Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.04.1970 - III ZR 114/68 = NJW 1970 S. 1414

Aktenzeichen III ZR 114/68 Entscheidung Urteil Datum 27.04.1970
Gericht Bundesgerichtshof Veröffentlichungen NJW 1970 S. 1414  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Ein Beamter, der eine unrichtige, mißverständliche oder unvollständige Auskunft erteilt, verletzt auch dann eine Amtspflicht, wenn sich die Auskunft, die eine Zusage bedeuten kann, auf eine künftige Entscheidung oder Leistung einer Behörde bezieht.
2. Das gilt gewöhnlich auch dann, wenn die Zusage fehlerhaft ist und deswegen von der Behörde nicht eingehalten wird.

Aus den Gründen

Nach der festen Rechtsprechung des Senats muß eine Auskunft, die eine Behörde dem Bürger gibt, nicht nur richtig, sondern auch unmißverständlich sein, nämlich so klar und vollständig, daß der Empfänger entsprechend disponieren kann (VersR 55, 580; 64, 919). Ob eine Auskunft genügend eindeutig ist, hängt davon ab, wie der Empfänger sie auffaßt und auffassen kann oder welche Vorstellungen sie erwecken konnte (LM Nr. 19 zu § 839 (Fc) BGB). Klarheit der Auskunft ist insbesondere nötig, wenn Fachkenntnisse auf dem besprochenen Gebiet beim Empfänger nicht vorausgesetzt werden können; in diesem Fall muß die Auskunft so eindeutig sein, daß Mißverständnisse und Zweifel wie sie bei Unerfahrenen leicht entstehen können, möglichst ausgeschlossen sind (BGH, VersR 64, 919).

Hier hat Landesbaudirektor B. zwar nicht eine Auskunft über die Rechtslage oder über tatsächliche Verhältnisse gegeben, etwa dem Kläger eine schon endgültige Planung für die Zufahrt zu seinem Grundstück erklärt. Er hat vielmehr dem Kläger zugesichert, daß der Beklagte eine Zufahrt von der Landstraße zum Grundstück des Klägers - nach dessen Vortrag eine unmittelbare - bauen werde; d.h. er hat ein künftiges Verhalten seiner Behörde zugesagt. Auch solche Auskünfte über künftige Entscheidungen oder Leistungen einer Behörde müssen jedoch klar, unmißverständlich und vollständig sein. Denn auch für sie gilt der Grund, aus dem Rechtsauskünfte und Mitteilungen über tatsächliche Verhältnisse eindeutig sein müssen: Der Beamte soll dem Staatsbürger, soweit er mit dessen Angelegenheiten befaßt ist, zu erreichen helfen, was ihm zusteht oder er im Rahmen des Möglichen und Zulässigen zu erreichen wünscht (BGH, NJW 57, 1873; 60, 1244; 65, 1226). Auskünfte eines Beamten müssen deshalb richtig, eindeutig und vollständig sein, weil andernfalls bewirkt werden kann, daß der Bürger über seine Angelegenheiten oder Rechte in einer Weise disponiert, die ihn benachteiligt. Solche Folgen zu verhindern, ist aber Aufgabe und Amtspflicht des Beamten gegenüber dem ratsuchenden oder eine Auskunft erbittenden Bürger.

Über künftige Entschließungen und Leistungen einer Behörde kann zwar, weil sie von einer Änderung wesentlicher Umstände beeinflußt werden können, weniger zuverlässig als über tatsächliche Verhältnisse Auskunft gegeben werden; gleichwohl müssen auch solche Auskünfte richtig, unmißverständlich und vollständig sein. Wegen dieser "in die Zukunft wirkenden" Auskünfte über künftiges Verhalten einer Behörde wird allerdings angezweifelt, ob das Vertrauen in sie in vollem Umfang Rechtsschutz hat; insbesondere für den Fall, daß sie, mit Verpflichtungswillen erklärt, sich zu einer Zusage verdichten und, weil dem Gesetz widersprechend oder von nicht zuständiger Stelle erklärt, fehlerhaft sind - wie hier nach Ansicht des Beklagten die Zusage einer unmittelbaren Zufahrt zum Grundstück des Klägers (vgl. hierzu: BVerwG, DVBl. 66, 857; auch BVerwG, DVBl. 67, 663 und DÖV 66, 202; ferner Rohwer-Kahlmann, DVBl. 62, 622, und Haueisen, NJW 61, 1901, beide m. w. Nachw.). Dieser Charakter eines "Provisoriums", den Auskünfte über künftiges Verhalten einer Behörde in der Regel haben, mag auch ihre Bindungswirkung gegenüber der Behörde einschränken. Soweit es jedoch darum geht, ob unrichtige und mißverständliche Auskünfte eines Beamten pflichtwidrig sind und mithin Amtshaftungsansprüche auslösen können, gibt die Interessenlage keinen Anlaß, den Vertrauensschutz für Mitteilungen über künftiges Verhalten einer Behörde wegen ihres gekennzeichneten besonderen Wesens einzuschränken; grundsätzlich auch dann nicht, wenn sie eine fehlerhafte Zusage enthalten. Denn der Beamte ist nicht überfordert mit der Pflicht, künftige Entscheidungen oder Leistungen seiner Behörde nur dann als gewiß anzukündigen, wenn er sorgfältig geprüft hat, ob diese Gewißheit nicht wegen der Möglichkeit künftiger Änderung wesentlicher Umstände oder aus anderen Gründen zweifelhaft ist. Für den Fall, daß eine Auskunft oder Zusage aus Gründen unrichtig ist, die der Beamte auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht erkennen kann, schützt ihn das Erfordernis des Verschuldens in § 839 BGB vor unbilliger Haftung. Auch das Vertrauen des Bürgers in Mitteilungen eines Beamten über künftige Entscheidungen und Leistungen einer Behörde muß deswegen geschützt werden durch die Amtspflicht, den Bürger nicht durch unrichtige, mißverständliche oder unvollständige Auskünfte oder Zusagen zu nachteiligen Dispositionen zu veranlassen.