Flurbereinigungsgericht Münster, Urteil vom 10.01.1969 - IX G 7/66
Aktenzeichen | IX G 7/66 | Entscheidung | Urteil | Datum | 10.01.1969 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Münster | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Durch § 47 Abs. 3 FlurbG wird den Flurbereinigungsbehörden lediglich die Ermächtigung zu Befreiungen überhaupt erteilt, nicht aber auch ein Ermessensspielraum eingeräumt. |
Aus den Gründen
Über den Antrag auf Freistellung von den - nahezu sämtlichen - Landbeiträgen war nach Maßgabe von § 47 Abs. 3 FlurbG zu entscheiden. Der erkennende Senat legte diese Bestimmung in ständiger Rechtsprechung Anträgen auf Befreiung von Landbeiträgen zu Grunde. Der sonst vereinzelt in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung, daß von der Flurbereinigungsbehörde die Heranziehung zu den Lasten, also auch zu den Geldbeiträgen, von den im Flurbereinigungsverfahren von den einzelnen Teilnehmern erzielten Vorteilen abhängig gemacht werden dürfe und nur ausnahmsweise die Vorschrift des § 47 bzw. § 19 Abs. 3 FlurbG maßgeblich sei, teilt der Senat nicht. Dabei leiten ihn folgende Erwägungen: Die Heranziehung zu den Flurbereinigungskosten nach den verhältnismäßigen, durch die Verfahrensmaßnahmen erlangten Vorteilen ist in jedem Falle sehr schwierig und oft sogar unmöglich. Denn die Feststellung der Vorteile der vielen Teilnehmer - und gelegentlich auch deren relative Nachteile -, vor allem die Abwägung der Vor- und Nachteilswertigkeiten sowie die Fülle der verschiedenen Wertbeziehungen der am Flurbereinigungsverfahren beteiligten Besitzstände untereinander, kann mit vertretbaren personellen und sachlichen Mitteln nach dem zur Zeit vorliegenden Stand der dafür infrage kommenden wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten nicht bewältigt werden. Dies ist selbst unter unverhältnismäßig großem Einsatz aller erdenklichen Feststellungsversuche ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Kosten nur in ganz seltenen Fällen zu erreichen. Der Gesetzgeber hat daher bei dem Erlaß der hier in Rede stehenden Vorschrift einen praktikablen Ausweg gesucht und, wie der Senat annimmt, auch gefunden. In der offenbaren Annahme, daß nach Einhaltung des vom Gesetz gewährten Hauptanspruchs eines an den Planmaßnahmen mit seinem Grundbesitz beteiligten Grundeigentümers, nämlich des Anspruchs auf eine wert- und zweckmäßige Abfindung, und bei Beachtung der sicheren Feststellung des für die Einleitung eines Flurbereinigungsverfahrens notwendigen objektiven Interesses der Beteiligten an den Verfahrensmaßnahmen - und zwar unter Berücksichtigung der mit dem Verfahren verbundenen voraussehbaren Kostenbelastung - augenscheinlich in aller Regel keine Nachteile für den einzelnen zu erwarten sind, sieht der Gesetzgeber eine Befreiung von den Flurbereinigungskosten nur für Ausnahmefälle als gerechtfertigt und zulässig an. In den von ihm durch § 47 Abs. 3 FlurbG bestimmten Fällen würde es, gewährte man dafür nicht eine Befreiung von den Landbeiträgen, zu offenbareren Sonderopfern der betroffenen Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens führen, die eine nach dem Grundgesetz nicht zulässige Vermögensbeeinträchtigung darstellen müßten. Daß nach § 47 Abs. 3 FlurbG nicht jegliche relative Härte in bezug auf die Landbeitragsbelastung kostenbefreiend wirken soll, hängt damit zusammen, daß in aller Regel eine Flurbereinigung für die Mehrzahl der Teilnehmer nicht nur mit einer wertgleichen Abfindung abschließt, sondern daß in der Zuteilung noch oftmals nicht unbeachtliche Vorteile geboten werden, die bei einer strengen Abwägung der Einwurfswerte einerseits und der Abfindungswerte andererseits, und zwar unter Berücksichtigung der gesamten Kostenbelastung insgesamt keine absolute Vermögensbeeinträchtigung bei den Teilnehmern erkennen und deshalb nur im Verhältnis zu anderen Teilnehmern, nicht aber schlechthin eine Härte annehmen lassen, während in diesen Fällen bei klar ersichtlicher Verletzung des Anspruchs auf wertgleiche Abfindung eine unbillige Härte im Sinne des § 47 Abs. 3 FlurbG gegeben wäre.
Nach der angezogenen Vorschrift "kann" die Flurbereinigungsbehörde zur Vermeidung von offensichtlichen und unbilligen Härten ausnahmsweise von den Landbeiträgen befreien. Entgegen anderer Auffassung - vgl. Steuer, Flurbereinigungsgesetz Anm. 13 zu § 19, der für die Geldbeiträge dem § 47 FlurbG entspricht - drückt das Wort "kann" nicht aus, daß die Anwendung von § 47 Abs. 3 FlurbG im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde steht. Es sollte mit dieser Ausdrucksweise den Flurbereinigungsbehörden die Ermächtigung zu Kostenbefreiungen überhaupt erteilt werden, und zwar der Planungsbehörde im Gegensatz zur Teilnehmergemeinschaft. Denn im einzelnen erfüllen die Bestimmungen der angeführten Vorschrift die Merkmale von unbestimmten Rechtsbegriffen, so daß der Senat bei der Heranziehung dieser Vorschrift zur Rechts- und nicht zur Ermessensanwendung genötigt ist. Es wäre ungereimt, einerseits die Merkmale eines echten Anspruchs zu bestimmen, ihn andererseits aber in das Ermessen der Behörde zu stellen, obgleich die Vorschrift in diesem Punkte im ganzen die Übereinstimmung des Flurbereinigungsgesetzes mit dem Grundgesetz (Art. 14) herstellen muß und offenbar auch soll.
Die Prüfung der Voraussetzung von § 47 Abs. 3 FlurbG hat das Verhältnis der relativen, im Verhältnis zu den anderen Teilnehmern des Verfahrens gegebenen Vorteile festzustellen und zu werten - vgl. Steuer, Flurbereinigungsgesetz Anm. 12 zu § 19 FlurbG -.
Für die Landbeiträge, um die es sich im vorliegenden Zusammenhang handelt, kommt es daher auf die Bestimmung der Vorteile an, die der Kläger genau und die übrigen Teilnehmer im Durchschnitt durch das Verfahren erlangt haben. Dazu muß man sich vor Augen führen, wofür der Landbeitrag nach § 47 FlurbG erhoben wird, abgesehen von dem für öffentliche Anlagen, die den allgemeinen Nutzen der Gemeinde betreffen. Der Landbeitrag ist für die Durchführung der Maßnahmen eines Verfahrens unerläßlich, da die Zusammenlegung von Grundstücken generell, wenn auch nicht in allen Teilen des Verfahrensgebietes, die volle oder teilweise Neuerstellung von Wirtschaftswegen, Wasserläufen und anderen öffentlichen Anlagen der Landwirtschaft erfordert, um das gesetzliche Ziel des Verfahrens erreichen zu können. Das verlangt einen quantitativ erheblichen Einsatz von Grundstückswerten, da für diese Zwecke oft gerade auch hochwertige Böden mit hohem Schätzungswert Verwendung finden müssen, während in aller Regel die in etwa dafür zum teilweisen Ausgleich in die Wertmasse des Verfahrens zurückfallenden alten Wege und Gräben, soweit sie nach den Planungen nicht mehr erforderlich sind und daher eingezogen werden, nur einen geringen Schätzungswert und einen niedrigen Aufbringungswert haben. Außer für die gänzlich neuen Wege und Gräben wird der Landbeitrag im Flurbereinigungsverfahren, der sogenannte Wegebeitrag, für die Verbreiterung oder Vergrößerung von Wegen und Wasserläufen und anderer öffentlicher Anlagen benötigt, um für die Bewirtschaftung der Ländereien des Verfahrens optimale Bedingungen zu schaffen.