Flurbereinigungsgericht Mannheim, Urteil vom 08.11.1967 - VII 763/65 = IK 1969, 103
Aktenzeichen | VII 763/65 | Entscheidung | Urteil | Datum | 08.11.1967 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Mannheim | Veröffentlichungen | = IK 1969, 103 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Frage der Berücksichtigung der Lage zur Sonne bei Weinberggelände als Faktor bei der Bodenschätzung, als besonderer Umstand, der bei der Landabfindung in Ansatz zu bringen ist, als Gesichtspunkt für die Gestaltung der Abfindung. |
2. | Ist die Lage zur Sonne bei der Bodenschätzung unbeanstandet bewertet worden, so scheidet die nochmalige Berücksichtigung einer günstigen Lage zur Sonne als besonderer Wertgesichtspunkt aus, und eine Verschiebung in ungünstigere Lagen kann regelmäßig nur unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung der Abfindung gerügt werden. |
Aus den Gründen
Zu erwägen war, ob es sich um eine Beanstandung der Schätzung handelt. Die Eignung von Rebgelände für den Anbau von Spätburgunderreben kann ein Hinweis auf den Nutzen sein, den ein Grundstück bei gemeinüblicher Bewirtschaftung jedem Besitzer gewähren kann (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 1 FlurbG). Wie durch die Angaben der Sachverständigen festgestellt wurde, können nur auf den in vieler Beziehung besseren Weinberglagen (bessere Lage zur Sonne und geringere Frostgefahr) Spätburgunderreben mit Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg angebaut werden. Insbesondere die Lage zur Sonne ist hierbei entscheidend. Die Lage zur Sonne bestimmt die für die Qualität und damit den wirtschaftlichen Erfolg entscheidenden Kriterien des Weines, Zucker- und Säuregehalt der Trauben. Dieser Einfluß ist von den Sorteneigentümlichkeiten der betreffenden Rebe weitgehend unabhängig (vgl. auch Eis, Flurbereinigung im Weinbau, Heft 8 der Schriftenreihe für Flurbereinigung, herausgegeben vom BMELF, S. 80), so daß in den für die anspruchsvollere Spätburgunderrebe geeigneten Lagen auch der Anbau von Müller-Thurgau-Reben zu einem besseren Ergebnis führt. Die Lage zur Sonne ist demgemäß im Gegensatz zu den Umständen, die nach dem Schätzungsrahmen für die Reichsbodenschätzung die Ertragsfähigkeit von Acker- und Wiesenland hauptsächlich bestimmen (Bodenbeschaffenheit i. V. mit den Grundwasserverhältnissen - vgl. DVO zum Bodenschätzungsgesetz vom 12.02.1935, RGBl. I S. 198), für die Schätzung von Rebgelände ein ausschlaggebender Faktor. In der obengenannten Veröffentlichung (Seite 80) wird davon ausgegangen, daß Weinbau an Nordhängen im allgemeinen nicht möglich sei (vgl. aber auch Jordan/Eggert/Kneissl, Handbuch der Vermessungskunde, Band IV b, Ländliche Neuordnung, 10. Aufl. S. 440). Da dies im vorliegenden Flurbereinigungsgebiet der Fall ist und die Kläger Abfindungsflurstücke in dieser Nordfläche erhalten haben, könnte erörtert werden, in welcher Weise (etwa mit Minuspunkten) dieser Umstand in der Schätzung berücksichtigt werden muß. Denkbar ist auch, daß die Kläger mit ihren Behauptungen die konkrete Schätzung ihrer Einlage- und Abfindungsflurstücke beanstanden, zumal sie hinsichtlich der Lage zur Sonne eine beachtliche Verschlechterung erfahren haben. Auch könnte gerügt werden, daß die Frostgefahr - ebenfalls einer der 12 Faktoren für die Weinbergschätzung - bei der Ermittlung des Wertverhältnisses nicht genügend berücksichtigt worden sei.
Die Beanstandung der Schätzung ist aber nicht der für das Prozeßziel der Kläger geeignete Weg. Die Kläger könnten allenfalls erreichen, daß ihre Abfindung hinsichtlich der Bemessung als ungleichwertig mit der Einlage beurteilt würde. Dies könnte zwar zu dem Ergebnis führen, daß eine nicht mehr in Geld auszugleichende Minderausweisung (vgl. § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG) besteht, so daß eine Umteilung erforderlich würde. Damit wäre aber noch nicht klargestellt, daß ihnen ein in der Lage zur Sonne günstigeres Flurstück zugeteilt werden müßte, was sie anstreben, indem sie eine Zuteilung im Spätburgundergebiet begehren.
Die Frage der Geeignetheit von Einlage und Abfindung für den Anbau von Spätburgunderreben könnte darauf hindeuten, daß damit die Rechtsfrage zur Diskussion gestellt wird, ob die besondere Eignung für bestimmte Rebsorten ein Umstand i.S. des § 44 Abs. 2 Halbs. 2 FlurbG ist, der wertgerecht in Ansatz gebracht werden müßte. Damit würde auch die weitere Frage in Verbindung zu bringen sein, ob sich die Abgrenzung der Geeignetheit an dem Rebenaufbauplan orientieren müßte oder ob die tatsächlichen Verhältnisse allein entscheidend sind. Diese Fragen müssen aber nach den getroffenen Feststellungen im vorliegenden Verfahren nicht abschließend entschieden werden. Wie die gehörten Sachverständigen, die auch an dem durchgeführten Augenschein teilnahmen, überzeugend darlegten, hängt im Bereich der streitigen Einlage- und Abfindungsflurstücke die Abgrenzung der Spätburgunder- und der Müller-Thurgau-Anbaugebiete ausschließlich von der Neigung zur Sonne ab, und zwar in der Weise, daß die Nordwest- und Nordlagen nicht für Spätburgunder, sondern höchstens für weniger anspruchsvolle Rebsorten, wie eben Müller-Thurgau-Reben, geeignet sind. Die übrigen Faktoren, die für den Anbau von Spätburgunderreben sprechen könnten, liegen bei sämtlichen in Rede stehenden Flurstücken vor. Diesen tatsächlichen Gegebenheiten ist auch der mehrfach - zuletzt 1966 - geänderte Rebenaufbauplan der Gemeinde O. vom 9.2.1956 angepaßt worden. Da nach der im vorliegenden Flurbereinigungsverfahren angewandten Schätzungsmethode die Lage zur Sonne im Bewertungsverfahren nach § 27 ff. FlurbG berücksichtigt worden ist, und etwaige Fehler nicht gerügt worden sind, kann dieser Umstand hier auch nicht über § 44 Abs. 2 Halbs. 2 FlurbG im Zuteilungsverfahren als besonderer Wertgesichtspunkt erneut zur Geltung kommen.