Bundesgerichtshof, Urteil vom 25.05.1961 - III ZR 60/60 = NJW 1961 S. 1356

Aktenzeichen III ZR 60/60 Entscheidung Urteil Datum 25.05.1961
Gericht Bundesgerichtshof Veröffentlichungen NJW 1961 S. 1356  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Der durch § 55 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 RUO (nunmehr § 50 Abs. 2 Satz 3 FlurbG) begründete Wegnahmeanspruch ist öffentlich-rechtlicher Natur, auch wenn er von einer Privatperson gegen eine andere Privatperson geltend gemacht wird. Über ihn haben die Verwaltungsgerichte, und zwar nach Maßgabe des § 140 FlurbG die Flurbereinigungsgerichte, zu befinden.

Aus den Gründen

Der Kläger war Eigentümer nicht nur des Grundstücks, sondern auch der Bäume, die er nunmehr wegnehmen will; denn diese waren wesentliche Bestandteile seines Grundstücks (§§ 93, 94 BGB). Dieses Eigentum wurde ihm im Zuge des Umlegungsverfahrens mit dem Tage entzogen, an dem nach der Ausführungsanordnung des § 65 Abs. 2 und 3 der in ihrem materiell-rechtlichen Teil nach § 156 Satz 1 FlurbG noch anwendbaren RUO die Rechtswirkung des Umlegungsplanes eintrat. An seiner Stelle wurde der Beklagte Eigentümer des Grundstücksteils und der Bäume als seiner wesentlichen Bestandteile. Die Vorschrift des § 55 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 RUO räumt nun allerdings ebenso wie nunmehr § 50 Abs. 2 Satz 3 FlurbG dem bisherigen Eigentümer das Recht ein, die in dieser Bestimmung näher bezeichneten Pflanzen - worunter nach dem Klagevortrag auch die erwähnten Bäume fallen - wegzunehmen, und zwar gerade nach dem Übergang des Eigentums; das Recht zur Wegnahme vor dem Eigentums- und Besitzübergang ergab sich - vorbehaltlich einer einstweiligen Anordnung nach § 41 RUO und der sonstigen allgemeinen Eigentumsbindungen - schon aus der freien Verfügungsmacht des Eigentümers. Damit hat der Gesetzgeber eine Ausnahme von dem Grundsatz gemacht, daß wesentliche Bestandteile dem neuen Eigentümer zum Verbleib zufallen und von der Umlegungsgemeinschaft abzufinden sind (vgl. § 34 Abs. 2, § 55 Abs. 2 Satz 1 RUO). Die rechtliche Grundlage für dieses Wegnahmerecht des bisherigen Eigentümers ist aber nicht mehr in seinem früheren Eigentum, sondern gerade in dem im Zuge des Umlegungsverfahrens begründeten Eigentumswechsel, in der Umlegung und damit in einem öffentlich-rechtlichen Akt zu finden. Diesem Akt ist der bisherige Eigentümer nicht schon in seiner Eigenschaft als Staatsbürger, sondern lediglich auf Grund des besonderen öffentlich-rechtlichen Verhältnisses der Beteiligung an einem bestimmten Umlegungsverfahren (§ 10 RUO), als Glied der öffentlich-rechtlichen Körperschaft der Teilnehmergemeinschaft (§ 17 RUO) unterworfen. Auch die Pflicht des neuen Eigentümers, die Wegnahme der in § 65 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 RUO aufgeführten Bestandteile zu dulden, ist nicht in dem allgemeinen Verhältnis von Bürger zu Bürger, insbesondere nicht in seinem Eigentum, sondern nur in seiner zwangsweisen Beteiligung am Umlegungsverfahren begründet. Das Umlegungsverfahren ist nicht nur der Anlaß, sondern die Grundlage für das Wegnahmerecht. Allerdings kann dieses Recht im weiteren Sinne als ein Restbestand des Eigentums des früheren Rechtsinhabers angesehen werden; seine letzte Wurzel liegt in diesem (privatrechtlichen) Eigentum. Dies ändert aber nichts an der Tatsache, daß es sich unmittelbar nur aus der Teilnahme von altem und neuem Eigentümer an der Umlegungsgemeinschaft ableiten läßt. Der Vollzug des § 55 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 RUO - einer Vorschrift, die sich in den Grundsätzen über die Abfindung der Beteiligten (§§ 48 - 56), also in den Bestimmungen über Rechtsfolgen der Umlegung findet - ist ein Teil der Abwicklung des öffentlich-rechtlichen Umlegungsverhältnisses und daher einschließlich des Wegnahmeanspruchs selbst mit Rücksicht auf diesen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Umlegungsverhältnis öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. allgemein Jellinek, Verwaltungsrecht 3. Auflage § 3 IV 2 S. 50, 51, 53 und im besonderen zu § 55 RUO; Hillebrandt-Engels-Geith, RUO - 1938 - Anm. 5 zu § 55, und Richter-Steffens, RUO - 1939 - Anm. 3 zu § 55; ferner Steuer, FlurbG 1956 - Anm. 9 zu § 50 FlurbG). Diese Abwicklung wurde durch die Schlußfeststellung des § 145 RUO beendet, daß "die Ausführung nach dem Umlegungsplan bewirkt ist und den Beteiligten keine Ansprüche mehr zustehen, die im Umlegungsverfahren hätten berücksichtigt werden müssen". Zu diesem aus der sog. Subjektionstheorie entwickelten Ergebnis gelangt man auch, wenn man das öffentliche von dem privaten Rechtsverhältnis nach den Grundsätzen der u.a. von Hans Wolff (ArchöffR 76, 209, 210) und Ule (Verwaltungsgerichtsbarkeit - 1960 - § 40 Anm. II) vertretenen sog. Subjektionstheorie trennt.

Daraus, daß § 55 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 RUO der Abwicklung des Umlegungsverhältnisses dient, folgt aber nun nicht, daß der Wegnahmeanspruch, wie die Revision meint, einen Entschädigungsanspruch darstellt, über den nach Art. 14 Abs. 3 Satz 3 GG die ordentlichen Gerichte zu befinden hätten. Wesen und Ziel des Umlegungsverfahrens besteht darin, daß alle zum Umlegungsgebiet gehörenden Grundstücke in die Umlegungsmasse eingeworfen werden, um sodann - nach Aussonderung der zur Erschließung erforderlichen Flächen - entsprechend dem Anteil der von den einzelnen Grundeigentümern eingeworfenen Grundstücke an der Umlegungsmasse gleichmäßig auf alle beteiligten Grundeigentümer verteilt zu werden. Dem einzelnen wird im Prinzip nichts genommen. Deshalb stellt das Umlegungsverfahren als solches, wie der Senat schon in BGHZ 27, 15 = NJW 58, 747 und BGHZ 31, 49, 54, 55 = NJW 60, 143 ausgeführt hat, keine Enteignung, sondern nur eine aus der Sozialgebundenheit des Grundbesitzes sich ergebende Eigentumsbindung dar. Eine Enteignung tritt dann ein, wenn dem einzelnen weniger zugesprochen wird, als seinem Anteil entspricht, und ihm damit gegenüber den anderen Mitgliedern der Teilnehmergemeinschaft ein Sonderopfer auferlegt wird. Die Vorschrift des § 55 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 RUO mindert aber gerade nicht, sondern verbessert die Rechtsposition des von der Umlegung betroffenen Eigentümers. Jeder Teilnehmer, in dessen Person der Tatbestand der Vorschrift verwirklicht ist, hat unabhängig von verwaltungsbehördlichen Entscheidungen das Wegnahmerecht. Von einem Sonderopfer kann also nicht die Rede sein, die Idee des Eigentums wird ungeachtet dessen, daß der Wegnahmeanspruch nicht aus dem Eigentum fließt, geradezu bewährt.

Anmerkung

Anmerkung: Vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 3.3.1958 - III ZR 157/66