Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 29.05.1957 - I CB 37.57

Aktenzeichen I CB 37.57 Entscheidung Urteil Datum 29.05.1957
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. § 23 Abs. 3 FlurbG unterliegt keinen rechtsstaatlichen Bedenken.

Aus den Gründen

Zur Sache geht es, nachdem das Urteil des Flurbereinigungsgerichts in Auswirkung des Beschlusses des erkennenden Senats vom 7. Mai 1957 hinsichtlich der Abberufung der früheren Mitglieder des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft rechtskräftig geworden ist, nur noch um den Verwaltungsakt, durch den der neue Vorstand bestellt wurde. Den Klägern ist in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des bisherigen Vorstandes ein rechtliches Interesse an der Durchführung des Verfahrens nicht abzusprechen. Das gilt auch insoweit, als die Kläger mit eigenem Grundbesitz am Verfahren nicht beteiligt sind. Die von ihnen angefochtene Maßnahme ist aber nicht rechtswidrig.

Der Verwaltungsakt findet seine rechtliche Grundlage in § 28 der Reichsumlegungsordnung vom 16. Juni 1937 (RGBl. I S. 629) - RUO -, wonach die Umlegungsbehörde Mitglieder des Vorstandes einer Teilnehmergemeinschaft, die ungeeignet sind, abberufen und an ihrer Stelle andere bestellen kann. Von dieser Vorschrift ist auszugehen, obwohl inzwischen das Flurbereinigungsgesetz in Kraft getreten ist. Es handelt sich um ein Verfahren, in dem bei Inkrafttreten des Flurbereinigungsgesetzes mit der Bekanntgabe des Flurbereinigungsplanes bereits begonnen war. Auf solche Verfahren sind nach § 156 Abs. 1 FlurbG die Vorschriften des neuen Flurbereinigungsgesetzes - abgesehen von den prozeßrechtlichen Verfahrensvorschriften - nicht anzuwenden; vielmehr ist das Verfahren gemäß § 15 des nordrhein-westfälischen Ausführungsgesetzes zum Flurbereinigungsgesetz vom 8. Dezember 1953 (GVBl. NW S. 411) nach bisherigem Recht abzuwickeln. § 28 RUO ist daher anzuwenden.

Diese Vorschrift ist gültiges Recht. Soweit in ihr die Anhörung des Kreisbauernführers vorgeschrieben ist, tritt an seine Stelle die nach der Gesetzgebung des Landes Nordrhein-Westfalen nunmehr für die Wahrung der berufsständischen landwirtschaftlichen Interessen zuständige Stelle, die die Organe des früheren Reichsnährstandes abgelöst hat. Das ist, wie sich aus dem Gesetz über die Errichtung von Landwirtschaftskammern im Lande Nordrhein-Westfalen vom 11. Februar 1949 (GVBl. NW S. 53) ergibt, die Landwirtschaftskammer mit ihren Dienststellen. Diese Dienststellen sind gehört worden. Verfassungsrechtliche Vorschriften, rechtsstaatliche oder demokratische Grundsätze stehen der Vorschrift des § 28 RUO nicht entgegen.

Den rechtsstaatlichen Erfordernissen ist dadurch Genüge getan, daß der Verwaltungsakt, durch den der neue Vorstand eingesetzt wurde, im Verwaltungsstreitverfahren angefochten werden kann und damit verwaltungsgerichtlicher, also rechtsstaatlicher Kontrolle unterliegt. Den demokratischen Grundsätzen widerspricht es nicht, daß in der Demokratie der unter der Kontrolle des Parlaments stehenden Aufsichtsbehörde Befugnisse verliehen werden, durch die die ordnungsgemäße Führung der Geschäfte einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, wie sie von der Teilnehmergemeinschaft gebildet wird, sichergestellt wird. Diesem Zweck dient § 28 RUO.

Die Anwendung der Vorschrift läßt im vorliegenden Falle keine Rechts- oder Ermessensfehler erkennen. Die Ansicht der Kläger, daß der angefochtene Verwaltungsakt bereits deswegen als rechtswidrig anzusehen sei, weil er von einem Ruhestandsbeamten unterzeichnet worden sei, der nach seinem Eintritt in den Ruhestand lediglich in einem Angestelltenverhältnis zur Behörde gestanden habe, ist unzutreffend. Grundsätzlich soll zwar, wie der Senat bereits in seinem Beschluß vom 7. Mai 1957 ausgeführt hat, die hoheitliche Tätigkeit der Behörde durch Beamte ausgeübt werden. Sie kann aber auch Angestellten überlassen werden. In Art. 33 Abs. 4 des Grundgesetzes ist nur davon die Rede, daß in der Regel die Ausübung hoheitlicher Befugnisse als ständige Aufgabe den Beamten übertragen werden soll. Diese Vorschrift des Grundgesetzes steht einer ausnahmsweisen Heranziehung von Angestellten zu hoheitlichen Aufgaben nicht entgegen.

Auch im übrigen ergeben weder der vom Flurbereinigungsgericht festgestellte Sachverhalt noch das Vorbringen der Kläger irgendwelche Rechts- oder Ermessensfehler. Es mag zwar im Einzelfall ermessenswidrig sein, wenn eine Umlegungsbehörde einen neuen Vorstand für die Teilnehmergemeinschaft bestellt, ohne zuvor, wie es guter Verwaltungsübung entspricht und in § 21 des neuen Flurbereinigungsgesetzes für die nach diesem Gesetz abzuwickelnden Verfahren ausdrücklich vorgeschrieben ist, auch nur den Versuch gemacht zu haben, über Neuwahlen die Bildung eines arbeitsfähigen Vorstandes zu erreichen. Das gilt im Rahmen des § 28 RUO jedenfalls dann nicht, wenn ein solcher Versuch, wie dies nach den tatsächlichen Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts hier der Fall ist, von vornherein aussichtslos erscheinen muß.

Auch hinsichtlich der Auswahl der neuen Vorstandsmitglieder sind Ermessensfehler nicht zu erkennen. Gewiß mag es im Einzelfall ermessenswidrig sein, wenn neue Vorstandsmitglieder bestellt werden, die selbst nicht Teilnehmer des Verfahrens sind und die außerhalb des Umlegungsgebietes wohnen; doch ist im vorliegenden Fall, wenn man von den tatsächlichen Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts ausgeht, die getroffene Maßnahme nicht zu beanstanden. Bei den modernen Verkehrsverhältnissen lassen sich die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, daß die neuen Vorstandsmitglieder außerhalb des Umlegungsgebietes wohnen, ohne weiteres überwinden. Daß im vorliegenden Fall auf solche Personen zurückgegriffen worden ist, kann daher hier nicht als ermessenswidrig angesehen werden.