Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.11.1961 - BVerwG I C 117.59 = RdL 1962 S. 106

Aktenzeichen BVerwG I C 117.59 Entscheidung Urteil Datum 14.11.1961
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen RdL 1962 S. 106  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Ein Flurbereinigungsteilnehmer, der in das Eigentum und in den Besitz der neuen Grundstücke eingewiesen worden ist, haftet für die von ihm zu vertretende Verschlechterung des Kulturzustandes der Grundstücke, wenn auf sein Betreiben im Rechtsmittelverfahren eine Planänderung vorgenommen wird.
2. Zu den Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs nach § 51 Abs. 1 FlurbG.
3. Zur Berechnung einer vorübergehenden Minderabfindung.

Aus den Gründen

In der angefochtenen Entscheidung ist ausgeführt, daß sich das Flurstück 111, welches auf Grund der Planänderung dem Beigeladenen zu 5) zurückgegeben wird, in einem schlechten Kulturzustand befindet und daher minderwertig ist. Dieser Mangel berührt aber nach den tatsächlichen Feststellungen nicht seine Schätzung, sondern ist auf eine starke, aber beseitigungsfähige Verunkrautung zurückzuführen. Der Beigeladene zu 5) erleidet somit im Rahmen der Durchführung des Flurb.Verfahrens einen vorübergehenden Nachteil, der nach § 51 Abs. 1 FlurbG ausgeglichen werden muß (Urt. vom 3.12.1959 - BVerwG I C 95/58 -). Dieser Ausgleichsanspruch richtet sich gegen die Teilnehmergemeinschaft (§ 18 Abs. 1 Satz 3, § 105 FlurbG; vgl. Urt. vom 12.5.1959 - BVerwG I C 227/56 -). Die Meinung des Flurb.Gerichts, es könne im Hinblick auf § 146 Nr. 1 FlurbG von sich aus bestimmen, daß die Kläger dem Beigeladenen zu 5) Ersatz zu leisten hätten, trifft nicht zu. Diese Vorschrift enthält lediglich eine für das Flurb.Gericht geltende Verfahrensregelung, die nicht die materiellrechtliche Grundlage für die sachliche Entscheidung bilden kann. Dem Flurb.Gericht stehen im Rahmen der Planänderungsbefugnis nach § 144 FlurbG die gleichen Befugnisse wie der Flurb.Behörde zu; es muß auch die für diese geltenden materiellrechtlichen Grundsätze beachten.

Wenn hiernach die Teilnehmergemeinschaft die Instandsetzungskosten für das Flurstück 111 zu tragen hat, so führt das nicht zu einer Freistellung der Kläger. Diese haben vielmehr der Teilnehmergemeinschaft einen Teil der erforderlichen Aufwendungen zu ersetzen. Die rechtliche Grundlage hierfür bildet § 51 Abs. 2 FlurbG. Nach dieser Vorschrift hat die Teilnehmergemeinschaft gegen die Kläger einen Erstattungsanspruch, weil diese durch eine Leistung der Teilnehmergemeinschaft insofern einen Vorteil erlangen, als sie von einer öffentlich-rechtlichen Ersatzverpflichtung befreit werden. Diese ergibt sich aus den Feststellungen des Flurb.Gerichts, die Verunkrautung des Flurstücks 111 sei im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß die Kläger das Grundstück nach der Besitzeinweisung bewußt nicht bewirtschaftet haben.

Den rechtlichen Erwägungen, mit denen das Flurb.Gericht die Ersatzverpflichtung der Kläger dem Beigeladenen zu 5) gegenüber begründet hat, vermag der Senat allerdings nicht zu folgen. Insbesondere kann nicht anerkannt werden, daß die Kläger verpflichtet gewesen seien, das Grundstück zu bewirtschaften. Eine Vorschrift des Flurb.Rechts, die eine solche Pflicht statuiert, besteht nicht. Die Verpflichtung der Kläger ergibt sich vielmehr aus folgenden Überlegungen: Durch die rechtliche und tatsächliche Ausführung des Flurb.Planes (§ 62 ff. FlurbG) erlangen die am Verfahren Beteiligten Eigentum und Besitz an den ihnen zugeteilten Flächen. Diese Rechtsposition ist für den Teilnehmer grundsätzlich verbindlich (Urt. vom 25.5.1961 - BVerwG I C 102/58 -). Ficht er die ihn betreffenden Festsetzungen des Flurb.Planes an, so werden diese nicht unwirksam; es wird jedoch ungewiß, ob und bis wann die eingetretenen Rechtswirkungen fortdauern werden. Sie stehen unter der auflösenden Bedingung, daß die Abfindung nicht geändert wird. Hat die Anfechtung keinen Erfolg, so werden die den Teilnehmer betreffenden Festsetzungen des Flurb.Planes mit der Rechtskraft der Entscheidung unbedingt; werden dagegen die Festsetzungen aufgehoben, tritt also die Bedingung ein, so werden die dinglichen Wirkungen ipso jure wieder beseitigt (Urt. vom 13.7.1961 - BVerwG I C 27/60 -) und es entsteht eine gesetzliche Herausgabeverpflichtung. Da der Teilnehmer mit der Anfechtung seiner Abfindung erreichen will, daß die ihm im Flurb.Plan eingeräumte Rechtsstellung rückgängig gemacht und durch eine andere ersetzt wird, und er einen Schwebezustand hinsichtlich der rechtlichen Wirkungen des ausgeführten Planes schafft, muß er alles vermeiden, was ihn hindert, das Grundstück in dem Zustand herauszugeben, in dem er es beim Besitzübergang empfangen hat. Ist der Zustand des Grundstücks während des Schwebezeitraums durch ein Verschulden des Teilnehmers verschlechtert worden, so hat er in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des § 160 Abs.2 BGB Schadensersatz zu leisten. Die Ersatzverpflichtung des Teilnehmers entsteht somit wegen verschuldeter Unmöglichkeit der Erfüllung seiner (gesetzlichen) Herausgabeverpflichtung.

Die hiernach erforderlichen Voraussetzungen für die Ersatzpflicht der Kläger liegen nach den Feststellungen des Flurb.Gerichts vor. Sie haben hinsichtlich des Flurstücks 111 diejenige Sorgfalt außer acht gelassen, die ein verantwortungsbewußter Landwirt in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt, und haben damit die Herausgabe der Fläche im ursprünglichen Zustand unmöglich gemacht. Sie sind somit ersatzpflichtig. Von dieser öffentlich-rechtlichen Verpflichtung werden die Kläger durch die Leistung der Teilnehmergemeinschaft an die Kirchengemeinde befreit.

Das Flurb.Gericht hat ausgeführt, daß "die Kläger zum vollen Ersatz der Wiederinstandsetzungskosten verpflichtet" seien. Hierzu muß folgendes bemerkt werden:

a) Der Erstattungsanspruch der Teilnehmergemeinschaft entspricht dem Umfang nach der Ersatzverpflichtung der Kläger. Diese wiederum wird festgelegt durch den Schaden, den die Kläger verursacht haben. Verursacht haben sie nicht den mangelhaften Kulturzustand schlechthin, sondern nur die Verschlechterung gegenüber dem Zustand, in dem sie das Grundstück empfangen haben. Sie müssen daher nach § 249 BGB entweder den Kulturzustand herstellen, den das Grundstück im Zeitpunkt des Besitzüberganges gehabt hat, oder die Teilnehmergemeinschaft so stellen, daß diese den ursprünglichen Zustand wiederherstellen lassen kann. Es kann also nicht der Auffassung des Flurb.Gerichts gefolgt werden, daß die Kläger verpflichtet seien, für den Betrag aufzukommen, der erforderlich ist, um das Grundstück schlechthin für eine Ackernutzung brauchbar herzurichten.

b) Die Kläger haben geltend gemacht, das Grundstück sei bereits im Zeitpunkt des Besitzüberganges verwahrlost gewesen. Das Flurb.Gericht hat diesen Einwand für unbeachtlich erklärt, da im Flurb.Verfahren "regelmäßig der eine oder andere Plan, der nicht in bestem Zustand ist, den Eigentümer wechselt, ohne daß dafür eine besondere Entschädigung gegeben werden" könne. Das bedeutet bei der hier zur Erörterung stehenden Ersatzverpflichtung der Kläger, daß sie nach der Auffassung des Flurb.Gerichts für etwas einzustehen haben, das sie nicht verursacht haben. Auf eine Vorschrift des FlurbG kann diese Überlegung nicht gestützt werden. Befindet sich ein Grundstück in einem unterdurchschnittlichen Kulturzustand, der keinen Einfluß auf den Schätzwert hat, so hat der Empfänger regelmäßig einen Ausgleichsanspruch nach § 51 Abs. 1 FlurbG. Ein solcher Anspruch ist allerdings dann ausgeschlossen, wenn auch die Grundstücke der Mehrzahl der übrigen Teilnehmer von solchen Mängeln betroffen sind. Das dürfte hinsichtlich einer starken Verunkrautung ein Ausnahmefall sein.

Ergibt die Prüfung der Streitsache unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Gesichtspunktes, daß die Kläger schon im Zeitpunkt des Besitzüberganges einen Ausgleichsanspruch gehabt hätten, so muß der sich hiernach ergebende Betrag von den heute für die gesamte Instandsetzung erforderlichen Kosten abgesetzt werden. Die Kläger haben nur für die Differenz der beiden Beträge einzustehen.

c) Das Flurb.Gericht hat festgestellt, daß die Kläger im Falle der Bewirtschaftung des Flurstücks 111 Mindererträge im Werte von 750,-- DM gehabt hätten. Hierbei ist es davon ausgegangen, daß der Plan zwar richtig eingeschätzt worden ist, daß aber durch die Festlegung der Plangrenzen verschiedenartige Böden zusammentreffen, die einheitlich bewirtschaftet werden müssen. Es hat darin zu Recht eine Verletzung des Grundsatzes der wertgleichen Abfindung erblickt, wenn es auch in diesem Zusammenhang von einem "Minderwert" dieses Planes spricht.

Die rechtliche Grundlage für die Beurteilung dieses Sachverhalts ergibt sich ebenfalls aus § 51 Abs. 1 FlurbG, wonach der Teilnehmer einen Ausgleichsanspruch hat, wenn der Wert der Gesamtabfindung vorübergehend nicht dem Wert der Einlage entspricht. Wird durch gerichtliche Entscheidung festgestellt, daß die einem Beteiligten im Flurb.Plan ausgewiesene Abfindung mit seinem Abfindungsanspruch nicht in Einklang steht, so ist der Schaden, den er von der Besitzeinweisung bis zur Planänderung durch das Flurb.Gericht erleidet, auszugleichen.

Für die Bemessung dieses Ausgleichsanspruchs ist von folgenden Überlegungen auszugehen: Der vorübergehende Unterschied zwischen Alt- und Neubesitz führt zu einer vorübergehenden Minderabfindung. Der Verlust, den der Beteiligte erleidet, besteht darin, daß er die ihm für die Minderzuteilung zustehende Fläche nicht hat bewirtschaften können und also keinen Ertrag gehabt hat. Durch Errechnung der Fläche, die erforderlich wäre, um die Minderabfindung auszugleichen, läßt sich der Schaden des Beteiligten feststellen. Es kann nicht, wie das Flurb.Gericht am Schluß seiner Entscheidung ausgeführt hat, auf den "erhöhten Wirtschaftsaufwand" oder den "Minderreinertrag" der zugeteilten Fläche abgestellt werden. Zunächst erscheint es - betriebswirtschaftlich gesehen - zweifelhaft, ob die durch eine ungünstige Gestaltung eines Grundstücks eintretende Ertragsminderung durch einen erhöhten Wirtschaftsaufwand ausgeglichen werden kann; jedenfalls entspricht der Betrag für den erhöhten Wirtschaftsaufwand nicht dem durch die Minderabfindung eingetretenen Verlust. Der hiernach unter Berücksichtigung dieser Erwägung sich ergebende Betrag ist bei der Gesamtberechnung zu berücksichtigen.