Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 03.12.1959 - I C 95.58 = RdL 1960 S. 78
Aktenzeichen | I C 95.58 | Entscheidung | Urteil | Datum | 03.12.1959 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = RdL 1960 S. 78 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Bedeutung der Verunkrautung eines Grundstücks. |
2. | Zum Anspruch auf Zuteilung bestimmter Grundstücke. |
3. | Zur Anfechtung des Wege- und Gewässerplanes. |
4. | Zu den Voraussetzungen der Änderung in der Nutzungsart. |
Aus den Gründen
Die Verunkrautung eines Flurstückes kann im Rahmen der Umlegung in zweifacher Hinsicht Bedeutung haben: a) Die Verunkrautung führt zu einer Minderung des Nutzungswertes des Grundstücks. Das ist bei solchen Unkräutern der Fall, die bei gehäuftem Auftreten erst nach langjähriger Bearbeitung vertilgt werden können und den Ackerertrag stark beeinträchtigen. b) Die Verunkrautung verursacht nur einen vorübergehenden Nachteil im Sinne des § 56 RUO. Diese Unterscheidung ist aus folgenden Gründen wesentlich: Im Falle a) ist die Verunkrautung ein nach § 48 Abs. 1 Satz 2 RUO zu beachtender Umstand, der einen Einfluß auf den Wert eines Grundstücks haben kann und der bei der Schätzung des Grundstücks berücksichtigt werden muß (BVerwGE 8, 343, 347; sie ist ein Nachteil, der im Rahmen der Landabfindung zu beachten ist. Im Falle b) kann der Nachteil durch eine Geldleistung oder auf andere Weise, z.B. durch Bekämpfung des Unkrauts durch die Teilnehmergemeinschaft, ausgeglichen werden. Die in diesem Falle nach § 56 RUO zu zahlende Entschädigung ist kein Bestandteil der Abfindung im Sinne des § 48 Abs. 1 RUO; sie fällt der Teilnehmergemeinschaft als Ausführungskosten nach § 133 RUO zur Last (BVerwG I C 227.56 vom 12.5.1959).
Das Flurbereinigungsgericht sieht auf Grund einer Äußerung des Pflanzenschutzamtes für erwiesen an, daß der Altbesitz des Klägers Flur 5 Nr. 333/34 und 334/35 durch Ackerfuchsschwanz und Ackerquecke stark verunkrautet gewesen sei und der Kläger daher wegen der Verunkrautung der neu zugeteilten Parzelle 238 (137 neu) keine Ansprüche geltend machen könne. Eine derartige vergleichende Gegenüberstellung von zwei Einlageflurstücken und einer Zuteilungsfläche kann unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen nur dann gerechtfertigt sein, wenn die Verunkrautung in beiden Fällen als vorübergehender Nachteil anzusehen ist, nicht aber, wenn es sich um eine Dauerverunkrautung handelt, die zu einer geringeren Einschätzung eines Grundstücks führen muß. In diesem Falle muß der Gesamttauschwert der Einlage mit dem der Zuteilung verglichen werden. Ein Vergleich einzelner Grundstücke ist auch nicht zulässig, wenn das eine Grundstück unter einer langandauernden, das andere unter einer vorübergehenden Verunkrautung leidet.
Es kommt somit für die Entscheidung des Rechtsstreits in diesem Punkt darauf an, ob die vom Kläger beanstandete Neuzuteilung in der Parzelle Nr. 137 verunkrautet war und um welche Art Verunkrautung es sich handelt. Die vom Flurbereinigungsgericht hierzu getroffenen Feststellungen reichen nicht aus, um diese Entscheidung zu treffen.
Der Kläger lehnt zu Unrecht die Zuteilung der verunkrauteten Fläche im Plan Nr. 137 ab und fordert eine anderweitige Abfindung. Diese Forderung ist unbegründet. Nach der Rechtsprechung des Senats hat der an einem Umlegungsverfahren Beteiligte keinen Anspruch, bestimmte Grundstücke zu erhalten (BVerwG I B 133.57 vom 22.4.1958; BVerwG I CB 43.58 vom 20.8.1958 (RdL 1959 S. 27); BVerwG I B 23.59 vom 24.6.1959); er kann auch nicht ein Grundstück, das gewisse Mängel aufweist, ohne weiteres zurückweisen. Er hat lediglich ein Recht auf Ausgleich, wenn die Mängel die Gleichwertigkeit der Abfindung beeinträchtigen, oder auf Entschädigung nach § 56 RUO.
Auch die Einwendungen des Klägers gegen die Zuteilung des Hofplanes Flur 5 Nr. 1 sind unbegründet. Die Auffassung des Flurbereinigungsgerichts, daß die "Einflußnahme auf den Wege- und Gewässerplan" zu den Aufgaben des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft gehöre und dem einzelnen Umlegungsbeteiligten daher lediglich das Recht zustehe, für einen ihm aus der neuen Wegeführung erwachsenen Schaden Ersatzansprüche herzuleiten, ist nicht frei von Bedenken. Es bedarf hier aber keiner Entscheidung, ob der Beteiligte den Wege- und Gewässerplan unabhängig von seiner Abfindung mit der Klage anfechten und welche Einwendungen er erheben kann. Als Bestandteil des Umlegungsplanes (vgl. § 61 Abs. 1 Satz 2 RUO) kann er ihn jedenfalls mit der Begründung angreifen, er werde in seinem Recht auf gleichwertige und zweckmäßige Abfindung beeinträchtigt.
Die Ausführungen des Flurbereinigungsgerichts, der Kläger erleide durch die Wegeführung keinen Schaden, lassen aber im Ergebnis keinen Rechtsirrtum erkennen, so daß die Revision in diesem Punkt keinen Erfolg haben kann.
Der Kläger beanstandet, daß seine Abfindung in den Kulturarten und in den Klassen eine erhebliche Verschiebung bringe. Die Veränderung in den Klassen und die Zuteilung des südlichen Streifens in Flur 137 führten zu erheblichen wirtschaftlichen Erschwernissen. Nach seiner Auffassung ist der Grünlandstreifen in Flur 137 für ihn unbrauchbar, da er auf Acker angewiesen sei. Das Flurbereinigungsgericht hat hierzu ausgeführt, daß nach der Reichsumlegungsordnung der Bildung möglichst großer Grundstücke eine höhere Bedeutung zukomme als der Aufrechterhaltung der früheren Kulturarten und Klassenverhältnisse und daß die Klassenverschiebung dem Kläger zuzumuten sei. Diese Erwägungen allein werden der Sache nicht gerecht.
Die landwirtschaftliche Umlegung dient u.a. dem Ziele, eine bessere Bewirtschaftung des Grundbesitzes und damit eine Steigerung der Produktionskapazität zu ermöglichen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die neuen Grundstücke eine möglichst zusammenhängende Lage erhalten (§ 48 Abs. 2 RUO). Da jedoch aus flurbereinigungstechnischen Gründen häufig die Zuteilung von Land, das der Nutzungsart oder Beschaffenheit der Einlagegrundstücke entspricht, nicht möglich ist, muß der Beteiligte Grundstücke einer anderen Nutzungs- oder Bodenart annehmen. Die Flurbereinigungsbehörde darf aber bei der Zuteilung nicht willkürlich von der bestehenden Nutzungs- oder Bodenart der Einwurfsgrundstücke abweichen. Sie muß vielmehr bei ihrer Plangestaltung die aus § 48 Abs. 3 RUO sich ergebenden Einschränkungen beachten. Die neuen Grundstücke sollen die gleiche Nutzungsart und Beschaffenheit haben wie die eingelegten Grundstücke. Hierdurch ist das Ermessen der Flurbereinigungsbehörde dahin eingeschränkt, daß sie im Regelfall Grundstücke der gleichen Nutzungsart und Beschaffenheit zuzuteilen hat. Sie darf davon abweichen, wenn sachliche Gründe vorliegen, die ein Abgehen von der Regel rechtfertigen. § 48 Abs. 3 RUO beruht auf der Erwägung, daß eine Änderung in der Nutzungsart oder Bodenbeschaffenheit der Grundstücke eines Betriebes zu betrieblichen Störungen führen kann und gegebenenfalls zu Umstellungen zwingt. Die Rechtsumlegungsordnung will aber verhindern, daß durch betriebliche Störungen die Leistungsfähigkeit eines Hofes absinkt. Daher müssen, wie der Senat wiederholt entschieden hat, im Rahmen des § 48 Abs. 3 RUO das öffentliche Interesse an einer sachgerechten, zweckmäßigen und großräumigen Durchführung der Umlegung und das Einzelinteresse an der Aufrechterhaltung der bisherigen Nutzungsart in gerechter und billiger Weise gegeneinander abgewogen werden. Dabei muß berücksichtigt werden, daß einem Beteiligten die Umwandlung einer Wiese in Ackerland und umgekehrt bei entsprechenden Verhältnissen zugemutet werden kann. Einer Veränderung in den Bodenklassen, also der Zuteilung von Böden in den mittleren Klassen gegenüber eingelegten Böden in den besseren Klassen kann nach neuzeitlichen landwirtschaftlichen Erkenntnissen heute nicht mehr die Bedeutung zukommen, die sie früher hatte, da die Bearbeitung mit Kunstdünger die Ertragsunterschiede in den einzelnen Klassen zum Teil erheblich herabgesetzt hat.