinigungsplan festgelegt war, verstößt gegen § 45 Abs. 1 Ziff. 1 FlurbG und muß zu dem teilweisen Obsiegen der Klägerin führen.
Diese Vorschrift macht die Veränderung von Hof- und Gebäudeflächen davon abhängig, daß der Zweck der Flurbereinigung es erfordert. Eine Veränderung im Sinne dieser Vorschrift liegt aber nicht nur in der tatsächlichen Umgestaltung sondern auch in einer Veränderung rechtlicher Art, also auch in der Belastung eines Grundstücks mit einer Dienstbarkeit für einen Dritten (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.4.1963 - RdL 1963, 166 sowie Seehusen-Schwede-Nebe, FlurbG, Kommentar 2. Aufl. 1966, § 45 Rd. Ziffer 2 ab Abs. 3 und BVerwG, Urteil vom 23.6.1959 I C 78/58).
Die Grunddienstbarkeit in dem von der Flurbereinigungsbehörde und der Spruchstelle für Flurbereinigung vorgesehenen Umfang war von dem Zweck der Flurbereinigung nicht erfordert. Der den Beigeladenen geschaffene Anschluß an die Straße "Zum Eiskeller" ist nämlich in der Lage, den Geh- und Fahrverkehr von und zu dieser Hofreite, außer dem Verkehr mit landwirtschaftlichen Maschinen, Fahrzeugen und Geräten, voll aufzunehmen. Die Ortsbesichtigung hat ergeben, daß dort nicht nur der Fußgängerverkehr von und zu allen Teilen der Hofreite der Beigeladenen abgewickelt werden kann, sondern daß von der Straße "Zum Eiskeller" her bei entsprechender Herrichtung des Grundstücks der Beigeladenen auch die Zu- und Abfahrt mit Personenkraftwagen erfolgen kann. Die Oberfläche des Flurstücks "Zum Eiskeller" im Bereich von der Grenze des Grundstücks der Beigeladenen ist auf etwa 3 m Breite derart beschaffen, daß jederzeit nach Wegräumen der Zäune und Grenzmauern auf dem Grundstück Flur 2 Nr. 56 Personenwagen vor das Wohnhaus, in die auf dem Westteil des Abfindungsgrundstücks neu errichtete Doppelgarage und auch in den Innenhof des Gebäudekomplexes gelangen können. Damit fällt aber jedes Bedürfnis weg, für solchen Verkehr eine Zuwegung über das Nachbargrundstück der Klägerin zu schaffen.