Flurbereinigungsgericht Lüneburg, Urteil vom 10.01.1969 - A 20/68
Aktenzeichen | A 20/68 | Entscheidung | Urteil | Datum | 10.01.1969 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Lüneburg | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Voraussetzungen bei der Hebung von Vorschüssen. |
Aus den Gründen
Die beklagte Teilnehmergemeinschaft hat die Klägerin sowohl durch den Heranziehungsbescheid vom 17. Febr. 1968 als auch durch die sie betreffenden Eintragungen in der Kostenverteilungsliste vom 21. Febr.1968 für das Jahr 1968 zu Vorschüssen auf die Flurbereinigungsbeiträge in Höhe von 718,20 DM herangezogen.
Obwohl die Beklagte durch den Heranziehungsbescheid und durch die Eintragungen in der Kostenverteilungsliste den gleichen Betrag von der Klägerin fordert, handelt es sich nach der Ausgestaltung der mit gesonderten Rechtsmittelbelehrungen versehenen Verfügungen um zwei selbständige Verwaltungsakte der Beklagten. Da aus der Übereinstimmung der Erklärungen jedoch zu ersehen ist, daß die Beklagte den Betrag von 718,20 DM nur einmal fordert, sind daraus keine Bedenken herzuleiten. Denn der Beklagten steht es frei, die Teilnehmer durch einzeln zugestellte Heranziehungsbescheide oder in der Form einer an alle Teilnehmer gerichteten Aufforderung zu den Flurbereinigungsbeiträgen (Vorschüssen) heranzuziehen. Die "Häufung" der Verwaltungsakte ist in diesem Falle unschädlich. Die Beschwerde des Rechtsvorgängers der Klägerin vom 28. Febr. 1968 richtet sich unter der gebotenen Berücksichtigung der hier vorliegenden Umstände sinngemäß auch gegen die Eintragungen in der Kostenverteilungsliste, wenn in der Beschwerdeschrift auch nur der Heranziehungsbescheid ausdrücklich als Beschwerdegegenstand bezeichnet ist, zumal beide Verwaltungsakte von der Beklagten fast im gleichen Zeitpunkt erlassen worden sind. Durch die Beschwerde vom 28. Febr. 1968 werden dementsprechend die beiden inhaltlich übereinstimmenden Verwaltungsakte der Beklagten angefochten. Die Beschwerdebehörde hat gleichfalls durch den Beschwerdebescheid vom 24. Juni 1968 sinngemäß über die Einwendungen gegen beide Verwaltungsakte der Beklagten entschieden, obwohl sie ausdrücklich auch nur die Einwendungen gegen die Eintragungen in der Kostenverteilungsliste zurückgewiesen hat. Beschwerdebehörde, die über Verwaltungsakte der Teilnehmergemeinschaft zu entscheiden hat, ist nach § 18 Abs. 3 FlurbG die Flurbereinigungsbehörde.
Nach § 19 Abs. 1 FlurbG kann die Teilnehmergemeinschaft die Teilnehmer zu Beiträgen in Geld oder in Sachen, Werken, Diensten oder in anderen Leistungen heranziehen. Die Beiträge sind von den Teilnehmern nach dem Verhältnis des Wertes ihrer neuen Grundstücke zu leisten, soweit nicht im Flurbereinigungsplan etwas anderes festgesetzt ist. Solange der Maßstab für die Beitragspflicht noch nicht feststeht, bestimmt die Flurbereinigungsbehörde einen vorläufigen Beitragsmaßstab, nach dem Vorschüsse zu erheben sind. Der Maßstab für die Beitragspflicht steht erst fest, wenn der Flurbereinigungsplan rechtskräftig (§ 61 FlurbG) feststeht.
Ein Teilnehmer kann zu Vorschüssen auf die Flurbereinigungsbeiträge nur herangezogen werden, wenn
a) die Flurbereinigungsbehörde einen vorläufigen Beitragsmaßstab festgesetzt,
b) der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft unter Berücksichtigung des von der Flurbereinigungsbehörde festgesetzten vorläufigen Beitragsmaßstabes zur Bestreitung der der Teilnehmergemeinschaft obliegenden Aufgaben eine entsprechende Vorschußhebung beschlossen, und
c) der Vorsitzende in Ausführung dieses Vorstandsbeschlusses einen Heranziehungsbescheid in diesem Rahmen erlassen hat.
Die Festsetzung des vorläufigen Beitragsmaßstabes liegt nicht in einer entsprechenden Aufstellung der Kostenverteilungsliste durch die Flurbereinigungsbehörde. Durch die Aufstellung der Kostenverteilungsliste nimmt die Flurbereinigungsbehörde keine ihr durch das Flurbereinigungsgesetz übertragene eigene Aufgabe wahr, sondern leistet der Teilnehmergemeinschaft lediglich die erforderliche Amtshilfe, weil ihr die hierfür benötigten Verfahrensunterlagen und die geeigneten Fachkräfte zur Verfügung stehen, die der Teilnehmergemeinschaft fehlen. Die Teilnehmergemeinschaft benötigt die Kostenverteilungsliste, um die Beitrags- oder Vorschußforderungen gegen die einzelnen Teilnehmer zu erfassen und sicherzustellen, daß sich die Summe der Einzelforderungen mit dem beschlossenen Gesamtbetrag der Hebung deckt. Da die Einziehung der Flurbereinigungsbeiträge und Vorschüsse nach § 18 Abs. 1 FlurbG der Teilnehmergemeinschaft als eigene Aufgabe obliegt, gehört die Aufstellung der Kostenverteilungsliste zu den Geschäften der Teilnehmergemeinschaft, die ihr Vorstand für sie führt (§ 25 Abs. 1 FlurbG). Wenn sie im Wege der Amtshilfe tätig wird, nimmt eine Behörde nicht eigene Geschäfte, sondern fremde Geschäfte für einen Dritten wahr. Das Kulturamt Lübeck ist mit der Aufstellung der Kostenverteilungsliste somit nicht im eigenen Interesse, sondern für die Beklagte tätig geworden. Bei der Festsetzung des vorläufigen Beitragsmaßstabes handelt es sich dagegen um eine der Flurbereinigungsbehörde durch § 19 Abs. 1 Satz 3 FlurbG übertragene eigene Aufgabe. Die Wahrnehmung einer eigenen Aufgabe erfordert jedoch, abgesehen von der bei Verwaltungsakten notwendigen Verlautbarung, eine entsprechende Willensbildung. Die Beklagte hat eine entsprechende Willensbildung des Kulturamts nicht darzulegen vermocht, da zum Nachweis hierfür, wie die vorstehenden Ausführungen ergeben, eine nur im Wege der Amtshilfe aufgestellte entsprechende Kostenverteilungsliste nicht als ausreichend angesehen werden kann. Damit fehlt es aber an einer wesentlichen Voraussetzung für die Hebung von Vorschüssen. Der Senat hat im übrigen mit Rücksicht auf die Begründung des Beschwerdebescheides erhebliche Zweifel daran, ob das Kulturamt sich bereits im Zeitpunkt der Aufstellung der Kostenverteilungsliste überhaupt darüber im klaren war, daß die Beklagte trotz der Vorlage des Flurbereinigungsplanes wegen der noch nicht rechtskräftig entschiedenen Planbeschwerden noch keine endgültigen Flurbereinigungsbeiträge fordern konnte.
Neben der mangelnden Festsetzung des vorläufigen Beitragsmaßstabes durch die Flurbereinigungsbehörde fehlt es für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten an einem Beschluß des Vorstandes der Beklagten über die Hebung von Vorschüssen für das Jahr 1968 (Voraussetzung zu b). Die Beklagte räumt selbst ein, daß "eine schriftliche Niederlegung des Verhandlungsergebnisses in der Form eines Vorstandsbeschlusses" in der Besprechung am 9. Januar 1968 nicht erfolgt sei. Der Aktenvermerk des Kulturamts vom 12. Januar 1968 erwähnt die Besprechung vom 9. Januar 1968 überhaupt nicht, geschweige, daß er eine Auskunft über Erklärungen des Vorstandes der Beklagten in dieser Besprechung gibt. Der Senat vermochte daher nicht festzustellen, daß der Vorstand der Beklagten am 9. Januar 1968 die Hebung von Vorschüssen für das Jahr 1968 beschlossen hat. Er vermag der Beklagten ferner nicht darin zu folgen, daß in der Unterzeichnung der Kostenverteilungsliste durch den Vorsitzenden ihres Vorstandes der Beweis für einen entsprechenden Vorstandsbeschluß liege. Abgesehen davon, daß die hiermit aufgestellte Behauptung über das Vorliegen eines Vorstandsbeschlusses mit den vorhergehenden Erklärungen der Beklagten in Widerspruch steht, beruht sie offensichtlich auf einer Verkennung der Aufgaben der Teilnehmergemeinschaft und ihrer Organe. Der Teilnehmergemeinschaft obliegen im Flurbereinigungsverfahren neben der Mitwirkung bei bestimmten Maßnahmen der Flurbereinigungsbehörde Aufgaben, die sie in eigener Zuständigkeit auszuführen hat. Hierzu gehören die Beitragshebungen. Die Teilnehmergemeinschaft hat daher Beitragshebungen selbständig und eigenverantwortlich zu beschließen. Der Flurbereinigungsbehörde steht insoweit nach § 17 Abs. 1 FlurbG nur eine Aufsicht darüber zu, daß die Teilnehmergemeinschaft im Einklang mit dem Zweck des Flurbereinigungsgesetzes handelt. Da in der nur im Wege der Amtshilfe aufgestellten Kostenverteilungsliste keine lediglich zustimmungsbedürftige Anordnung der Flurbereinigungsbehörde über die Beitragshebung liegt, die von der Teilnehmergemeinschaft nur noch durchzuführen ist, vermag eine "Zustimmung" zu der von der Flurbereinigungsbehörde aufgestellten Kostenverteilungsliste, die die Beklagte behauptet, nicht den erforderlichen eigenverantwortlichen Beschluß des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft über die Beitragshebung zu ersetzen.
In einer "Zustimmungs"erklärung des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft liegt in der Regel auch nicht nur eine unschädliche ungenaue Wiedergabe der erfolgten sachgerechten Willensbildung, da nach den gesetzlichen Bestimmungen zwischen zustimmungsbedürftigen Maßnahmen der Flurbereinigungsbehörde und eigenverantwortlichen Aufgaben der Teilnehmergemeinschaft zu unterscheiden ist. Durch den Gebrauch des gleichen Begriffs für unterschiedliche Tatbestände wird der zwischen ihnen bestehende Unterschied aber verwischt. Selbst wenn daher der Aktenvermerk vom 12. Januar 1968 die erforderliche Sitzungsniederschrift ersetzen würde und ihm zu entnehmen wäre, daß der Vorstand der Beklagten in der Besprechung am 9. Januar 1968 der Hebung von Vorschüssen "zugestimmt" hätte, ließe sich daraus nicht ersehen, ob ihm bewußt geworden ist, daß über eine eigene Maßnahme der Beklagten zu beschließen war. Wollte andernfalls der Vorstand der Beklagten, weil er sich über die gesetzliche Aufgabenverteilung im Flurbereinigungsverfahren nicht im klaren war, damit nur einer Maßnahme der Flurbereinigungsbehörde zustimmen, obwohl über eine eigene Maßnahme der Teilnehmergemeinschaft Beschluß zu fassen war, so würde es an einer den gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Willensbildung des Vorstandes gefehlt haben. Da im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen werden konnte, daß ein Beschluß des Vorstandes der Beklagten über die Hebung von Vorschüssen für das Jahr 1968 vorliegt, erübrigt es sich, auf die Bedenken der Klägerin gegen das Bestehen eines arbeitsfähigen Vorstandes der Beklagten einzugehen.
Da der Senat nach alledem davon ausgehen mußte, daß ein Vorstandsbeschluß der Beklagten nicht vorliegt, konnte dahingestellt bleiben, ob die Vorstandsmitglieder zu der "Besprechung" vom 9. Januar 1968 überhaupt ordnungsgemäß unter Mitteilung der Tagesordnung geladen worden sind. Es konnte ferner dahingestellt bleiben, ob die Bestimmung des vorläufigen Beitragsmaßstabes durch die Flurbereinigungsbehörde und der Beschluß des Vorstandes der Beklagten über die Hebung zu ihrer Wirksamkeit der Verlautbarung bedurft hätten, weil hier beide nicht vorhanden sind. Der Senat neigt jedoch dazu, in der Bestimmung des vorläufigen Beitragsmaßstabes und in dem Beschluß des Vorstandes über die Hebung Verwaltungsakte zu sehen, die der Bekanntgabe an die Teilnehmer bedürfen, um ihnen gegenüber wirksam zu werden. Das konnte in der Weise geschehen, daß entweder die beiden Verwaltungsakte getrennt von den Heranziehungsbescheiden bzw. der Kostenverteilungsliste öffentlich bekanntgemacht wurden oder daß die Bekanntgabe des Vorstandsbeschlusses über die Hebung mit der Bekanntgabe der Heranziehungsbescheide bzw. der Kostenverteilungsliste verbunden wurde, während nur die Flurbereinigungsbehörde die Bestimmung des vorläufigen Beitragsmaßstabes selbständig öffentlich bekannt machte.