Flurbereinigungsgericht Lüneburg, Urteil vom 06.11.1962 - F OVG A 14/62 = OVGE 18-443= RdL 1963 S. 135
Aktenzeichen | F OVG A 14/62 | Entscheidung | Urteil | Datum | 06.11.1962 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Lüneburg | Veröffentlichungen | = OVGE 18-443 = RdL 1963 S. 135 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Als "bereits flurbereinigte Gemeinden" im Sinne des § 86 Abs. 3 FlurbG sind auch Gemeinden anzusehen, in denen ein Verkoppelungsverfahren nach älteren Agrargesetzen durchgeführt worden ist, wenn die gesetzliche Ausgestaltung des Verfahrens schon wesentliche Merkmale der modernen Flurbereinigung aufwies. |
Aus den Gründen
Der Beklagte hat den angefochtenen Beschluß, wie die Begründung erkennen läßt, auf § 86 Abs. 3 FlurbG gestützt, nach welchem eine vereinfachte Flurbereinigung u. a. auch durchgeführt werden kann für bereits flurbereinigte Gemeinden, in denen eine stärkere Zusammenlegung der Grundstücke erforderlich geworden ist. Die Gemeinde L. ist eine solche Gemeinde. Denn in ihr ist bereits ein Verkoppelungsverfahren nach dem Hannov. Gesetz über die Zusammenlegung von Grundstücken vom 30.06.1842 (Hann. GS. S. 131) durchgeführt worden, das durch den Rezeß betr. Spezialteilung und Verkoppelung L. vom 15.09.1854/04.04.1855 abgeschlossen worden ist. Der Senat hatte keine Bedenken, den Begriff "bereits flurbereinigt" i. S. des § 86 Abs. 3 FlurbG auf Gemeinden des niedersächsischen Raumes zu erstrecken, die einer Verkoppelung nach dem gen. Gesetz unterworfen waren. Die Begriffe "Flurbereinigung" und "flurbereinigt" sind nicht erst durch das FlurbG eingeführt worden, sondern, wie das frühere bayer. Landesrecht ergibt, in einzelnen Gegenden schon seit langem in Gebrauch gewesen. Im übrigen ist nach Sinn und Zweck des Gesetzes anzunehmen, daß unter "bereits flurbereinigten Gemeinden" nicht nur solche Gemeinden zu verstehen sind, für die bereits ein Verfahren nach dem FlurbG oder nach der RUO durchgeführt worden ist, sondern auch solche, die einem älteren agrarrechtlichen Verfahren unterlegen haben, wenn dieses Verfahren wesentliche Merkmale der heutigen Flurbereinigung aufwies. Nun sind im Zuge der Agrarreform des vorigen Jahrhunderts im norddeutschen Raum fast überall agrarrechtliche Auseinandersetzungsverfahren durchgeführt worden. Diese Verfahren waren indessen unterschiedlicher Art. Sie betrafen zum Teil nur die Aufhebung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse und der aus der älteren Agrarverfassung überkommenen Gemeinschaftsverhältnisse (Gemeinschaftsteilungen).
Dabei war mit der Beseitigung der Gemeinheiten nicht überall zugleich eine Zusammenlegung der in Gemengelage verbliebenen Grundstücke verbunden, wie überhaupt der Nutzen der Gemeinheitsteilungen früher und allgemeiner anerkannt wurde als derjenige der Zusammenlegungen. So hat z. B. die Zusammenlegung in den altpreußischen Gebieten erst durch das Gesetz betr. die Ausdehnung der Gemeinheitsteilungs-Ordnung vom 07.06.1821 auf die Zusammenlegung von Grundstücken, welche einer gemeinschaftlichen Nutzung nicht unterliegen, vom 02.04.1872 (GS. S. 329) selbständige Bedeutung erlangt. Anders verlief die Entwicklung in dem Gebiet des ehemaligen Königreichs Hannover. Zwar sind hier die Teilungsordnungen ebenfalls früher erlassen worden als die gesetzlichen Bestimmungen über die Zusammenlegung (Verkoppelung). Zu nennen sind vor allem die Gemeinheitsteilungen für das Fürstentum Lüneburg vom 25.06.1802, die Gemeinheits- und Markenteilungsordnung für das Fürstentum Osnabrück vom 25.06.1822 (Hann. GS. S. 219) und die Gemeinheitsteilungen für die Fürstentümer Calenberg, Göttingen und Grubenhagen, das Fürstentum Hildesheim und die Grafschaften Hoya und Diepholz vom 30.04.1824 (Hann. GS. S. 111, 221, 329). Indessen sind, wie das oben erwähnte Gesetz über die Zusammenlegung von Grundstücken vom 30.06.1842 und die an demselben Tage erlassene Verfahrensordnung für Gemeinheitsteilungs- und Verkoppelungssachen zeigen, für große Teile des niedersächsischen Raumes schon frühzeitig Vorschriften erlassen worden, die in erster Linie die Zusammenlegung von Grundstücken zum Gegenstande hatten und diese zur selbständigen Maßregel erhoben. Die Vorschriften des Gesetzes über die Zusammenlegung von Grundstücken vom 30.06.1842, nach denen auch die Verkoppelung in der Gemeinde L. durchgeführt worden ist, entsprachen dabei schon weitgehend den modernen Vorstellungen über die Flurbereinigung. Das ergibt sich u. a. aus den Vorschriften der § 10, § 13, § 17 - § 20, § 23 des Gesetzes.
Eine Gemeinde, die unter Anwendung dieser Vorschriften "verkoppelt" worden ist, kann danach unbedenklich als "bereits flurbereinigt" i.S. des § 86 Abs. 3 FlurbG angesehen werden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob und in welchen Fällen nach anderen Landesgesetzen durchgeführte agrarrechtliche Verfahren die Voraussetzungen des § 86 Abs. 3 FlurbG erfüllen.Anmerkung
Das Flurbereinigungsgericht Lüneburg hat diese Rechtsprechung im Urteil vom 28.8.1970 - F OVG A 2/70 - fortgesetzt.