Flurbereinigungsgericht Greifswald, Urteil vom 24.11.2021 - 9 K 942/18 OVG (Lieferung 2023)

Aktenzeichen 9 K 942/18 OVG Entscheidung Urteil Datum 24.11.2021
Gericht Flurbereinigungsgericht Greifswald Veröffentlichungen Lieferung 2023

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Für die Feststellung der Nichtigkeit zum einen des Bodenordnungsplanes und zum anderen der Schlussfeststellung gelten neben den allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen keine besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen wie die Einhaltung einer Klagefrist oder die Durchführung eines Vorverfahrens (red. LS).
2. In der durch den Bodenordnungsplan nicht erfolgten Beseitigung eines Überbaus liegt kein Fehler des Bodenordnungsplanes (red. LS).
3. Im Bodenordnungsverfahren dürfen die rechtlichen Grenzen zwischen den beteiligten Grundstücken mit den tatsächlichen Besitzverhältnissen in Einklang gebracht werden, aber dies ist kein zwingender Planungsgrundsatz des Bodenordnungsverfahrens (red. LS).
4. Ob eine Überbausituation beseitigt wird, ist vielmehr im Ergebnis einer nach § 37 Abs. 1 FlurbG zu erfolgenden Gesamtabwägung zu entscheiden. Das setzt allerdings voraus, dass eine solche Überbausituation der mit der Durchführung des Bodenordnungsverfahrens betrauten Behörde bekannt ist oder sich dieser hätte aufdrängen müssen. Fehlt es daran, ist die Gesamtabwägung nicht deshalb fehlerhaft, weil sie sich an dem Grundsatz orientiert, im vorhandenen Bestand von Wohngebäuden keine Veränderung der Grundstücksgrenzen vorzunehmen (red. LS).

Aus den Gründen

Die Klageerweiterung ist zulässig. Für die Nichtigkeitsfeststellungsklage gelten neben den allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen keine besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen wie die Einhaltung einer Klagefrist oder die Durchführung eines Vorverfahrens. Diese allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind sowohl bei der Ehefrau des Klägers zu 1. wie dem Kläger zu 1. erfüllt.

Die Klage ist zulässig. Sie ist als Nichtigkeitsfeststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Alt. 2 VwGO ohne Durchführung eines Vorverfahrens und unbefristet zulässig. Der Zulässigkeit steht auch nicht die materielle Verwirkung des Klagerechts entgegen. Dafür könnte sprechen, dass die Klage nach Ablauf einer erheblichen Zeitspanne ab Kenntnis des Bodenordnungsplanes bzw. der Schlussfeststellung erhoben wurde. Es dürfte aber daran fehlen, dass der von den Verwaltungsakten Begünstigte auf das Unterbleiben der Klageerhebung vertraut hat und ihm durch die Klageerhebung ein unzumutbarer Nachteil entstanden ist. Die Kläger sind klagebefugt, weil die Grundstücksgrenze innerhalb des von ihnen beanspruchten Erdgeschosses verläuft.

Die Klage ist unbegründet. Sie richtet sich gegen zwei verschiedene, bestandskräftige Verwaltungsakte, deren Nichtigkeit geltend gemacht wird. Der Senat kann offenlassen, ob die Klage gegen die Schlussfeststellung bereits deswegen unbegründet ist, weil sich der Vorwurf der Nichtigkeit nur gegen den Bodenordnungsplan richtet, nicht aber gegen die Schlussfeststellung. Dagegen könnte sprechen, dass eine Schlussfeststellung, die die Erfüllung der Ansprüche aus einem nichtigen Bodenordnungsplan feststellt, ihrerseits einem Nichtigkeitsvorwurf ausgesetzt sein könnte. Darauf kommt es aber nicht entscheidungserheblich an, weil sich der Bodenordnungsplan, soweit er angegriffen wird, nicht als nichtig erweist.

Die Voraussetzungen der Nichtigkeit bestimmt § 44 VwVfG M-V. Besondere Nichtigkeitsgründe kennt das FlurbG nicht. Ein Verwaltungsakt ist nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offensichtlich ist.

Ein besonders schwerwiegender Fehler liegt nach der aus § 44 Abs. 2 und 3 VwVfG dann vor, wenn der Verwaltungsakt den der Rechtsordnung insgesamt oder in bestimmter Hinsicht zugrundeliegenden und diese tragenden Zweck- und Wertvorstellungen widerspricht. Es genügt nicht, dass der Verwaltungsakt fehlerbehaftet ist oder zweckwidrig ist. Er muss den beschriebenen Widerspruch beinhalten.

Ein solch schwerwiegender Fehler liegt hier nicht vor. Der Bodenordnungsplan hat die Grundstücksgrenze entsprechend den Eintragungen im Kataster, die auf einem Fortführungsriss aus dem Jahr 1995 beruhen, festgesetzt. Diese Grenzziehung beruht auf einer Teilung des Gebäudes in seiner Mitte. Durch diese Grenzziehung wird ein (damals unerkannt) bestehender Überbau nicht beseitigt. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt in der durch den Bodenordnungsplan nicht erfolgten Beseitigung eines Überbaus kein Fehler des Bodenordnungsplanes. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass im Bodenordnungsverfahren die rechtlichen Grenzen zwischen den beteiligten Grundstücken mit den tatsächlichen Besitzverhältnissen in Einklang gebracht werden dürfen, dies aber kein zwingender Planungsgrundsatz des Bodenordnungsverfahrens ist (BVerwG Beschluss vom 05.03.1992 - 5 B 33.92). Ob eine Überbausituation beseitigt wird, ist vielmehr im Ergebnis einer nach § 37 Abs. 1 FlurbG zu erfolgenden Gesamtabwägung zu entscheiden. Das setzt allerdings voraus, dass eine solche Überbausituation der mit der Durchführung des Bodenordnungsverfahrens betrauten Behörde bekannt ist oder sich dieser hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG a.a.O.). Fehlt es daran, ist die Gesamtabwägung nicht deshalb fehlerhaft, weil sie sich an dem Grundsatz orientiert, im vorhandenen Bestand von Wohngebäuden keine Veränderung der Grundstücksgrenzen vorzunehmen. Damit orientiert sich die Behörde einerseits an § 30 FlurbG, der eigene Ermittlungen der Flurstücksgrenzen im Bodenordnungsverfahren grundsätzlich nicht veranlasst, weil die Behörde die im Liegenschaftskataster festgestellten Flurstücksgrenzen ihrer Entscheidung zugrunde legen darf, und zum anderen an § 45 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG, wonach Veränderungen an Hof- und Gebäudeflächen nur unter engen Voraussetzungen vorgenommen werden können.

So liegt der Fall hier. Nach den Ausführungen des Beklagten beruht die Festsetzung der östlichen Flurstücksgrenze des Abfindungsflurstücks 50, das den Klägern zugeteilt wurde, auf der im Liegenschaftskataster festgesetzten Flurstücksgrenze. Dass diese Flurstücksgrenze nicht der tatsächlichen Wandziehung und Nutzung im Innern der Gebäude auf den Flurstücken 50 und 51 entspricht, war der Behörde weder bekannt noch haben die Kläger oder ein anderer Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens darauf hingewiesen. Unter diesen Umständen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Flurneuordnungsbehörde in Abwägung aller ihr bekannten Umstände die Grenze wie geschehen festgelegt hat.