Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 06.05.1970 - IV C 59.69 = Buchholz BVerwG 424.01 § 59 FlurbG Nr. 2= RdL 1970 S. 214

Aktenzeichen IV C 59.69 Entscheidung Urteil Datum 06.05.1970
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen Buchholz BVerwG 424.01 § 59 FlurbG Nr. 2 = RdL 1970 S. 214  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Schriftliche Eingaben an die Flurbereinigungsbehörde, die vor dem Anhörungstermin eingehen und nicht im Termin oder innerhalb einer etwa bestehenden Beschwerdefrist wiederholt werden, sind - ohne Rücksicht auf ihren Inhalt - keine Beschwerden im Sinne von § 59 Abs. 2 FlurbG.
2. Wer trotz hinreichender Belehrung die notwendige Beschwerdeerklärung nicht nachholt, hat auch keinen Anspruch auf nachträgliche Zulassung seiner Beschwerde nach § 134 Abs. 2 Satz 2 FlurbG.

Aus den Gründen

Auszugehen ist davon, daß das Flurbereinigungsgericht nach dem Tenor seines Urteils den Beschwerdebescheid vom 10. April 1962 aufgehoben, die Ausführungsanordnung vom 21. Februar 1962 abgeändert, statt dessen gemäß § 63 FlurbG eine vorzeitige Ausführungsanordnung erlassen und als Eintritt des neuen Rechtszustandes den 1. März 1962 bestimmt hat. Dieser Ausspruch beruht auf der Ansicht des Flurbereinigungsgerichts, der Flurbereinigungsplan II sei deswegen noch nicht rechtskräftig gewesen, weil die Klägerin durch ihre Eingaben vom November 1961 schriftlich "Beschwerde" erhoben habe. In diesem Ausgangspunkte vermag der erkennende Senat dem Flurbereinigungsgericht nicht zu folgen, denn die Rechtsfrage, ob der Flurbereinigungsplan II etwa deswegen noch nicht rechtskräftig geworden ist, weil die Klägerin wirksam dagegen Beschwerde erhoben hat, ist zunächst nach § 59 Abs. 2 FlurbG zu beurteilen. Es ist zwar richtig, wie die Klägerin vorträgt, daß im Flurbereinigungsgesetz nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist, in welcher Form, mündlich oder schriftlich, eine Beschwerde nach § 59 Abs. 2 FlurbG zu erheben sei. Jedenfalls aber müssen die Beteiligten nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 59 Abs. 2 FlurbG Beschwerden gegen den Flurbereinigungsplan "zur Vermeidung des Ausschlusses in einem Anhörungstermin vorbringen". Zwar könnte § 59 Abs. 5 FlurbG, wonach die Länder anstelle oder neben der im Termin vorzubringenden Beschwerde schriftliche Beschwerde innerhalb von zwei Wochen nach dem Terminstage zulassen könne, dafür sprechen, daß die im Anhörungstermin vorzubringenden Beschwerden mündlich vorgetragen werden müßten. Der vorliegende Fall zwingt aber nicht dazu, diese Frage zu entscheiden, zumal im Freistaat Bayern gemäß Art. 21 Abs. 2 AGFlurbG Beschwerden auch zur Niederschrift erklärt werden können. Jedenfalls aber ist eine vor dem Anhörungstermin abgegebene schriftliche Erklärung, der Beteiligte sei mit der Flurbereinigung allgemein oder mit dem Flurbereinigungsplan oder auch nur mit einzelnen Teilen davon nicht einverstanden, in keinem Falle als eine Beschwerde anzusehen, die den Erfordernissen des § 59 Abs. 2 FlurbG entspricht. Denn jede andere Deutung des § 59 Abs. 2 FlurbG würde dazu führen, daß diese Vorschrift leer liefe: Es wäre dann einmal völlig gleichgültig, ob die Beteiligten im Anhörungstermin erschienen oder nicht, sie könnten ihre Beschwerde schriftlich oder mündlich oder gar zu Protokoll der Flurbereinigungsbehörde vor dem Anhörungstermin erheben, brauchten sich um den Termin selbst nicht zu kümmern und könnten notfalls immer noch später unter Inanspruchnahme des Instituts der Nachsichtgewährung gemäß § 134 Abs. 2 FlurbG mit ihren Beschwerden hervortreten. Das ist indessen nicht der Sinn des § 59 Abs. 2 FlurbG und erst recht nicht derjenige des Absatzes 4, wonach "Beschwerden nach Absatz 2" in die Verhandlungsniederschrift aufzunehmen sind. Eine nicht in dem Anhörungstermin durch den Beteiligten selbst oder einen Vertreter erhobene Beschwerde ist eben keine nach Absatz 2 erhobene und braucht daher nicht in die Verhandlungsniederschrift aufgenommen zu werden. Beschwerden werden mithin erst durch die Aufnahme in die Sitzungsniederschrift über den Anhörungstermin existent - von denjenigen zunächst abgesehen, die unter den Voraussetzungen des § 134 Abs. 2 FlurbG nachträglich zugelassen oder die nach § 59 Abs. 5 FlurbG nach Landesrecht ebenfalls nachträglich zusätzlich erhoben werden. Der erkennende Senat hat bereits in dem Beschluß vom 17. April 1968 - BVerwG IV B 91.67 - inhaltlich ausgeführt, im Flurbereinigungsgesetz sei ganz bewußt vorgeschrieben, daß die Beschwerden gegen die Abfindung nur in einem von der Behörde anberaumten Anhörungstermin vorgebracht werden können, daß also vorher abgegebene Erklärungen nicht als solche zu werten sind. Damit trägt das Flurbereinigungsgesetz der Erfahrung Rechnung, daß manche, wenn nicht sogar viele Teilnehmer ihre Abfindung zunächst ablehnen, sie dann aber im Anhörungstermin nicht mehr beanstanden, weil sie nach den Erörterungen an Ort und Stelle anderen Sinnes geworden sind. Diese Beschränkung des Rechts auf Einlegung der Beschwerde dient der Rechtssicherheit und vor allem der Beschleunigung des Verfahrens. Diese Ziele würden aber nicht zu erreichen sein, wenn alle vorher einmal - im ersten Unmut - schriftlich vorgebrachten "Beschwerden" ohne Anwesenheit der betreffenden Teilnehmer behandelt und in das Protokoll aufgenommen werden müßten. Denn nach Ablauf des Anhörungstermins, in dem die Beschwerden anzubringen sind, soll feststehen, ob der einzelne Teilnehmer mit seiner Abfindung einverstanden ist oder nicht. Dies ist der Sinn dieser Vorschrift, und der erkennende Senat hält an dieser Auslegung der Vorschrift fest. Ein weiterer Beleg für die Richtigkeit dieser Ansicht ist die Vorschrift des § 134 Abs. 1 FlurbG, wonach angenommen wird, daß ein Beteiligter mit dem Ergebnis der Verhandlung einverstanden ist, wenn er einen Termin versäumt oder sich nicht bis zum Schluß des Termins über den Verhandlungsgegenstand erklärt hat. Dieser durch die Ausschlußwirkung eingetretene Rechtsverlust folgt aus dem Gesetz, das hier im öffentlichen Interesse der zeitlichen Geltendmachung von Rechten Grenzen setzt und setzen muß. Allerdings kann die Flurbereinigungsbehörde, wie bereits erwähnt, nach Lage des Einzelfalles verspätete Erklärungen nachträglich zulassen (§ 134 Abs. 2 FlurbG). Sie muß es nur dann tun, wenn bei unverschuldeter Versäumung die entsprechenden Erklärungen unverzüglich nachgeholt worden sind. Wer indessen trotz hinreichender Belehrung die entsprechenden Erklärungen nicht unverzüglich nachholt, hat keinen Anspruch auf nachträgliche Zulassung seiner Beschwerde.

Im vorliegenden Falle hat die Klägerin ihre "Beschwerde" nicht nachgeholt, sondern trotz des ausdrücklichen Hinweises auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung zum Anhörungstermin sich darauf beschränkt, diese Ladung zum Anhörungstermin mit sicherlich unmißverständlichen Bemerkungen über ihren Unwillen gegenüber dem Flurbereinigungsplan zurückzuschicken. Dies kann auch unter Berücksichtigung des Einzelfalles nicht dazu führen, die Gewährung von Nachsicht gemäß § 134 Abs. 2 Satz 1, § 146 Nr. 2 FlurbG im Ermessenswege ins Auge zu fassen. Eine bewußt nicht genutzte Möglichkeit, seine gegenteilige Ansicht in dem dafür vorgesehenen Anhörungstermin zum Ausdruck zu bringen, muß zum Verlust des Rügerechts führen, wenn anders nicht das gesamte System des Flurbereinigungsrechts in Frage gestellt werden soll. Es kann daher keine Rede davon sein, daß ein nicht genutztes und damit erloschenes Recht durch Fristablauf - ohne weiteres - wieder zum Leben erweckt werden könnte.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß die Klägerin mit ihrer "Beschwerde" gemäß § 134 Abs. 2 FlurbG unter Umständen zu hören gewesen wäre, wenn diese "Beschwerde" erst nach dem Anhörungstermin eingegangen wäre. Insofern ist das Revisionsgericht einmal an die nicht mit Verfahrensrügen angegriffene Feststellung des Flurbereinigungsgerichts gebunden, nach der ein solcher Fall nicht vorliegt. Im übrigen hätte die Klägerin, worauf sie in der Ladung vom 3. November 1961 zum Anhörungstermin ausdrücklich hingewiesen worden ist, innerhalb von zwei Wochen nach dem Terminstage bei dem Vorstand der Teilnehmergemeinschaft oder beim Flurbereinigungsamt schriftlich Beschwerde einlegen können, um zu vermeiden, daß ihr Einverständnis mit dem Ergebnis des Flurbereinigungsplanes angenommen würde. Auch dies hat sie nicht getan.

Wenn das Flurbereinigungsgericht in diesem Zusammenhang auf § 59 Abs. 5 FlurbG und den dazu ergangenen Art. 21 des Bayer. AGFlurbG verweist, so kann dies hier auch nichts nützen. Denn einmal bringt § 59 Abs. 5 FlurbG nur die Ermächtigung, "anstelle oder neben der im Termin vorzubringenden Beschwerde schriftliche Beschwerde innerhalb von zwei Wochen nach dem Terminstage" zuzulassen. Daraus folgt, daß ohne Rücksicht auf § 134 Abs. 2 FlurbG landesrechtlich die Möglichkeit besteht, nachträgliche Beschwerden zuzulassen. Es ist indessen nicht davon die Rede, daß auch Beschwerden, die vor dem Terminstage eingehen, zugelassen werden dürften. Nur innerhalb des durch § 59 Abs. 5 FlurbG gesteckten Rahmens hat der Freistaat Bayern von dieser Ermächtigung Gebrauch machen dürfen und in Art. 21 AGFlurbG Gebrauch gemacht. Der davon im Ergebnis abweichenden Ansicht des Flurbereinigungsgerichts, daß jedenfalls eine vor dem Terminstage schriftlich eingelegte "Beschwerde" nach diesem Tage zulässig geworden sei, kann nach dem oben Ausgeführten nicht zugestimmt werden. Im übrigen handelt es sich, wie der Beklagte mit Recht geltend macht, bei der Frist des § 59 Abs. 2 Satz 2 FlurbG lediglich um eine Ladungsfrist und nicht um eine "Beschwerdefrist". Die Beschwerdefrist beginnt und endet normalerweise am Tage des Anhörungstermins. Sie kann auch - im Freistaat Bayern sogar um zwei Wochen - verlängert werden. Damit werden jedoch unzulässige, vorher eingelegte "Beschwerden" gerade mit Rücksicht auf die besondere Bestimmung des Flurbereinigungsgesetzes nicht durch Zeitablauf zulässig, weil sonst, wie oben bereits dargelegt, das gesamte System des Flurbereinigungsgesetzes in Unordnung geraten würde. Denn jeder Teilnehmer hat das Recht, seine Beschwerden im Anhörungstermin und in Bayern sogar noch zwei Wochen danach vorzubringen.

War die "Beschwerde" der Klägerin vom November 1961 aber nach alledem unzulässig, so konnte sie den Eintritt der Rechtskraft des Flurbereinigungsplanes II nicht hindern. Daraus folgt weiter, daß, da sonstige Einwendungen gegen die Anordnung vom 21. Februar 1962 nicht erhoben worden sind, diese Anordnung gültig war, und daher die Klage im vollen Umfange abgewiesen werden mußte.