Flurbereinigungsgericht Mannheim, Urteil vom 27.11.1969 - VII 664/67
Aktenzeichen | VII 664/67 | Entscheidung | Urteil | Datum | 27.11.1969 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Mannheim | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Bei einem Zeitraum von neun Jahren zwischen Anhörungstermin und Klageerhebung liegt das in der Klageerhebung enthaltende Begehren um Nachsicht nach § 134 Abs. 2 Satz 1 FlurbG jenseits der Grenzen des der Flurbereinigungsbehörde in § 134 Abs. 3 FlurbG in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 FlurbG eingeräumten Ermessens für die Zulassung verspäteter Beschwerden. |
Aus den Gründen
Der Nachsichtgewährung aus Ermessen nach § 134 Abs. 2 Satz 1 FlurbG hat das Gesetz ausdrücklich keine zeitlichen Grenzen gesetzt. Die Flurbereinigungsbehörde kann daher trotz schuldhafter Versäumnis eine Beschwerde noch nachträglich zulassen. Bei Ausübung des bei dieser Zulassung abzuwägenden Ermessens ist aber zu berücksichtigen, daß die Flurbereinigung unter dem Gebot größtmöglicher Beschleunigung des Verfahrens steht (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.7.1962 - I C 89.61 = RdL 1962, 328). Diesem leitenden Grundsatz, der in verschiedenen Vorschriften des Gesetzes sowohl für das Verwaltungsverfahren als auch für das gerichtliche Verfahren seinen Niederschlag gefunden hat, dient u. a. die Durchführung des Verfahrens in einzelnen Verfahrensabschnitten. Sie werden jeweils durch entsprechende Entscheidungen abgeschlossen, gegen die den einzelnen Teilnehmern Rechtsmittel mit verhältnismäßig kurzen Rechtsmittelfristen zustehen. Diese Regelung soll im Interesse aller Beteiligten verhindern, daß die im Flurbereinigungsplan getroffene Neuordnung des Flurbereinigungsgebiets, die für die Beteiligten und für die Behörde verbindlich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.5.1961 - I C 102.58 - RdL 1961, 274), noch nach längerer Zeit wieder umgestoßen werden kann mit der Folge, daß die mit der Flurbereinigung erstrebte Verbesserung der Agrarstruktur im Bereinigungsgebiet verzögert wird. Das Gebot der beschleunigten Durchführung des Verfahrens, das auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten beachtlich ist (vgl. BVerwGE 9, 288), muß als tragendes Rechtsprinzip bei der Anordnung und Auslegung aller das Verfahren betreffenden Bestimmungen berücksichtigt werden. Schon hieraus ergeben sich zeitliche Grenzen auch für die im Interesse der Behörden stehende Nachsichtgewährung gem. § 134 Abs. 2 Satz 1 FlurbG, obwohl das Gesetz ausdrücklich keine Beschränkung, wie z. B. in § 60 Abs. 3 VwGO, angeordnet hat. Im Falle des Klägers liegt das in der Klageerhebung enthaltene Begehren um Nachsicht jenseits der Grenzen des der Flurbereinigungsbehörde in § 134 Abs. 3 FlurbG i. V. m. Abs. 2 Satz 1 FlurbG eingeräumten Ermessens für die Zulassung verspäteter Beschwerden. Wenn auch nur ein Teil der am Verfahren Beteiligten so handeln würde wie der Kläger und ihnen Nachsicht gewährt würde, so wäre ein Flurbereinigungsverfahren nur in seltenen Fällen durchführbar, denn es liegen zwischen Klageerhebung und Anhörungstermin rd. 9 Jahre (vgl. BVerwG, Urt. vom 7.5.1965 - IV C 78.65 = RdL 1965, 244; Hess. VGH, Urt. vom 4.10.1968 - F III 184/65 - und Urt. d. erk. Senats vom 23.10.1969 -VII 644/68). Es erscheint auch nicht unbillig, dem Kläger Nachsicht zu versagen, da er keine einleuchtende Erklärung dafür vorbringen konnte, weshalb er erst nach 9 Jahren Klage erhob.