Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.05.1959 - I C 227.56

Aktenzeichen I C 227.56 Entscheidung Urteil Datum 12.05.1959
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Wasserverbandbeiträge sind als Umstand im Sinne von § 44 Abs. 2 FlurbG anzusehen.
2. Zur Frage der Umstellung eines Flurbereinigungsverfahrens in ein sogenanntes Unternehmensverfahren.

Aus den Gründen

In der angefochtenen Entscheidung ist ausgeführt, daß die ursprünglich nach der preußischen Umlegungsordnung angeordnete Umlegung gemäß § 156 der Reichsumlegungsordnung vom 16.6.1937 (RGBl. I S. 629) - RUO - in ein Verfahren nach § 1 Abs. 2 umgewandelt worden sei. Hiervon ist auch die Obere Spruchstelle in dem mit der Klage angefochtenen Beschluß vom 30.11.1953 ausgegangen. Im Beschluß der gleichen Spruchstelle vom 3.1.1951, dessen Ausfertigung dem Umlegungsplan beigefügt ist, ist das Verfahren dagegen als ein solches nach § 1 Abs. 1 RUO bezeichnet. Die Feststellung in der angefochtenen Entscheidung steht im Widerspruch zu den Akten. Nach der beglaubigten Abschrift einer Niederschrift vom 13.2.1940 (Bl. 111 d.A.) hat die am Verfahren beteiligte Reichswasserstraßenverwaltung die für ihr Bauvorhaben benötigten Grundstücksflächen in das Unternehmen eingelegt. In dieser Niederschrift ist zutreffend ausgeführt, daß dann kein Verfahren nach § 1 Abs. 2 RUO vorliegt, wenn das Unternehmen die für seine Zwecke erforderlichen Landflächen in das Verfahren einbringt. Nur wenn das für das Unternehmen benötigte Land von den übrigen Teilnehmern aufzubringen ist, handelt es sich um ein Verfahren nach § 1 Abs. 2 RUO. Wie der Senat in seiner Entscheidung BVerwGE 3, 156 ausgeführt hat, wird in einem solchen Fall aber nicht das ganze Umlegungsverfahren zu einer Enteignung; nur soweit Landabzüge für die Kanalfahrt vorgenommen werden, würde eine Enteignung vorliegen.

Dem Kläger ist im Gebiet des K.-Wasserverbandes eine größere Fläche zugeteilt worden, als er vorher dort besessen hat. Er muß nunmehr zusätzlich für eine Fläche von 12 Normal-ha Beiträge entrichten. Hierfür fordert der Kläger eine Abfindung in Land. Auch insoweit bedarf es weiterer Feststellungen durch das Flurbereinigungsgericht.

1. Gemäß § 68 Ziff. 1 RUO gehen die öffentlichen und privatrechtlichen Lasten der alten Grundstücke auf die neuen Grundstücke über. Das gilt nicht für Lasten auf Grundstücken, die wegen ihrer Lage in einem bestimmten Gebiet zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gehören, und für Lasten, die sonst ihrem Wesen nach örtlich gebunden sind. Die Beitragsverpflichtungen im K.-Wasserverband bleiben auf den ursprünglichen Grundstücken bestehen. Es ist daher zu prüfen, wie derartige Belastungen bei der Abfindung zu behandeln sind. Dabei ist von § 48 Abs. 1 Satz 2 RUO auszugehen. Die Vorschrift besagt, daß der Teilnehmer für Grundstücke, die vom Umlegungsverfahren erfaßt werden, in Land abzufinden ist, daß diese Abfindung dem Wert der Einlage entsprechen muß und welche Faktoren bei der Ermittlung des Wertes der Abfindung zu berücksichtigen sind.

Das Flurbereinigungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die auf den Abfindungsgrundstücken des Klägers ruhende Beitragslast einen den Wert der Abfindung mitbestimmenden Umstand im Sinne dieser Vorschrift darstellt. Es hat auch darauf hingewiesen, daß dem Kläger für die - dem Altbesitz gegenüber erhöhten - Beitragsverpflichtungen ein Ausgleichsanspruch zusteht. Nach seiner Auffassung ist dieser durch Zahlung einer Ablösungssumme zu befriedigen. In letzterem Punkt kann der Entscheidung nicht gefolgt werden. Die Reichsumlegungsordnung geht davon aus, daß für Grundstücke, welche in die Umlegung einbezogen sind, Land zurückgegeben werden muß. Weist die Landabfindung gegenüber der Einlage Nachteile auf, die nicht vorübergehender Art sind, so sind diese durch konkrete Vorteile derart auszugleichen, daß Einlage und Zuweisung im Ergebnis gleichwertig sind. Dabei muß es sich um Vorteile handeln, die den Wert der Landabfindung erhöhen. Diese Vorteile können grundsätzlich nicht in einer Geldentschädigung bestehen; denn nur ausnahmsweise darf zur Ergänzung der Landabfindung Geld gegeben werden (§ 48 Abs. 4 Satz 1 RUO). Diese Vorschrift betrifft nicht lediglich die Minderabfindung, sondern auch den Fall, in dem andere Nachteile die nach § 48 Abs. 1 RUO gebotene Gleichwertigkeit beeinträchtigen. Demnach ist die Belastung mit Wasserverbandbeiträgen grundsätzlich durch entsprechende Landabfindung zu berücksichtigen. Unter welchen Voraussetzungen von diesem Grundsatz abgewichen werden kann, bedarf hier keiner Erörterung, da die bisherigen Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts keinen Anhalt geben, daß eine Ausnahme gerechtfertigt wäre.

2. Die Beklagte ist der Auffassung, daß die den Kläger treffende Belastung mit Wasserverbandbeiträgen durch den überdurchschnittlichen Entfernungsgewinn ausgeglichen werde. Zweifellos ist ein Entfernungsgewinn ein meßbarer Vorteil, der andere meßbare Nachteile ausgleichen kann. Das Flurbereinigungsgericht hat aber festgestellt, daß allein dem Kläger der Entfernungsgewinn rechnungsmäßig in Ansatz gebracht worden ist. Bleibt der Entfernungsgewinn im Rahmen der Prüfung der Wertgleichheit der Abfindung aller Teilnehmer außer Betracht, was nach Auffassung des Senats zulässig ist, wenn alle Beteiligten dem zustimmen, so liegt ein Verstoß gegen Art. 3 GG vor, wenn einem einzelnen Teilnehmer der Entfernungsgewinn als Vorteil angerechnet wird. Das hat das Flurbereinigungsgericht zutreffend erkannt; gleichwohl glaubt es, daß der Kläger keinen Anspruch auf Ausgleich des besagten Nachteiles habe, weil seine Forderung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße; denn es habe kein anderer Teilnehmer wegen Mehrzuteilung im Wasserverbandgebiet Ersatzforderungen gestellt. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Der dem Kläger nach § 48 Abs. 1 RUO zustehende Anspruch auf eine wertgleiche Abfindung kann nicht dadurch beeinträchtigt werden, daß andere Berechtigte keine Forderungen erhoben haben. Wer ein ihm gesetzlich zustehendes Recht geltend macht, verstößt nicht gegen Treu und Glauben, weil andere auf gleiche Rechte verzichten.