Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 28.08.1969 - 3 C 130/68 = RdL 1970 S. 51
Aktenzeichen | 3 C 130/68 | Entscheidung | Urteil | Datum | 28.08.1969 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Koblenz | Veröffentlichungen | = RdL 1970 S. 51 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Der besondere Lagewert für geringfügige und unvermeidbare Minderausweisungen an Bau- bzw. Bauerwartungsland kann im Flurbereinigungsverfahren durch Geld ausgeglichen werden. |
2. | Vergleiche, die im Flurbereinigungsverfahren innerhalb der Beschwerdeinstanz zwischen der Flurbereinigungsbehörde und einem Beteiligten abgeschlossen werden, sind öffentlich-rechtliche Verträge, die das Vorverfahren beenden, wenn sie die strittigen Punkte der Beschwerde vollständig erledigen. Eine trotz eines solchen Vergleichs aufrecht erhaltene Beschwerde ist unzulässig. |
Aus den Gründen
Die verhältnismäßig geringfügige Verschlechterung der Ortslagenabfindung der Kläger ist nicht geeignet gewesen, ihnen die begehrte zusätzliche Landausweisung zu gewähren.
Wie die Beweisaufnahme ergeben hat, fehlen den Klägern in der Ortslage bzw. der unmittelbaren Ortsrandlage 2,82 ar. Sie hatten 25,25 ar eingebracht. Unter Abzug des 9 %-igen Wegebeitrages von 2,27 ar - einem Beitrag, dessen Absetzung von den Klägern offensichtlich bei ihrer Berechnung übersehen worden ist - ergibt dies einen Anspruch von 22,98 ar. Zugeteilt wurden ihnen indessen lediglich 20,16 ar, so daß sie tatsächlich eine Minderzuteilung von (22,98 ar minus 20,16 ar =) 2,82 ar in ihrer Abfindung zu verzeichnen haben. Diese Minderausweisung in der Ortslage rechtfertigte aber keineswegs die zusätzliche Zuteilung von Bauland, wie dies die Kläger begehren. Der für die Gemeinde maßgebliche Bebauungsplan, der den aufgeführten Altbesitz der Kläger umfaßt, ist nämlich erst im Jahre 1968, d.h. zwei Jahre nach Erlaß der vorzeitigen Ausführungsanordnung, rechtsverbindlich geworden. Immerhin kann diesem Altbesitz, und zwar namentlich der Altparzelle Flur 1 Nr. 450/146, die vom Senat im Ortstermin besonders in Augenschein genommen worden ist, ein gewisser Lagewert als "Bauerwartungs- bzw. Rohbauland" nicht abgesprochen werden. Diesem besonders zu berücksichtigenden Lagewert hat das Gericht wegen der unvermeidbaren Minderausweisung von 2,82 ar im Bauerwartungsland bzw. Rohbauland durch eine zu gewährende Geldentschädigung Rechnung getragen. Als angemessene Entschädigung ist hierbei - unter Anhaltung der maßgeblichen Faktoren des Jahres 1966 - ein Betrag von 2,-- DM je Quadratmeter als angemessen angesehen worden, so daß den Klägern zusätzlich (2,82 ar x 2 =) ein Betrag von 564,-- DM zuzusprechen war. Nun sind zwar in der Literatur gegen diese vom Gericht in jahrelanger Rechtsprechung (vgl. 3 C 17/65 und 3 C 96/67) geübte Praxis - die im übrigen auch vom hessischen Flurbereinigungsgericht vertreten wird (Urteil vom 15. April 1969 - III F 10/67 -) - der Geldablösung für geringfügige und daher unvermeidbare Minderausweisung in Bau- bzw. Bauerwartungsland Bedenken erhoben worden (Allnoch in "Recht der Landwirtschaft" - RdL 1969, 205). Diese Gegenargumente sind aber nicht überzeugend. Es ist nämlich nicht einzusehen, warum § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG, der unter anderem festlegt, daß "unvermeidbare Minderabfindungen in Land in Geld abzufinden sind", nur auf landwirtschaftlich genutzte Flächen, nicht aber auf Bau- bzw. Bauerwartungsland Anwendung finden soll; den Klägern müßten andernfalls Kleinstparzellen ausgewiesen werden, die für sie ohne jeglichen wirtschaftlichen Nutzen wären. Auch würde die Ausweisung derartig kleiner Grundstücke dem tragenden Grundsatz der Flurbereinigung entgegenstehen, Landabfindungen in möglichst großen Grundstücken auszuweisen (§ 44 Abs. 3 Satz 1 FlurbG). Jedenfalls hat das Gericht keinen Anlaß gesehen, seine bisherige Rechtsprechung zu ändern, zumal hierdurch auch der Verwaltung erhebliche zusätzliche Arbeit aufgebürdet werden würde, die in keinem Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Erfolg stünde. Dieser Entscheidung steht wegen seines anderen Sachverhalts auch nicht etwa das Urteil des VGH Mannheim (Flurbereinigungsgericht) vom 12. Sept. 1968 - VII 597/67 - entgegen, da die Anwendung des § 44 Abs. 3 Satz 2 aaO ("unvermeidbare Minderausweisungen") hier aus tatsächlichen Erwägungen verneint wurde.
Vergleiche, die im Vorverfahren zwischen einem Beteiligten und der Behörde abgeschlossen werden, sind stets außergerichtliche Vergleiche. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sie im Rahmen des der Flurbereinigungsbehörde gemäß § 60 FlurbG obliegenden Verfahrens oder im förmlichen Beschwerdeverfahren vor der Oberen Flurbereinigungsbehörde (Spruchstelle) gemäß § 141 FlurbG abgeschlossen werden. Sie stellen sich als öffentlich-rechtliche Verträge dar, die zulässig sind, soweit die den Vertrag abschließenden Behörden über den Vertragsgegenstand verfügen können (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 1 und § 141 Abs. 2 FlurbG). Innerhalb des Beschwerdeverfahrens haben die außergerichtlichen Vergleiche zugleich den Charakter eines Verfahrensbeendigungsvertrages (Weytemayer, Der verwaltungsprozessuale Vergleich, Diss. Frankfurt a. Main, 1966). Es gehört also zum Inhalt dieser Vergleiche, daß sie das Vorverfahren beenden. Eine trotz eines den Streitgegenstand vollständig regelnden Vergleichs aufrechterhaltene Beschwerde wäre demnach unzulässig. Ein Vergleich der oben beschriebenen Art ist jedoch in dem vorliegenden Fall überhaupt nicht abgeschlossen worden.
Für die Entscheidung darüber, ob ein Vergleich im Vorverfahren abgeschlossen worden ist, ist nach obigen Ausführungen maßgebend, ob die streitigen Punkte der Beschwerde und damit das Beschwerdeverfahren erledigt worden sind. Dabei kommt es darauf an, ob erkennbar ist, daß beide Teile, Behörde und Beschwerdeführer, eine dahingehende Erklärung unmißverständlich abgegeben haben. Es kann nicht angenommen werden, daß ein Beschwerdeverfahren erledigt sein soll, wenn der Beschwerdeführer irgendwelche Vorbehalte gemacht hat oder wenn aus der protokollierten Erklärung hervorgeht, daß er die Beschwerde nicht als abgeschlossen ansieht - etwa weil er sich die Folgen des vorgesehenen Vergleichs noch einmal überlegen wollte. Die Verhandlungsniederschrift, bei der Vertreter der Flurbereinigungsbehörde und die Kläger über die vergleichsweise Erledigung des Beschwerdeverfahrens verhandelt haben, beginnt mit folgenden Worten: "Wir wären bereit, die eingelegte Beschwerde in vollem Umfang zurückzuziehen, wenn die Abfindung wie folgt geändert wird". Eine solche Satzeinleitung ist zu unvollständig, um daraus schließen zu können, daß ein Vergleich mit dem Charakter eines öffentlich-rechtlichen Vertrages und einer Verfahrensbeendigung zustande gekommen ist. Es fehlt nämlich die abschließende Erklärung der Kläger, daß sie - unter Berücksichtigung der vorgeschlagenen Änderungen - daß Beschwerdeverfahren als beendigt ansehen. Eine solche, den Einleitungshalbsatz notwendig ergänzende Erklärung kann auch nicht aus irgendwelchen, im Bereich einer klägerischen Willenserklärung liegenden Umständen geschlossen werden. Die Kläger haben ganz im Gegenteil vielmehr die erst mögliche Gelegenheit benutzt, um zu erklären, daß sie die Beschwerde aufrecht erhielten. Mangels eines das Beschwerdeverfahren erkennbar abschließenden Vergleichs war die Beschwerden nicht unzulässig.